Viva la Rumba!

Von Dorothea Massmann · 17.04.2008
Er ist ein kreativer Selfmademan: Als Modedesigner, DJ, Plattenproduzent und Trendsetter belebt Carles Clusa aliasTxarly Brown seit Jahren Barcelonas Subkultur. Zur Zeit sorgt das Multitalent für ein erfolgreiches Revival der "Rumba Catalana", einer beinahe vergessenen Musik der katalanischen "Gitanos" (Roma). Ihr ist auch sein Album "Achilifunk" gewidmet.
Geburtstagsgrüße für Txarly: Luis, ein junger Gitano-Musiker, improvisiert ein Ständchen zu Ehren des Club-Managers. Donnerstagabend im Szenelokal "KGB”. Musiker und Techniker der Rumbagruppe "Papaia” bereiten ihren Auftritt vor. Txarly Brown – schwarzes T-Shirt, dunkle, dickrandige Designerbrille, hippe Glatze – läuft, nein eilt, entschlossen hin und her zwischen Bühne und Saal, packt überall mit an.

"”Ich kümmere mich um alles – darum, wann wir aufmachen oder schließen, um die Auftritte, die Musiker, die Gäste. Ich mache hier den Zeremonienmeister.”"

Als Discjockey legte er früher Techno auf oder House. Aber die elektronische Musik langweilt ihn inzwischen. "Ein alter Hut", lächelt er, steckt sich die nächste Zigarette an und ist mit seinen Gedanken schon wieder woanders. Txarlys ganze Leidenschaft gilt jetzt der Rumba Catalana, einer Mischung aus Flamenco und afrokaribischen Klängen, die die katalanischen Gitanos auf ihren Festen und Hochzeiten spielen. In den 60er und 70er Jahren kam die Rumba Catalana kurzfristig in Mode, geriet dann aber schnell wieder in Vergessenheit.

""Ich habe einen Masterplan: Damit die Rumba wieder funktioniert, brauchen wir Auftrittsorte für die Musikgruppen, Studios, Plattenaufnahmen. All das läuft ganz gut an. Wir sind dabei, eine Rumba-Szene aufzubauen, denn bis jetzt hatten die Musiker kaum Kontakt untereinander.”"

Wenn Txarly Brown sich für etwas begeistert, kennt er keine halben Sachen: Der passionierte Plattensammler konzentrierte sich auf Rumba-Raritäten, produzierte einen Sampler mit historischen Aufnahmen und aktuellen Versionen junger Musiker samt hundertseitigem Begleitbuch: Das Album "Achilifunk” brachte die Rumba-Welle dann ins Rollen.

""Ich vergleiche die Rumba gern mit Funk oder Soul: Musik zum Tanzen, frischer und optimistischer als der 'reine' Flamenco, der depressiver ist. Mir liegt das Rumba-Gefühl mehr. Aus dem Club gehst du gut gelaunt nach Hause, nicht aufgewühlt oder traurig. Das ist optimal, denn die Leute wollen hier Spaß haben, jedenfalls ist das meine Theorie.”"
Seinen Lebensunterhalt verdient der Vierzigjährige, der mit bürgerlichem Namen Carles Clusa heißt, als Modedesigner. Poppige T-Shirts sind sein Markenzeichen, mit Motiven aus der Musikkultur rund um Reggae, Soul und Funk: Retro-Stil, klar und knallig. Von kurzlebigen Modetrends hält er nichts.

""Da trägt man dann plötzlich auf kaputt getrimmte Klamotten – wenn das modern sein soll, ohne mich… Da bleibe ich lieber beim klassischen Pop. In der Waschmaschine verfärben die Sachen schon von ganz allein! Ich entwerfe nur Hemden, die ich auch selbst tragen würde.”"

Auf's Modedesign kam Txarly Brown zufällig, vor acht Jahren. Da suchte der Freund einer Freundin gerade jemanden, der im Designstudio mit einsteigt. Gezeichnet hatte Txarly bis dahin eigentlich nur ein paar Pläne für Architekten. Inzwischen läuft seine T-Shirt-Kollektion zuverlässig gut. Es geht eben auch ohne Ausbildung, grinst er.

""Wenn du etwas wirklich willst, kannst du es am Ende auch erreichen, davon bin ich überzeugt! Wenn du nicht in's kalte Wasser springst, wirst du nie erfahren, ob du schwimmen kannst. Ich habe fast alles als Autodidakt angefangen – eigentlich alles.” "

Die unterschiedlichsten Dinge hat er im Leben gemacht. Etwa eine Ausstellung mit hundert Bildern für einen befreundeten Galeristen. Vorher hatte er nie ein Bild gemalt – und am Ende mehr als die Hälfte seiner Werke verkauft. Obwohl ihm das Malen eigentlich nicht liegt, sagt er, "zu ruhig". Txarly Brown braucht Action. Und immer wieder die Musik.

"”Als ich jung war, versuchte ich mich als Sänger in einer Metal-Band. Mir wurde schnell klar, dass ich das Singen lieber lassen sollte. Also schrieb ich für alternative Musikblätter, entwarf Plattencover, produzierte in den 80er Jahren Sampler mit Ska-Musik, fuhr dann auf elektronische Musik ab, bis ich jetzt meine Begeisterung für die Rumba entdeckt habe.”"

Carles Clusa alias Txarly Brown lebt mit seiner Frau und dem gemeinsamen dreijährigem Sohn in seiner Heimatstadt Barcelona. Das Wichtigste im Leben? Glücklich zu sein - und beschäftigt. Und unabhängig, darauf lege er größten Wert, sagt er. Wenn alle Leute "ja” sagen, suche er nach einer guten Begründung für ein "Nein”. Und bis jetzt sei er damit doch ganz gut gefahren.

""Ich sehe mich weder als Verlierer noch als Gewinner. Mit meinem Leben bin ich total zufrieden, denn ich kann machen, was ich will: T-Shirts, Platten oder eben den Rumba-Club.”"