Viel mehr als nur Posaune

Von Ingo Kottkamp |
Mike Svoboda kann man aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen kennen: Manche haben ihn auf den letzten Alben von Frank Zappa und dem renommierten Ensemble Modern gehört. Andere kennen ihn aus dem Opernzyklus "Woche aus Licht" von Karl-Heinz Stockhausen. Wieder andere haben seine musikalischen Kunststücke auf den Instrumenten Posaune, Alphorn, Tuba, Muschel, Abflussrohr und Gartenschlauch erlebt.
Eine U-Bahn-Station in New York. Alles ist so, wie man es kennt: die hektischen Fahrgastströme, das schrille Geräusch der abfahrenden Bahnen. Nur der Mann mit dem Alphorn passt nicht ins Bild. Wie ein Freak aus dem Großstadtdschungel sieht er nicht aus. Auch nicht wie ein verirrter Botschafter des alpenländischen Brauchtums. Wer ist er also, dieser Mike Svoboda?

Geboren wurde er 1960 auf der Südseeinsel Guam – das klingt nach Kindheit in einem Aussteigerparadies, aber die Wahrheit ist viel nüchterner.

"Na ja, mein Vater, der war im Militär und der war eben auf Guam, auf diesem militärischen Stützpunkt zwischen Hawaii und den Philippinen stationiert. Und da kam ich halt zur Welt, lebte da drei Jahre knapp und dann sind wir wieder in die Staaten gefahren, und ich bin in Chicago dann mehr oder weniger aufgewachsen."

Der musikbegeisterte Junge lernte Posaune und fing an, Jazz in Big Bands und kleinen Ensembles zu spielen.

Mit 17 hörte er dann ein Stück des zeitgenössischen Komponisten Pierre Boulez – ein musikalisches Schlüsselerlebnis, wie man sie nicht oft im Leben hat.

"Für meine Ohren, die wirklich da untrainiert waren in der Richtung, klang es einfach so wie Free Jazz."

Mike Svoboda, heute 46, wirkt immer noch ein bisschen jungenhaft; ein schlanker, blonder Mann, der einem im Gespräch mit seiner wachen und zugewandten Art sofort für sich einnimmt. Dass er nach seinem Musikstudium nach Deutschland kam, war eigentlich nur als Intermezzo für ein Jahr gedacht. Er hatte einen Kompositionspreis in den USA gewonnen und stellte sich bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik vor, einer ehrwürdigen, etwas steifen Institution der Musikavantgarde.

"Und da war ich eigentlich als Komponist eingeschrieben, habe aber mit der Posaune immer gespielt. Und der Posaunenlehrer hat gesagt, hör auf zu komponieren, sei Posaunist. Und kurz darauf spielte ich für Stockhausen vor und fing mit ihm an zu arbeiten 1984, und das hat mich so Fuß fassen lassen hier in Europa, und da bin ich hier hängen geblieben. Jetzt ist 2006, immerhin 24 Jahre in Deutschland schon."

Die Musik war nicht der einzige Grund: Svoboda gründete eine Familie und hat inzwischen vier Kinder. Die Begegnung mit dem deutschen Musiktitanen Karl-Heinz Stockhausen wurde schicksalhaft für den Amerikaner. Zehn Jahre war Svoboda sein ständiger Begleiter, interpretierte seine Werke, assistierte ihm, spielte als Posaunist eine der drei Hauptrollen in Stockhausens Oper "Donnerstag aus Licht".

"Ich war eben Luzifer. Ich musste auch stepptanzen. Ich hab ihm sehr gerne seine Stücke gespielt, ich hab ihm gedient, wenn man so will. Ich reiß mir ein Bein aus, lern' die ganzen Stücke auswendig, probe vier Wochen für eine Aufführung, und dann irgendwann mal habe ich das Gefühl gehabt, ich hab ausgelernt oder könnte auch meine Meinung mit einbringen. Das war einfach nicht gewollt. Und ich glaub, daran ist dann auch die Zusammenarbeit irgendwann zu Ende gegangen."

Der Mike Svoboda, der sich seit Mitte der 90er Jahre zeigt, ist ungleich vielfältiger als der virtuose Stockhauseninterpret. Svoboda führt weiterhin Werke der Neuen Musik auf, oft in enger Zusammenarbeit mit Komponisten, die ihm Werke auf den Leib schreiben. Zugleich spielt er aber auch Gartenschlauch, Abflussrohr und Muschel in seinen Solokonzerten, singt und spricht durchs Megaphon und scheut sich nicht, Entertainment in die ernste Musik zu bringen. Er dirigiert, leitet Workshops und schreibt Opern; sein nächstes Programm ist eine von Dada und Surrealismus inspirierte Hommage an Erik Satie.

"Ich spiele sehr gerne Stücke ohne irgend welche theatralischen Effekt, einfach nur die Musik, das mach ich sehr gerne."

"Aber es gibt auch Stücke, die das auch erfordern, dass man auf das Publikum theatralisch zugeht. Und das mach' ich auch gerne."

Manche Komponisten, die für ihn schreiben, können mit seinen unbekümmerten Programmen wie "Do you love Wagner" nichts anfangen. Und umgekehrt haben manche Konzertbesucher, die ihn eher als Musikclown wahrnehmen, überhaupt keinen Zugang zur Neuen Musik. Dass die oftmals unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, darüber macht sich Mike Svoboda keine Illusionen.

"Das ist einfach eine Randgruppe von Randgruppen."

Seine Reaktion darauf: Er sucht Kontakt. Kontakt zum Publikum, das er für neue Klänge zu gewinnen, aber auch zu unterhalten versucht. Kontakt zu Musikern, etwa wenn er ein Konzert für Hobbyalphornisten aus seiner Region, der Gegend um Stuttgart schreibt. Und Kontakt zu Komponisten wie Helmut Lachenmann, dem er Posaunenunterricht gab, damit er noch präziser für sein Instrument schreiben konnte. Und so ist das, was Mike Svoboda ausmacht, mehr als die Summe seiner Fähigkeiten als Virtuose, Komponist, Dirigent und Arrangeur. Er ist vor allem ein geborener Vermittler. Und das ist ein hoher Wert in einer musikalischen Szene, die stark von Einzelgängern und Eigenbrötlern geprägt ist.