Vier Projekte für Morgen

Moderation: Dieter Kassel |
Mit der Auszeichnung anwendbarer Produkte wolle der Deutsche Zukunftspreis die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Forschung belegen, meint der Wissenschaftsjournalist Helmut Nordwig. Eins der vier um den Preis konkurrierenden wissenschaftlichen Projekte, eine neue Form der Leuchtdiode, könnte in Zukunft die Glühbirne ersetzen.
Dieter Kassel: Heute Abend verleiht Bundespräsident Horst Köhler in Berlin den Deutschen Zukunftspreis. Zum elften Mal wird dieser mit 250.000 Euro dotierte Preis verliehen, und zwar für hervorragende Leistungen in Forschung und Entwicklung im Bereich Technik und Innovation, so heißt es offiziell. Man ist beim Deutschen Zukunftspreis im Moment besonders stolz auf den Preisträger des Jahres 1998. Damals war das nämlich Peter Grünberg, der Mann, der in diesem Jahr den Physik-Nobelpreis bekommen hat. Wer diesmal nominiert ist, und was für eine Bedeutung dieser Preis inzwischen hat, darüber reden wir jetzt mit dem Wissenschaftsjournalisten Helmut Nordwig. Guten Tag, Herr Nordwig!

Helmut Nordwig: Guten Tag, Herr Kassel!

Kassel: Wie wichtig ist der Preis inzwischen?

Nordwig: Zweifellos sehr wichtig. Der Bundespräsident will damit dokumentieren, dass deutsche Forschung wettbewerbsfähig ist, dass sie wirklich patentfähige, anwendbare Produkte hervorbringt. Und das sieht man auch ganz klar an den Auszeichnungen der vergangenen Jahre. Da haben wir zum Beispiel heute Plasma-Bildschirme, die Sie jetzt in jedem Elektromarkt kaufen können, MP3-Player benutzt jedes Kind. Aber es gibt auch Anwendungen für die Industrie, zum Beispiel die Chemieindustrie, die heutzutage immer öfter Enzyme einsetzt anstatt aggressive Reaktionsmethoden. Und auch das wurde vor einigen Jahren vom Bundespräsidenten gewürdigt.

Kassel: Dann gucken wir uns doch mal an, welche vier wissenschaftlichen Projekte, nenne ich das mal, diesmal nominiert sind. Es ist ja zum Teil nicht einfach, das zu erklären, aber wir werden es versuchen. Fangen wir an mit etwas, das nennt der Deutsche Zukunftspreis in seiner Vorschau auf heute Abend "Licht aus Kristallen".Was verbirgt sich dahinter?

Nordwig: Dahinter verbergen sich Leuchtdioden, so etwas kennen wir ja auch schon aus dem Alltag. Ich habe mir so was zum Beispiel vor Kurzem für mein Fahrrad zugelegt, ist wirklich eine wunderbare Sache, sehr lichtstark, und sehr effiziente Leuchten sind das, brauchen kaum noch Batterien, ganz im Gegensatz zu den früheren Glühbirnen. Und ein Team von der Universität Jena und der Firma Osram haben nun diese Leuchtdioden noch mal ganz, ganz entscheidend weiterentwickelt. Es geht nämlich darum, dass sie es geschafft haben, die von dem sogenannten Substrat, das ist ein Trägermaterial, abzulösen und auf eine dünne Folie zu packen. Das hört sich jetzt erst mal banal an, schafft aber nicht nur Designfreiheit, man kann nämlich solche Leuchtdioden dann auch biegen und ganz, ganz dicht packen. Es schafft aber auch vor allem mehr Lichteffizienz, noch mehr Lichteffizienz sollte man sagen, denn diese Metallfolie, auf denen sie diese Kristalle gepackt haben, die wirkt wie ein Spiegel und strahlt das Licht nur noch in einer Richtung ab, und damit werden nun ganz neue Beleuchtungsanwendungen denkbar, also nicht mehr nur Fahrradbeleuchtung, die Rückscheinwerfer vom Auto, sondern beispielsweise auch großflächige Reklametafeln, beispielsweise auch Raumbeleuchtungen, da wird ganz intensiv daran geforscht. Soweit ist es noch nicht ganz, da gibt es noch keine guten Lösungen. Aber die nun zur Debatte stehende Erfindung, die vielleicht heute Abend den Preis bekommt, die führt da schon einen ganz, ganz entscheidenden Schritt weiter.

Kassel: Das heißt, das könnte irgendwann mal in der Fortführung wirklich der Ersatz für die Glühbirne sein?

