Virtuell sicherer Brummi fahren

Von Stephanie Kowalewski · 19.08.2013
Mit dem mobilen LKW-Simulator "Simutruck" üben LKW-Fahrer Grenzsituationen im realen Verkehr - aber im virtuellen Raum. Mit dem Hightech-Simulator sparen Logistik-Unternehmen nicht bloß Sprit. Es ist auch sicherer für künftige und auch erfahrene Brummifahrer, einen 40-Tonner virtuell um eine Kurve zu fahren oder einzuparken.
Um ein LKW zu fahren, braucht es Feingefühl: Ausweichen, wenn plötzlich ein Radfahrer auf der Fahrbahn auftaucht, ist mit einem Lastwagen eine ganz andere Herausforderung als mit einem Auto. Wer Fernfahrer werden möchte, muss das beherrschen. Und wer es bereits ist, muss aufgrund einer EU-Verordnung sein Können alle fünf Jahre auffrischen.

Die Logistik-Unternehmen müssen dafür einen Lastwagen bereithalten und es wird eine Menge Sprit verfahren. Der mobile "Simutruck" soll das jetzt billiger und bequemer machen. In dem Simulator können Brummifahrer ganz sicher und ohne Stau üben, wie sie sich in Gefahrensituationen richtig verhalten. Und bei Bedarf, kommt die rollende LKW-Fahrschule auch zu den Unternehmen, damit die Fahrer vor Ort die Auffrischungskurse machen können. In Europa gibt es zwei solcher Simulatoren.
Ulrich Wibbeke:"Der Simutruck ist ein Auflieger, der auf einer Sattelzugmaschine durch die Lande fahren kann."

Auf den ersten Blick sieht der knallrote, fast 14 Meter lange Simutruck aus, wie ein ganz normaler LKW-Anhänger. Doch der Simulations-Anhänger hat es in sich, erklärt Ulrich Wibbeke, Leiter der Fahrlehrerakademie am BZ Bildungszentrum im niederrheinischen Tönisvorst. Nach dem Parken wird der Anhänger über ein Stromkabel mit Energie versorgt und an einer Seitenwand werden von außen zwei Treppenaufgänge eingeklinkt.

Wibbeke: "Einer zu dem hinteren Teil, wo dieser CBT-Raum mit mehreren Computerarbeitsplätzen ist, einer zum vorderen Arbeitsraum, wo der Dozent an seinem Steuerstand sitzt und in der Mitte ist eine Originalfahrerkabine eines MAN eingebaut."

Wie ein normaler LKW

Die Fahrerkabine beinhaltet also alles, was ein mordernes LKW-Cockpit auch enthält: das reicht vom Anschnallgurt über Blinker, Schaltung und Bremse bis hin zum Zündschloss. Und sie ist so konstruiert, dass sie sich wie eine normale LKW-Kabine bewegt, also zum Beispiel leicht nach vorne neigt, wenn der Fahrer bremst.

Oliver Strohmeier: "Das ist wie ein normaler LKW, wie echt. Alles echt."

Der 42-Jährige macht gerade eine Ausbildung zum EU-Berufskraftfahrer. Bis jetzt hat Oliver Strohmeier noch nie am Steuer eines echten Lastwagens gesessen und es ist auch seine erste Fahrt im Simulationstruck.

Strohmeier: "Wenn man hier schon mal gefahren ist, dann weiß man, wie die Abstände sind, wie man die Kurven fahren muss, dann hat man schon so ein bißchen ein Feeling dafür, wenn man das hier auf so einem Simultaor fährt.Wie sie fahren müssen, sagt ihnen das Navi."

Fahrschüler Oliver Strohmeier sitzt jetzt alleine im Führerhaus des Simutrucks. Durch die Windschutzscheibe und die Seitenfenster sieht er eine virtuelle aber ziemlich realistisch dargestellte Verkehrswelt, mit allem, was dem Fernfahrer das Leben schwer machen kann.

Werner Hover: "Ich kann sie hören, ich kann sie sehen. Wenn irgendetwas ist, melden sie sich."

Trainer greift in virtuellen Verkehr ein

Trainer Werner Hover sitzt während der simulierten Fahrt ein paar Schritte entfernt von der Fahrerkabine an einer Art Regieplatz. Auf acht Monitoren wird hier die virtuelle Fahrt aus allen Blickwinkeln dargestellt. Mithilfe zahlreicher Regler und Knöpfe kann Werner Hover jederzeit in den Straßenverkehr eingreifen und ihn verändern.

Hover: "j"Und können dann sagen, ok, da soll ein Fußgänger über die Straße gehen, da soll ein Fahrradfahrer fahren. Wie im richtigen Leben. Wir fahren jetzt hier, ja, es könnte München sein, eine Innenstadt.""

