Nicola Schubert ist Schauspielerin und freie Autorin. Sie begann bei den "Ruhr Nachrichten" und Radio 91,2 in Dortmund und mit einem Theater- und Medienwissenschaftsstudium. Zurzeit ist sie, nach Schauspieldiplom in Frankfurt am Main und Erstengagement in Ostwestfalen, am Theater Ulm engagiert.
Kinderlos zu sein, ist nicht egoistisch
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Kinderlose Frauen haben es schwer: Entweder gelten sie als bemitleidenswert oder sie sind Egoistinnen, zumindest stimme etwas nicht mit ihnen. Eine antiquierte und eindimensionale Vorstellung, findet die Journalistin Nicola Schubert.
Kinderlose haben keinen einfachen Stand. Sie sollen mehr in die Pflegeversicherung einzahlen, weil sie keinen Nachwuchs für die Sozialsysteme schaffen. Das ist auch ok. Was die aktuelle Organisation der Solidargemeinschaft betrifft, braucht die Gesellschaft jungen Zuwachs oder finanziellen Ausgleich. Doch: Ist Kinderkriegen nur gut für Welt?
Natürlich nicht. Zum Beispiel ökologisch gesehen. Was noch mal etwas anderes ist, als ein Sozialversicherungssystem zu betrachten. Während es hier künftig eher wenige junge Menschen geben wird, wenn die Babyboomer in Rente gehen, gibt es auf der Welt viele. Und die allermeisten hinterlassen einen CO2-Fußabdruck. Besonders in Europa, das seine Grenzen dichtmacht für junge Menschen, die nur zu gern in Sozialversicherungssysteme einzahlen würden, wenn sie denn dürften und könnten, ist der nicht klein. So oder so gehört es in einem "normalen" Leben einfach dazu, eigene Kinder zu bekommen. Wenn nicht, wird das oft beäugt.
Kinderlose Frauen sind "Overachiever"
Kinderlose Frauen haben es schwer: Entweder gelten sie als bemitleidenswert oder egoistisch, zumindest stimmt etwas nicht mit ihnen. Können sie vielleicht keine Kinder bekommen? Sind sie defekt? Fruchtbarkeit ist gerade bei Frauen immer noch ein wichtiger Maßstab, wenn es – provokant gesprochen – um ihre Bestimmung in der Welt geht, nämlich: gebären. Oder wollen sie keine Kinder? Das werden sie sicher eines Tages bereuen. Wenn sie dann auch noch nicht verpartnert sind, werden sie erst recht zu bedauernswerten Geschöpfen.
Dabei sind sie ökologisch gesehen eigentlich Overachiever, sogar mehr als kinderlose Männer. Wie eine schwedische Studie zeigt, verursachen Männer 16 Prozent mehr klimaschädliche Emissionen. Frauen, die keine Kinder bekommen, ersparen der Welt, zumindest in Deutschland, je nach Statistik einen CO2-Ausstoß von etwa neun Tonnen pro Jahr. So viel nämlich verantwortet eine in Deutschland geborene Person durchschnittlich. Tun uns also kinderlose Frauen nicht einen Gefallen? Sind sie nicht eher das Gegenteil von egoistisch?
Kinderkriegen ist nichts rein Altruistisches
Prinz Harry und Herzogin Meghan haben vor Kurzem einen Preis dafür bekommen, nur zwei Kinder zu wollen, um der Umwelt einen Gefallen zu tun. Nach einem Interview, in dem Prinz Harry dies der Verhaltensforscherin Jane Goodall in 2019 erzählt hatte, bekam das Paar im Juli nach der Geburt ihres zweiten und letzten Kindes die Auszeichnung der Organisation "Population Matters" für ihre bescheidene Familienplanung. Wenige oder gar keine Kinder, um nebenbei auch noch den Planeten zu retten? Ist das egoistisch?
Was wir jedenfalls bei aller ernst gemeinter Kinder- und Elternliebe nicht vergessen dürfen: Kinderkriegen ist zumindest nichts rein Altruistisches. Während Kinderlosen unterstellt wird, die eigene Bedürfnisbefriedigung sei der zentrale Motor ihres Lebens, gelten Eltern viel eher als aufopferungsvoll. Dabei leisten auch Kinderlose Sorgearbeit, auch wenn sie vielleicht weniger sichtbar ist: bei ihren eigenen Eltern, als Freundinnen, Partner oder Tanten.
Welche Bedürfnisse hat ein Mensch?
Natürlich ist es eine große Leistung, Kinder aufzuziehen, die unbedingt besser anerkannt und unterstützt werden muss. Und natürlich braucht eine Gesellschaft Kinder. Trotzdem geschieht die Entscheidung, ob Menschen sich fortpflanzen wollen, ja genauso aus der eigenen Bedürfnisbefriedigung heraus. Dabei ist das Bedürfnis, zum Beispiel nach Gemeinschaft, ein zutiefst menschliches und legitimes. Dass es aber auch Wahl- und nicht nur Blutsverwandtschaften geben kann, Adoption, alle möglichen Modelle von Gemeinschaftsbildung und Solidargemeinschaften, ist in der Breite der Gesellschaft nicht angekommen.
Es müssen nicht immer eigene Kinder sein, wenn es schon so viele Menschen auf der Welt gibt. Oder es müssen nicht immer zwei, drei oder vier eigene Kinder sein. Wer Kinderkriegen auch mal kritisch betrachtet, erntet bei diesem hochemotionalen Thema schnell einen Shitstorm. Dabei ist es vor allem ein Plädoyer dafür, verschiedene Lebensmodelle, Sorgearbeit, Klimaschutz und andere gesellschaftliche Beiträge auch außerhalb von Blutsfamilien anzuerkennen und die Komplexität und verschiedenen Folgen des Kinderkriegens anzuerkennen.