Viel Rauch um nichts? Was bringt ein Rauchverbot?

Die Zahlen sind ernüchternd: Über 110.000 Todesfälle in Deutschland gehen jedes Jahr auf das Konto des Rauchens, so der aktuelle Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung. Hinzukommen ca. 3000 Passivraucher. Lungenkrebs ist demnach bei Männern die häufigste Krebstodesursache, bei den Frauen immerhin schon auf Platz drei. Die Verbindung zum Rauchen ist dabei offensichtlich: 90 Prozent der Lungenkrebserkrankten haben auch geraucht. Jede Zigarette mit ihren mehr als 4000 Zusatzstoffen verkürzt das Leben um sechs bis elf Minuten.
Die Prognose: Von den derzeit etwa 20 Millionen Rauchern in Deutschland wird jeder zweite langjährige Raucher vorzeitig sterben, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Alarmierende Zahlen, nur die Politik reagiert überraschend schleppend: Während viele europäische Länder bereits ein Rauchverbot gesetzlich verankert haben, hat Deutschland nach wie vor den geringsten Nichtraucherschutz. Die Deutschen und die Luxemburger sind zudem die einzigen EU-Länder ohne Tabakwerbeverbot. Die EU-Kommission droht Deutschland deshalb mit rechtlichen Schritten.

Über die Gründe der politischen Zurückhaltung streiten sich die Experten. Immer mehr kritisieren die enge Verflechtung der Politik mit der Tabakindustrie. Zu diesem Schluss kommt auch eine Studie der University of California, die das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Auftrag gegeben hat. Sie kommt zu dem Ergebnis, "dass es die Tabakindustrie erfolgreich verstanden hat, die Umsetzung der Erkenntnisse über die Schädlichkeit des Passivrauchens in wirksame Gesundheitspolitik zu verhindern." So soll die Zigarettenindustrie deutlichen Einfluss auf Forscher, Ärzte und auch die Politik nehmen, unter anderem durch Parteispenden.

Dr. Martina Pötschke-Langer, Krebsforscherin am DKFZ gehört zu den vehementen Kritikerinnen der laschen Gesundheitspolitik. Die Leiterin der WHO-Tabakkontrolle fordert seit langem ein absolutes Rauchverbot. Sie kritisiert aber auch, dass der Tabakmarkt sich immer mehr zu einem Markt für Kinder und Jugendliche entwickelt: Zusatzstoffe wie Menthol, Vanille oder Schokolade erleichterten den Einstieg. "Kinder könnten Zigarettenrauch gar nicht inhalieren, wenn die Zusatzstoffe nicht vorhanden wären." Andere Stoffe wie Ammoniak und Soda förderten zudem die Sucht, weiß die Medizinerin, die auch an der Entwicklung von Anti-Rauch-Kampagnen und der Krebsprävention beteiligt ist.

Zudem bietet das DKFZ ein Rauchertelefon mit Tipps für den Ausstieg.
Als Beispiel im Nichtraucherschutz führt Martina Pötschke-Langer Kalifornien an: "Sie haben rauchfreie Schulen geschaffen, Ausbildungsstätten, Sporteinrichtungen, Gastronomie und so die soziale Akzeptanz des Rauchens herabgesetzt."
Dort kämen Kinder auch schwerer an Zigaretten heran als hierzulande. Nirgendwo auf der Welt gäbe es so viele Zigarettenautomaten wie in Deutschland.

Was also ist zu tun?
Wie können Nichtraucher effektiv geschützt werden?
Warum setzt Deutschland das Rauchverbot nicht gesetzlich durch?
Wie können es Raucher es schaffen, mit dem Qualmen aufzuhören?
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

"Viel Rauch um nichts? Was bringt ein Rauchverbot?" Anlässlich des Weltnichtrauchertages am 31.05.2006 diskutiert Dieter Kassel heute mit der Medizinerin Dr. Martina Pötschke-Langer.
Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800/22542254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen über die WHO-Tabakkontrolle und das Rauchertelefon des DKFZ im Internet unter
www.tabakkontrolle.de