Nordwig: Das hoffen die Forscher. Die Glühbirne ist ja eigentlich, wenn man sich das mal anschaut, ein unglaublich ineffizientes Beleuchtungssystem. Jeder, der sich davorstellt, braucht nun keinen Mantel mehr. Der größte Teil der Energie wird in Wärme abgegeben. Und das hat man ja nun schon auch mit den Leuchtstoffröhren versucht zu vermeiden. Die haben aber andere Nachteile. Sie sind gar nicht so furchtbar lichtstark für das, was an Energie reingegeben wird. Das könnte sich mit diesen LEDs, mit diesen Leuchtdioden doch gewaltig ändern. Sie sind vor allem jetzt auch in der Lage, weißes Licht zu liefern. Das gab es bis vor paar Jahren noch gar nicht. Und die Visionen sind da eigentlich noch gar nicht so richtig entworfen, was daraus alles werden könnte.
Kassel: Sie haben es gesagt, das ist ja auch ein Licht, das sehr wenig Energie braucht. Es gibt immer noch Anwendungen, die brauchen mehr Energie. Und das bringt uns, glaube ich, jetzt zu dem zweiten Projekt, das nominiert ist für den Deutschen Zukunftspreis. "Nanoschicht mit Megaleistung" heißt da die Überschrift. Das heißt, das ist so eine Art neuer Akku, neue Batterie?

Nordwig: Ganz genau. Da geht es um diese Lithium-Ionen-Akkus. Wem das nichts sagt, der möge doch zum Beispiel mal in sein Notebook schauen, da sind die typischerweise drin. Das sind so kleine Kästchen, die man auflädt am elektrischen Stromnetz und die dann für ein paar Stunden wieder Energie abgeben. Aber halt nur für ein paar Stunden, und das ist der große Haken, deshalb kann man Notebooks noch nicht so gut benutzen, wie man es eigentlich möchte. Und schon gar nicht kann man zum Beispiel Elektrofahrzeuge bauen, die länger fahren als ein paar Hundert Kilometer. Man kann auch noch nicht Energie zwischenspeichern, die zum Beispiel als Windenergie dann anfällt, wenn das Wetter windig ist und dann abgibt, wenn man sie vielleicht bräuchte. Das sind alles so Systeme, die verlangen nach besseren Energiespeichern, Speichern elektrischer Energie. Und wie das System funktioniert, dazu muss man sich vorstellen, dass so ein Akkumulator, so eine Batterie eigentlich aus zwei Kammern besteht, die durch eine Membran getrennt sind. Im einen Fall beim Aufladen schiebe ich sozusagen den Strom in die eine Kammer und beim Entladen geht er wieder zurück durch diese Membran. Und diese Membran ist üblicherweise heute ein Kunststoff. Und was diese Forscher von der Firma Evonik und der Uni Duisburg nun gemacht haben, ist, dass sie eine Keramikfolie entwickelt haben. Die Keramik kennen wir ja auch aus dem Bad. Da ist das was ganz Starres. Aber das ist nun wirklich eine biegsame Keramikfolie, die nicht nur die gleichen Funktionen erfüllen kann wie in den Akkumulatoren heute, sondern sogar noch viel besser ist. Sie ist viel, viel stabiler, viel haltbarer, lässt eben mehr Strom durch. Das heißt, der Akkumulator lädt sich viel stärker auf und kann dann eben auch viel kontrollierter die Energie abgeben. Und, was noch ein angenehmer Nebeneffekt ist, heutige Akkus, die können ja gelegentlich mal explodieren, das hat es leider alles schon gegeben, eben wegen dieser Plastikfolie, die sich da entzünden kann, und das entfällt natürlich auch mit der Keramikfolie.

Kassel: Das ist natürlich auch ein Akku, der dann u. a., Sie haben es erwähnt, im Laptop- und Computerbereich eingesetzt werden wird. Bleiben wir dabei, das ist das dritte nominierte Projekt. Da geht es um nichts weniger, so verspricht es zumindest die Überschrift zu diesem Projekt, als die "Computerchips der Zukunft".

Nordwig: Ja, das könnte sein, dass das so kommt. Jedenfalls ist es so, dass dieses Verfahren, ganz kurz gesagt, erlaubt, noch viel, viel dichter die Bauteile auf einen Chip zu packen. Dazu muss man wissen, wie ein Chip heutzutage eigentlich hergestellt wird. Man hat da sehr feine Strukturen drauf, Leiterbahnen und jede Menge Bauelemente, Transistoren zum Beispiel. Und das wird zunächst mal entworfen als Design, wird dann auf eine Art Dia gebracht und auf das Substrat, das ist in dem Fall so ein Silizium-Waver, also ein Silizium-Material, wird das draufprojiziert mit einem Fotolack, und wenn man den später entwickelt, etwas vereinfacht gesagt, dann gibt es genau das Bild, was man haben wollte, genau die Schaltung hat man auf die Weise mit Licht erzeugt. Ja, und nun, wenn man immer kleiner, immer kleiner werden will auf so einem Chip, dann hat das Ganze seine Grenzen. Und die liegen einfach in der Natur der Physik. Die sagt, wenn die Wellenlänge zum Beispiel wie heute 193 Nanometer ist, das ist ultraviolettes Licht, dann können wir höchstens Leiterbahnen von 45 Nanometern Breite erzeugen. Das ist natürlich schon sehr gut, das ist ungefähr ein Tausendstel eines menschlichen Haares. Aber die Entwickler wollen natürlich noch viel weiter gehen, denn die Industrie verlangt einfach nach immer besseren, immer schnelleren, immer kleineren Chips, und da ist es gar nicht möglich, mit dem herkömmlichen Verfahren weiterzukommen. Und nun müsste man eigentlich ein Licht einer kürzeren Wellenlänge verwenden, damit man eben noch feinere Strukturen projizieren kann. Das Problem dabei ist, dass ein Licht kürzerer Wellenlänge, das extreme ultraviolette Licht, ganz andere Eigenschaften hat als das normale ultraviolette Licht. Es dringt nämlich gar nicht durch Material durch, das ist so eine Art Röntgenstrahlung, die dann den Gegenstand eher abbildet als durchdringt. Das heißt, man hat also ein Problem damit, zum Beispiel jetzt Linsen zu verwenden wie bisher, denn da geht diese Strahlung gar nicht durch. Man kann auch noch nicht mal in einem normalen Gas arbeiten, denn selbst da bleibt diese Strahlung stecken. Und den Forschern von Carl Zeiss, die hier nun nominiert sind, die haben es geschafft, dass sie jetzt einen extrem ultraviolettes Licht, also diese Art Röntgenstrahlung, über sehr, sehr präzise gefertigte Spiegel leiten und das Ganze noch im Vakuum, sodass das wirklich die Bahn eröffnet für wesentlich feinere Chips, die zum Beispiel, so zeigen die ersten Versuche, 13 Nanometer fein sein könnten. Na ja, weiter wird man mit Licht wohl wirklich nicht mehr kommen.

