Vilde Frang beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin

Ein Seelen-Drama

Vilde Frang steht mit einer Bluse voller Blumen nachdenklich an eine Ziegelmauer gelehnt, während sie ihre Geige umschließt.
Vilde Frang zum ersten Violinkonzert von Dmitrij Schostakowitsch: „Du bist Teil des Dramas, du bist inmitten des Geschehens. Du lebst das Konzert mehr, als dass Du es spielst. Du musst da durch! Du wirst gedemütigt und erniedrigt, dann erhebst Du Dich aus der Asche." © Marco Borggreve
Moderation: Volker Michael · 07.11.2023
Die norwegische Geigerin Vilde Frang war Gast beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und spielte das 1. Violinkonzert von Dmitrij Schostakowitsch, ein dunkles Seelendrama von 1948. Darauf trifft Johannes Brahms frohe 2. Sinfonie und Fanny Hensels C-Dur-Ouvertüre.
Den Abend dirigiert Maxim Emelyanychev, ein überaus engagierter Experte für Barock und Klassik, der aber auch Romantik und 20. Jahrhundert kann.

Fund des Dirigenten

Fanny Hensel, die große Schwester Felix Mendelssohn Bartholdys, bewegte sich mit ihrer Musik stilistisch zwischen der klassischen und romantischen Epoche. Maxim Emelyanychev hat ihre C-Dur-Ouvertüre vor kurzem entdeckt.
„Die Form der Ouvertüre ist klassisch, wie es damals Standard war. Eine langsame Eröffnung, darauf folgt ein Allegro in Sonatenform. Alle klassischen Komponisten haben so geschrieben. Das Stück gefällt mir sehr. Ich kannte es bisher nicht, einmal habe ich es vor kurzem dirigiert. Fanny Hensel hat auch so wunderbare Kammermusik geschrieben.“

Doch für die Öffentlichkeit

Fanny Hensel komponierte die C-Dur Ouvertüre 1832 für ihre private Berliner Konzertreihe. Zwei Jahre darauf konnte sie sie öffentlich gespielt hören. Eine Seltenheit.
Das DSO Berlin spielt in Hensels Ouvertüre auf Naturhörnern und Naturtrompeten historischer Bauart.

Dunkle Wolken

Das 1. Violinkonzert von Dmitrij Schostakowitsch hat eine beeindruckend klare Botschaft, meint Vilde Frang. Deshalb nähert sie sich dieser Musik aus dem Jahr 1948, wie sie sich auch die Musik Johann Sebastian Bachs aneignet. Sie bleibe minimalistisch in der persönlichen Ausschmückung und versage es sich, allzu genussvoll in das Werk hineinzugehen.
Als sie vor Jahren das erste Violinkonzert Schostakowitschs einstudierte, hat sie Vilde Frang intensiv die Autobiografie der Sängerin Galina Wischnjewskaja gelesen. Aus den präzisen Schilderungen der Lebensumstände zu Zeiten der Sowjetunion konnte sie viel lernen. Das habe ihr auch geholfen, die Werke Schostakowitschs zu verstehen.

Romantik aus dem Blick der Klassik heraus

Zur zweiten Sinfonie von Johannes Brahms hat Maxim Emelyanychev einen besonderen Zugang. Die fußt in seinen Erfahrungen als Spezialist für barocke und klassische Musik.
„Ich kann diese Musik viel besser verstehen, wenn ich mich ihr aus den Epochen davor annähere. Wenn man sich mit Mozarts Stil gut auskennt und mit dem von Mendelssohn Bartholdy, dann erkennt man auch leichter, was Brahms an Neuerungen gebracht hat. Ich kann die Erkenntnisse darüber, wie es zur jeweiligen Zeit aufgeführt wurde, mit meinen eigenen aktuellen Ideen verbinden, was ich einem modernen Publikum damit sagen will. Ich finde diese Balance spannend zwischen dem musealen Aspekt der Musik und meiner persönlichen Aussage.“
Aufzeichnung vom 05.11.2023 aus der Philharmonie Berlin

Fanny Hensel
Ouvertüre C-Dur

Dmitrij Schostakowitsch
Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 a-Moll op. 99

Johannes Brahms
Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73

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