Vilsmaier-Doku "Bayern – sagenhaft"

Zwischen krachledernem Humor und pointierter Poesie

Ein blau-weiße Bayernfahne mit dem Wappen des Freistaats Bayern weht im Wind.
Blau-weiß und mia san mia – Vilsmaier macht sich auf die Suche nach der bayerischen Identität. © dpa
Von Michael Watzke · 24.10.2017
Maibaum, Starkbier oder Wallfahrten: Der Filmemacher Joseph Vilsmaier setzt seiner Heimat mit einer neuen Doku "Bayern – sagenhaft" ein Denkmal. Er nimmt den Zuschauer mit durch ein ganzes bayerisches Jahr und zeigt viele kuriose Bräuche im Freistaat.
Alte Sagen lässt man sich gern vom Großvater erzählen. Joseph Vilsmaier, 79, ist zwar noch kein Nedl – wie Opa auf altbayerisch heißt – aber seine verrauchte Stimme klingt wie ein urbayerischer G’schichten-Onkel, etwa wenn er über mittelalterliche Mönche in der Fastenzeit spricht:
"Und damit sie das durchhalten, haben die Mönche das Starkbier erfunden – für starke Bajuwaren."
"Bayern – sagenhaft", so heißt der neue Film von Joseph Vilsmaier. Er zeigt Drachenkämpfe in der Oberpfalz, Hopfenzupfer in der Hallertau und Ochsenrennen in Oberbayern. Kommentiert von Kabarettistin und Sportkommentatoren-Talent Monika Gruber.
"So, jetzt geht’s zum Finale! Um die große Rindsbratwurst! Die Nummer 13 ist der Bazi, der zieht voran mit einem Sprint, man nennt ihn den Usain Bolt der Ochsenszene. Ja, und die Verlierer erhalten einen ehrenvollen, einen ganz heißen Platz auf dem Oktoberfest – nämlich am Spieß von der Ochsenbraterei."
Der skurrile Dokumentarfilm "Bayern – sagenhaft" oszilliert zwischen krachledernem Humor und pointierter Poesie. Regisseur Joseph Vilsmaier, gebürtiger Münchner, aufgewachsen in Niederbayern, nennt sein Werk einen kuriosen Reigen nach dem Jahreskalender.
"Vom ersten Januar bis zum 31. Dezember was in Bayern so praktisch alles los ist. Ob es das Maibaum-Aufstellen ist, ob im August die Wallfahrt im Steinernen Meer ist, ob im Februar Starkbier ist – so geht es heute hin über die ganzen Jahreszeiten."
Der Regisseur hat den Film auch selbst produziert. Er sitzt in seinem Büro am Münchner Bavariafilmgelände und qualmt Stumpen. Dicke Zigarillos, wie sie im Bayerischen Wald noch heute handgedreht werden. Vilsmaier ist selbst ein sagenhafter Filmemacher. Filmpreisgekrönt für "Herbstmilch", Oscar-nominiert für "Schlafes Bruder". Jetzt, auf seine alten Tage, wird er zum Reality-Märchen-Erzähler. Vier Jahre ist er kreuz und quer durch den Freistaat gereist – von der Landshuter Hochzeit bis zum Wolfsauslassen von Rinchnach, bei dem die Dörfler mit Glocken, Trommeln und ohrenbetäubendem Lärm längst ausgestorbene Wölfe vertreiben.

Mit dem Film keine Partei ergriffen

Der Wolf, diese sagenhafte Märchenfigur, kehrt gerade nach Bayern zurück. Ein paar Rudel leben inzwischen wieder im Bayerischen Wald. Bauern und Naturschützer streiten erbittert über die Gefahr, die vom Isegrimm ausgehen soll. Filmemacher Vilsmaier will, dass es dem Wolf, dem Bär und anderen Sagengestalten nicht an den Kragen geht.
"Ich finde alles, was ausstirbt - ich finde, mit denen muss man leben eigentlich. Wenn man will, Mensch und Tier im Zusammenhang sehen - also ich hätte da nichts dagegen, muss ich ehrlich sagen, weil ich würd mich da nicht fürchten vor dem Wolf. Man muss sich halt entscheiden: Entweder will man die gar nimma, dann muss man sie aussterben lassen, sie erschießen oder was weiß ich – was ja praktiziert wird – oder man lebt irgendwo in einer Eintracht."

Ein Quell sagenhafter Geschichten

Schade, dass Vilsmaier seinen Dokumentarfilm "Bayern – sagenhaft" nicht genutzt hat, um Partei zu ergreifen für den Schutz des sagenhaften Bayerns. Sei es der Wolf. Oder seien es die Dörfer, die aussterben, weil im erfolgreichen Hightech-Industrieland Bayern immer mehr Menschen in die Städte ziehen. Oder seien es die Wälder und Wiesen, die immer öfter Autobahnen und Gewerbegebieten weichen müssen. Nirgendwo in Deutschland ist der Flächenverbrauch höher als in Bayern. Vilsmaier aber sagt, er wisse schon, dass es in Bayern auch Probleme und Konflikte gebe. Aber sein Film solle einfach nur Spaß machen. Das tut er. Vor allem die glänzend aufgelegte Monika Gruber:
"Wissen Sie eigentlich, warum wir Bayern bei der Marine zahlenmäßig immer am meisten vertreten waren? Weil wir nicht schwimmen haben können! Da ist im Notfall keine freiwillig von Bord gegangen. Ob Mythos oder Wahrheit: Auf jeden Fall sagenhaft."
Bayern bietet – weiß Gott – genügend sagenhafte Geschichten. Joseph Vilsmaier hatte am Ende 25 Stunden Material gedreht. Daraus sind 90 unterhaltsame, aber auch ein wenig oberflächliche Minuten geworden. In Bayern läuft der Film ab Donnerstag in 105 Kinos. Und im Rest Deutschlands? In Berlin zum Beispiel?
"Den Film, den zeige ich hundertprozentig in Berlin! Weil ich glaube, dass die Berliner die Bayern ganz gern mögen – i mog die Berliner au' wahnsinnig gern. Aber ich möchte das schon machen."
Bisher hat der Verleih allerdings nicht angebissen.

"Bayern - sagenhaft"
Dokumentation 2017, 91 Minuten
Regie: Joseph Vilsmaier
Mit: Monika Gruber

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