Kassel: Das ist kaum noch vorstellbar, also durch 13 Nanometer, da wollen wir jetzt nicht weiter darüber nachdenken, da schwirrt mir der Kopf. Und wir sind ja noch nicht mal fertig. Es gibt noch ein nominiertes Projekt, wo ich so das Gefühl hatte, das ist ein bisschen was anderes als die drei ersten. Das ist eher im weitesten Sinne dem Bereich Medizin und Biologie zuzuordnen,
"Kleine Löcher große Wirkung" haben das die Juroren genannt. Wo geht es darum?

Nordwig: Ja, richtig. Das stammt aus dem Bereich der Pharmaforschung, könnte man sagen. Da geht es ja um die Entwicklung neuer Medikamente, und es dauert Jahre, bis so ein Medikament entwickelt ist. Und da will man natürlich im Vorfeld gleich schon mal abtesten, welche Wirkstoffe denn eigentlich eine Chance haben könnten. Und da gibt es in der Pharmaindustrie sehr gängige Verfahren, die ganz schnell Tests durchführen mit bestimmten Substanzen, wie wirken die, und könnte das ein Medikament sein oder nicht. Wenn man nun aber an ganzen Zellen testen will, dann ist das Ganze gar nicht so einfach. Denn man sieht ja einer Zelle auf den ersten Blick gar nicht an, wie sie reagiert. Und insbesondere gilt es für solche Zellen, wo es darum geht, dass man nun den Stromfluss über die Membran misst, das möchte man nämlich sehr gern mit Medikamenten beeinflussen. Der Stromfluss über die Membran ist zum Beispiel sehr wichtig für den Herzschlag, für Schmerzphänomene, für die Nervenleitung insgesamt, all das funktioniert mit elektrischem Strom in unserem Körper. Und nun hat die Firma Nanion aus München und die Universität Freiburg, die haben ein Verfahren entwickelt, mit dem man automatisiert nun den Stromfluss über Zellmembranen testen kann. Das konnte man früher von Hand machen, dafür hat es sogar auch schon mal den Nobelpreis für Medizin gegeben, 1991. Aber nun geht es automatisch, die Zelle wird angesaugt in Vakuum, und dann wird der Stromfluss gemessen. Das Ganze ist ein Quadratzentimeter groß, kann man Tausende Male am Tag machen, und das eröffnet wirklich die Chance, viel, viel schneller solche Medikamente zu finden.

Kassel: Welches dieser vier nominierten, wissenschaftlichen Projekte wirklich ausgezeichnet wird, wird erst heute Abend kurz vor Beginn der Veranstaltung bekannt gegeben. Insofern ist es nur Spekulation, muss auch mal sein. Herr Nordwig, was glauben Sie denn, wer der vier wird den Preis bekommen?

Nordwig: Das ist nun wirklich schwer zu sagen. Ich könnte mir vorstellen, dass nun angesichts der Diskussion, wir haben gerade im Moment auf Bali die Klimakonferenz, wir haben das Kyoto-Protokoll, das ausläuft, Energie sparen ist wirklich das Thema Nummer eins im Moment, ich könnte mir vorstellen, dass die Lithium-Ionen-Akkus oder auch die Leuchtdioden, die tragen beide sehr stark zum Energiesparen bei, dass eins von den beiden Projekten das Rennen macht.

Kassel: Da haben Sie jetzt eine Fifty-Fifty-Chance. Ich lege mich fest, ich sage, die Kristalle werden es. Ich danke Ihnen! Helmut Nordwig war das über den Deutschen Zukunftspreis. Die vier Nominierten haben Sie gehört, wer ihn bekommt, das können Sie erleben heute Abend ab 19.000 Uhr verleiht Bundespräsident Horst Köhler den Preis, und eine Zusammenfassung ist ab 22.15 Uhr dann im ZDF zu sehen.