Visionär im Zeichen des Fortschritts

Von Carola Zinner |
Eine "Kathedrale für Erfinder" wollte Oskar von Miller errichten, doch dann wurde es das Deutsche Museum. Zeitgenossen bescheinigten von Miller "ein untrügliches Gefühl für das Werdende". Aber das war nicht sein einziges Talent.
Der Mann konnte betteln wie kein zweiter. Wenn Oskar von Miller um Spenden bat für sein geplantes "Museum der Technik", dann wagte keiner ein "Nein". Die Stadt München stiftete den Baugrund auf der "Kohleninsel" inmitten der Isar, Conrad Röntgen schickte einen Durchleuchtungs-Apparat, die Unternehmer Krauss und Maffei Lokomotiven und Alexander Bell "Telephoniergeräte". Der bayerische Prinzregent gab Geld, Kaiser Wilhelm ein Schiffsmodell im Maßstab 1:20 und die Münchner Brauer Freibier.

Fast 19 Jahre lang wurde gebaut – Krieg und Inflation sorgten für zahlreiche Unterbrechungen. Doch nichts konnte den Museumsgründer von seinem Vorhaben abbringen. Was es in den Nachbarländern Frankreich und England bereits gab, sollte nun auch in Deutschland errichtet werden: ein nationales Museum, gewidmet den atemberaubenden technischen Erfindungen der Epoche.
"Mein Plan fand den Beifall in weiten Kreisen und von allen Seiten wurde er unterstützt."

Oskar von Miller. Ingenieur und Elektropionier. Er feierte am 7. Mai 1925 seinen 70. Geburtstag und lieferte sich das schönste Geschenk gleich selber mit der Eröffnung "seines" Museums. Breit und selbstbewusst stand er auf der Rednertribüne: funkelnde Augen unter buschigen Brauen, zerfurchtes bärtiges Gesicht. Der "Alte", wie ihn seine Mitarbeiter heimlich nannten, blickte zufrieden zurück auf die Anfänge.

"Die reichen Leute, die gaben uns Geld, die Industrie stiftete uns ihre Produkte, die Gelehrten halfen uns bei Beschreibung, bei Erläuterung der Apparate, die Künstler schmückten die Museumsräume, aber auch die Arbeiter ließen es sich nicht nehmen, mitzuhelfen."

Und darum sollte auch keiner leer ausgehen an diesem Jubeltag. Mit seiner berüchtigten Zähigkeit hatte Miller es durchgesetzt, dass die Schulen und Ämter geschlossen blieben. Tausende von Menschen säumten bei strahlendem Sonnenschein die Straßen, um den Festzug zu bewundern: 58 Wagen, gezogen von Brauereirössern, präsentierten Schaustücke aus Kunst und Handwerk. Das Volk bestaunte die moderne Pracht und bekam plangemäß Lust auf einen Museumsbesuch.

"Aber Herr von Miller – wir sind doch hier nicht auf dem Jahrmarkt!",

so der Ehrengast Conrad Röntgen, einigermaßen pikiert über eine derartige Zurschaustellung. Miller konterte:

"Aber genau das ist es doch! Die Leute sollen reinströmen wie aufs Oktoberfest!"

Und sie strömen bis heute: Mit 1,4 Millionen Besuchern ist Millers Haus auf der Kohleninsel das meistbesuchte Museum in Deutschland.

"Wir waren im Planetarium, wir waren im Kinderreich drin, die Dampfmaschinen, das haben wir alles angeschaut, die Boote, die Flugzeuge, genau, ja - alles eigentlich - und jetzt sind wir kaputt!"

Kein Wunder: 20.000 Ausstellungsstücke in 50 verschiedenen Abteilungen - das will erst mal abgewandert werden. Nicht nur für die Besucher, auch für die Betreiber ist der Umfang der Ausstellung eine echte Herausforderung, so Pressesprecher Bernhard Weidemann:

"Mit so vielen Besuchern wie wir sie haben, die alle auf diesen einen Knopf drücken, der muss dann irgendwann mal repariert werden, weil er kaputt geht, die Exponate, die dreidimensionalen, die müssen entsprechend gepflegt und gewartet und restauriert werden und das ist sehr aufwendig im Betrieb."

Knapp 450 Leute sorgen vor und hinter den Kulissen für den reibungslosen Betrieb des Hauses, darunter Schlosser, Buchbinder, Bildhauer und Instrumentenbauer – ja, auch Musikinstrumente gehören zur Sammlung und werden regelmäßig gespielt.

"Dann haben wir natürlich sehr, sehr viele Vorführer, die nicht nur aufpassen, dass eine Dampfmaschine nicht wegläuft, sondern diese auch erklären können, in Gang setzen können und Rede und Antwort stehen können für die Fragen, die die Besucher dann haben."

Oder die mittels Starkstrom die Blitze knallen lassen – die Vorführung ist traditionell eine der großen Attraktionen des Hauses. Oskar von Miller würde sich sicher darüber freuen. Hat doch "Elektrizität" zu den Fachgebieten gehört, für die er sich am meisten begeistern konnte. Aber auch mit der neuen Abteilung "Bio- und Nanotechnologie" wäre er sicherlich einverstanden. Denn sein Interesse galt stets den Neuerungen der Zeit. Und so kann man sagen, dass auch heute im Deutschen Museum noch alles getreu dem Motto seines Gründers geschieht: "In diesem Haus darf jeder tun, was - ich will."