Völkermord

Späte Aufarbeitung

Von Ursula Welter · 04.02.2014
In den französischen Medien wird der Prozess als "historisch" eingestuft. 20 Jahre nach dem Genozid in Ruanda steht zum ersten Mal einer der mutmaßlichen Täter in Frankreich vor Gericht.
Pascal Simbikangwa soll einer der führenden Köpfe des Geheimdienstes in Kigali gewesen sein. Der 54-Jährige, der nach einem Autounfall im Rollstuhl sitzt, soll sich im Herzen des Systems befunden und für die Bewaffnung der Hutu-Einheiten gesorgt haben.
Simbikangwa war über Zaire geflohen, mit falschen Papieren schließlich in Mayotte gelandet, wurde dort von Tutsi , die die Massaker überlebt hatten, ausfindig gemacht und schließlich festgenommen. Da dies in französischem Übersee-Territorium stattfand, gilt die Regel der universellen Zuständigkeit französischer Gerichte. Deshalb wurde der Afrikaner in Paris angeklagt, er leugnet jede Verantwortung.
Simbikangwas Akte ist nicht die einzige, 25 Dossiers stehen zur Verhandlung in Paris an. Verfahren gegen Ruander, die in Frankreich Zuflucht gesucht hatten und die ebenfalls wegen Beteiligung am Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht gestellt werden.
"Ich bin froh, dass der Prozess stattfindet, aber warum hat man so lange damit gewartet?", fragt Marcel Kabanda im Sender Radio France. Er leitet die französische Abteilung des Opfervereins IBUKA .Was kann die französische Justiz heute noch ausrichten, wie weit reicht der Horizont der Richter in Paris, was ist über die Zusammenhänge in Ruanda von einst noch zu erfahren, nachdem so viele Zeugen nicht mehr gehört werden können? Kabanda spricht von verlorener Zeit.
Vorwürfe gegen Frankreich
1994 waren französische Soldaten auf dem Höhepunkt des Völkermords an den Tutsi mit UNO-Mandat in Ruanda eingesetzt worden und sollten im Westen des Landes eine sicherere Zone einrichten für die zig Millionen Flüchtlinge. Die "Opération Turquoise", wie der Einsatz getauft wurde, führte unter anderem dazu, dass die Verantwortlichen für die Massaker ungehindert in die Nachbarregionen flüchten konnten.
Seither steht der Vorwurf im Raum, Frankreich sei es um Sicherung seines Einflusses in der Region gegangen und Präsident Mitterrand habe damals mit seinem Militäreinsatz das französischsprachige Hutu-Regime in Kigali gezielt gestützt und damit die Verantwortlichen für den Völkermord.
"Unsere Beziehungen zu Ruanda haben sich inzwischen normalisiert, beruhigt", sagt Außenminister Laurent Fabius im französischen Rundfunk. Er sehe seinen ruandischen Kollegen sehr regelmäßig. Aber, räumt der Diplomat ein, das mache die Geschichte nicht ungeschehen:
"Das hat Spuren hinterlassen, schwere Spuren, und ich finde gut, dass der Prozess stattfindet und die Justiz ihre Arbeit tut. "
Das Verfahren wird etwa sechs Monate dauern und soll komplett gefilmt werden, für die historischen Archive.
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