Viel gerühmt, selten aufgeführt

Zwei befreundete Männer warben einst um die Gunst derselben Frau. Ein spannender Ausgangspunkt. Um ihre Freundschaft nicht aufs Spiel zu setzen, hatten sie geschworen, dieser Liebe zu entsagen. Doch beim Perlentauchen auf Ceylon treffen alle wieder aufeinander, und es muss zum Konflikt kommen. Am Ende ist unter den Protagonisten ein Opfer zu beklagen, das je nach Fassung auf verschiedene Weise zu Tode kommen kann.
Das Opfer ist der zum König der Fischer gewählte Zurga, dessen Freund Nadir den gemeinsamen Schwur gebrochen hat. Das Subjekt der Begierde ist die Priesterin Leila, deren Gelübde sie zur Keuschheit zwingt. Als beider Verhältnis aufgedeckt wird, erwartet sie der gemeinsame Tod. Doch Zurga bereut, dass er aus Zorn auf den Freund dem Urteil zugestimmt hat. Auch erkennt er in Leila seine einstige Retterin. Um den beiden Liebenden zur Flucht zu verhelfen, steckt er zur Ablenkung das Lager an und bleibt allein zurück.

Kommt Zurga in den Flammen um, stirbt er nun selbst auf dem Scheiterhaufen, wird er vom Oberpriester höchstpersönlich erstochen, wählt gar Leila selbst den Freitod, wie in einer deutschen Bearbeitung? All das war lange Zeit eine Frage der Inszenierung. Warum ist soviel Freiheit überhaupt möglich geworden?

Da die Oper erst nach Bizets Tod wieder auf die Bühne kam, die Originalpartitur nach der Uraufführung 1863 verloren gegangen war, wurde mit dem Schluss der Oper mutig herumexperimentiert. Erst 100 Jahre später unternahm man den Versuch, aus dem Aufführungsmaterial eine Fassung zu rekonstruieren, die den Intentionen des Komponisten annähernd gerecht zu werden scheint: ein offenes Ende.

Der 25-jährige Bizet war durch Léon Carvalho, den Direktor des Pariser Théâtre-Lyrique, auf das Libretto von Cormon und Carré gestoßen. Ganz im Bann der Exotismus-Mode, schrieb er eine Musik, die entsprechendes Lokalkolorit vermitteln soll, ohne authentische ceylonesische Musik zu benutzen. Schon 1863 kam dieses erste große Bühnenwerk Bizets in Paris heraus, eineinhalb Jahre vor Giacomo Meyerbeers "L'Africaine", die dann zum Modell für eine Reihe von Opern mit exotischen Sujets wurde. In Frankreich gehören "Die Perlenfischer" zum Repertoire. Anderswo ist diese Oper selten auf der Bühne zu erleben.


Euroradio-Opernsaison 2006/07
Flämische Oper Gent
Aufzeichnung vom 7.11.2006

Georges Bizet: "Les pêcheurs de perles"
Oper in drei Akten
Libretto: Eugène Cormon/Michel Carré

Annick Massis, Sopran - Leila
Marc Laho, Tenor - Nadir
Geert Smits, Bariton - Zurga
Kurt Gysen, Bass – Nourabad
Chor und Orchester der Flämischen Oper Gent
Leitung: Patrick Fournillier

nach dem 1. Akt ca. 19:55 Uhr Nachrichten