Um diese Illusion zu steuern ist eine ausgeklügelte Software nötig, die in dem Simutruck in dutzenden Computern arbeitet. Über sie wird nicht nur die Bewegung der Fahrerkabine gesteuert, sondern in ihr stecken auch so ziemlich alle Risikoszenarien, die einen Berufskraftfahrer im realen Straßenverkehr aus der Bahn werfen können. Deshalb verändert Werner Hover wie ein Regisseur mit Hilfe des Computers die Szenerie der virtuellen Fahrt.

Hover: "Herr Strohmeier, rechts. Was ist denn mit dem Blinker?"

Per Knopfdruck kann Werner Hover den Fahrern technische Probleme ebenso bescheren wie jede Menge Gegenverkehr auf engen Straßen. In der Fahrerkabine bei Oliver Strohmeier brummt der Motor während er blitzschnell auf die Situationen reagieren muss, die der Trainer ihm einspielt. Ein Mausklick von Werner Hover reicht, und das Szenario ändert sich.
Auch das Wetter liegt in der Hand des Fahrlehrers.

Strohmeier: "Nebel. Scheiße. Ganz schlechte Sicht. Jetzt fängt es an zu schneien. Jetzt bin ich mal gespannt, was mein Anhänger mit mir macht."

Oliver Strohmeier ist angespannt. Auf seiner Stirn bilden sich kleine Schweißperlen.

Strohmeier: "Jetzt sehe ich gar nix mehr. Jetzt habe ich vor mir einen Fahrradfahrer, den ich nur schemenhaft erkenne."

Schlimmstenfalls kippt ein LKW

Der Fahrschüler hat alles richtig gemacht, hat Tempo und Abstand der schlechten Witterung angepasst. Da die simulierte Fahrt aufgezeichnet wird, können mögliche Fehler und Unsicherheiten anschließend besprochen und erneut geübt werden.

Damit so etwas möglichst nicht passiert, tüftelt das BZ Bildungswerk gerade an einer Erweiterung der Schulungsmöglichkeiten im Simutruck. Im hinteren Teil des Lastwagens können LKW-Fahrer bald mit einem computerunterstützten Trainingsprogramm Alltagssituationen durchspielen, zum Beispiel wie man einen Anhänger am besten mit Schweinehälften belädt, erklärt Ulrich Wibbeke.

Wibbeke: "Er kann jetzt virtuell sich bedienen und fügt jetzt diese hängenden Schweinehälften in diesen LKW hinein. Dann wird dieses Ergebnis eingespielt in den Computer und dann wird er das, was er da gemacht hat auch wirklich fahren mit dem LKW. Entweder hat er es gut gemacht, dann wird er eine sichere Fahrt haben oder er hat es nicht gut gemacht, dann wird er ein Problem bekommen."

Schlimmstenfalls kippt der LKW in einer Kurve um, Menschenleben werden gefährdet und die Ladung geht verloren. In der virtuellen Welt sind solche Schäden lehrreich. Passieren tut nichts. Auch deshalb findet Oliver Strohmeier das Training so gut.

Strohmeier: "Hier im Simulator fahren macht riesig viel Spaß, weil wenn dann Fehler passieren, dann wird einfach konstruktive Kritik geübt, wo kannst du dich verbessern oder was machst du auch gut."

Obendrein vermittle der Simutruck tatsächlich ein Gefühl, als ob man auf einer realen und nicht auf einer virtuellen Straße fährt, sagt er.

Strohmeier: "Sehr praxisnah. Es war alles im Endeffekt wie echt."

Das hat allerdings seinen Preis. Der Simutruck ist eine 1,5 Millionen Euro teure Spezialanfertigung für die Aus- und Fortbildung in der deutsch-niederländischen Grenzregion. Logistik ist hier ein wesentlicher Wirtschaftszweig. Deshalb wird das Projekt unter anderem auch von der EU und dem Wirtschaftsministerium NRW gefördert.

Aber nicht nur Fuhrunternehmen entdecken die mobile LKW-Fahrschule für sich, sondern auch Rettungsdienste und Feuerwehren fahren zunehmend auf den Simutruck ab, freut sich Andreas Böhm, Geschäftsführer des BZ Bildungswerkes in Tönisvorst.

Andreas Böhm: "Wir haben ein Feuerwehrprogramm entwickelt. Denn es ist verboten mit Blaulicht zu fahren, also einen Einsatz zu simulieren und zu schulen unter Blaulichteinsatz, das kann man nur im Simulator machen, daher bietet er sich auch an."