„Viele Diebe werden härter bestraft“

Sven Giegold im Gespräch mit Birgit Kolkmann |
Der Finanzexperte von Bündnis 90/Die Grünen, Sven Giegold, hat das Urteil gegen den ehemaligen Postchef Klaus Zumwinkel kritisiert. Zumwinkel sei gut weggekommen. Giegold forderte wirksame Maßnahmen gegen Steuerflucht und Steueroasen. Der Union warf er vor, einen entsprechenden Gesetzentwurf von Finanzminister Peer Steinbrück zu blockieren.
Birgit Kolkmann: Klaus Zumwinkel muss nicht ins Gefängnis.
Der Ex-Postchef wurde gestern zu zwei Jahren Bewährung und Zahlung von einer Million Euro verurteilt. Strafmildernd waren sein Geständnis, seine gezeigte Reue und die Anerkennung seines beruflichen Lebenswerkes. Außerdem die erschwerenden Umstände seiner Verhaftung, die in den Medien als öffentliche Hinrichtung inszeniert worden seien. Aber es gab auch harte Worte des Richters: Zumwinkel habe über die Steueroase Liechtenstein bewusst akribisch und mit krimineller Energie Steuern von fast einer Million Euro hinterzogen. Die Quittung dafür hat er nun in einem der spektakulärsten Steuerverfahren bekommen. Aber ist der Sumpf der Steueroasen damit ausgetrocknet? Der Globalisierungskritiker und Attac-Mitbegründer Sven Giegold ist frisch gekürter Spitzenkandidat der Grünen für die Europawahlen und Finanzexperte seiner Partei. Guten Morgen in der Ortszeit!

Sven Giegold: Guten Morgen!

Kolkmann: Herr Giegold, ist Zumwinkel gut weggekommen mit dem Urteil?

Giegold: Ich finde, er ist sehr gut weggekommen. Viele Diebe werden härter bestraft. Sicher, sein Ruf in der Öffentlichkeit ist zerstört, zu Recht, aber dass man für Steuerhinterziehung in Millionenhöhe keine Gefängnisstrafe bekommt, ist schon ein Schlag ins Gesicht vieler ehrlicher Steuerzahler.

Kolkmann: Was bedeutet das denn für das ganze System über die Steueroasen? Ist Steuerflucht nach wie vor recht gut und einfach möglich?

Giegold: Steuerflucht ist nach wie vor recht einfach möglich. Sehen Sie, es gibt 50 Steueroasen, Sie können sich im Grunde aussuchen, wohin Sie gehen. Die Chance, dass die Behörden finden, wo Sie das Geld haben, wenn Sie es einigermaßen schlau angelegt haben, ist gering, und gleichzeitig haben Sie so viele Möglichkeiten, da auszuwählen. Die Chance ist weiter da.

Kolkmann: Wer bremst am meisten beim konsequenten Vorgehen gegen dieses Unwesen?

Giegold: Im Moment in Deutschland ganz klar die CDU und auch konkret Herr Schäuble. Herr Steinbrück hat einen Vorschlag vorgelegt, wie Deutschland jetzt endlich gegen diese Steueroasen vorgeht. Das war überfällig. Und in diesem Vorschlag werden Sanktionen vorgeschlagen, die Deutschland gegen, sag ich mal, die härtesten Steueroasen zumindest macht. Und Herr Schäuble hat gleich in der Schweiz erklärt, dass er da nicht mitmacht, das ist politische Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

Kolkmann: Welche Sanktionen sind denn möglich und sinnvoll?

Giegold: Also zum Beispiel kann man dafür sorgen, dass Betriebsausgaben, die in Steueroasenländern getätigt werden, hier nicht mehr von der Steuer abgezogen werden können. Sie können Kapitaltransfers in diese Länder meldepflichtig machen. Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Auch Präsident Obama hat in den USA vorgeschlagen, härter vorzugehen. Die USA tun das zum Beispiel gegenüber der Schweiz auch längst. Deutschland hat bis dato darauf verzichtet.

Kolkmann: Nun hat ja der Finanzminister auch gesagt, eigentlich müsste man auch gegen die Schweiz die Peitsche schwingen, werden da ganz scharfe Messer gewetzt?

Giegold: Also der Gesetzentwurf aus dem Hause von Herrn Steinbrück, der ist scharf, und man muss die Schweiz natürlich ins Zentrum nehmen, weil sie die größte und wichtigste Steueroase ist und nicht mal ihrem Nachbarn gegenüber hilft, wenn wir etwa Steuerstrafverfahren haben, Informationen herauszugeben. Und deshalb muss man dagegen vorgehen. Man kann nicht ein globales Finanzsystem konstruieren und dann nicht mal bei kriminellen Handlungen sich gegenseitig unterstützen.

Kolkmann: Warum, glauben Sie, sind die Widerstände in der CDU so groß gegen diese Pläne von Minister Steinbrück?

Giegold: Das hatten wir ja auch schon in mehrfachen Bundestagsdebatten. Viele in der CDU sehen sich eher als Gehilfen von Steuerflucht und Steuerkonkurrenz, weil sie halt wissen, dass die Steueroasen das wichtigste Instrument sind, um politisch Druck zu machen, dass die Spitzensteuersätze weiter sinken und dass die Steuersätze auf Konzerngewinne sinken. Und das sind die Freunde der Parteien – das gilt übrigens auch für die FDP –, die uns letztlich in diese Finanzkrise und auch in das Steueroasenunwesen mit ihren neoliberalen Ideen hineingebracht haben.

Kolkmann: Haben wir nun den seltenen Fall, dass Sie als Neugründer ganz einer Meinung sind mit einem Regierungsvertreter, in diesem Fall dem SPD-Finanzminister?

Giegold: Ach, sehen Sie, ich hatte schon als Attac-Mitexperte Gespräche mit Herrn Steinbrück, und er war nach dem Liechtenstein-Skandal endlich aufgewacht. Nachdem die vorigen Finanzminister nichts praktisch gegen die Steueroasen unternommen haben, hat er das deutlich angekündigt. Und jetzt nach Monaten hat er auch einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Das muss man erst mal loben. Aber jetzt kommt es drauf an, dass das auch durchgesetzt wird und dass der Konflikt mit der Union von der SPD auch wirklich aufgenommen wird.

Kolkmann: Hat denn dieses Geschäftsgebaren der Steueroasenländer die Finanzkrise mit bewirkt?

Giegold: Das ist ganz deutlich so, weil eben alle Banken, die jetzt Probleme hatten, die großen zumindest, hatten ihre Risiken ausgelagert in spezielle Zweckgesellschaften in den Steueroasen. Die Steueroasen haben also überall, auch bei den anderen großen Finanzskandalen der letzten Jahre, eine wichtige Rolle gespielt. Aber es ist auch ein Versäumnis der hiesigen Aufsichtsbehörden, also in der Verantwortung von Herrn Steinbrück wiederum, dass man den deutschen Banken das erlaubt hat. Etwa die spanische Bankenaufsicht hat das nicht erlaubt.

Kolkmann: Gehört also ein Unterbinden der Steuerflucht über diese Mittel mit zu den Maßnahmen gegen neue Finanzkrisen oder dass die bestehende sich noch verschlimmert?

Giegold: Absolut. Also das ist endlich angesagt, und da ist wiederum das Finanzministerium bisher nicht konsequent. Die Banken, die jetzt gerettet wurden, zum Beispiel die Commerzbank, haben diverse Tochterfirmen in Steueroasen. Trotzdem, obwohl sie Milliardenhilfen jetzt bekommen haben, werden diese Tochterfirmen weiter betrieben. Das ist jetzt praktisch die Commerzbank, eine teilverstaatlichte Bank, das ist so etwas wie ein Dieb im Staatsbesitz.

Kolkmann: Vielen Dank, Sven Giegold, der frisch gekürte Spitzenkandidat der Grünen für die Europawahlen und Finanzexperte seiner Partei.