Viel Erotik und deftiger Humor

Von Jörg Taszman · 19.08.2008
Oscarpreisträger Jiri Menzel hatte fast 13 Jahre keinen Film mehr gedreht, als er im Vorjahr mit seinem auf der Berlinale gezeigten "Ich habe den englischen König bedient" sein Comeback feierte. Nun ist der Streifen über den Hilfskellner Jan Dite in die deutschen Kinos gelangt. In der weiblichen Hauptrolle ist Julia Jentsch als eine mit den Nazis sympathisierende Sudetendeutsche zu sehen.
Er hat lange um diesen Film gekämpft, und Jiri Menzel nahm vor genau zehn Jahren beim internationalen Filmfestival im tschechischen Karlsbad vor der Premiere von "Comedian Harmonists" auch einen Skandal in Kauf. Der aufgebrachte Menzel prügelte kurz vor Beginn des Films mit einem dünnen Stöckchen seinen ehemaligen Produzenten Jiri Sirotek aus dem Saal.

Vorausgegangen war ein jahrelanger Streit um die Filmrechte an Bohumil Hrabas Buch "Ich bediente den englischen König". Hrabal, der im Februar 1997 bei einem Sturz aus dem Fenster tödlich verunglückte, hatte die Rechte doppelt vergeben, unter anderem an seinen alten Freund Menzel, der mehrere seiner Bücher wie "Lerchen am Faden" erfolgreich verfilmte. Nach langen Querelen durfte dann aber doch Menzel den Stoff verfilmen, der das Buch auch für die große Leinwand adaptierte.

Jiri Menzel: "Nun die Geschichte ist im Buch komplizierter. Ich musste sie zusammenfassen und ich wollte, dass die Leute ins Kino gehen, dass dieser Film den Zuschauer anspricht. Deswegen musste ich das Buch für den Film bis zu einem gewissen Punkt umschreiben, damit sich auch derjenige zurechtfindet, der den Roman nicht gelesen hat.
Dann sind da auch jene, die behaupten, sie hätten es gelesen, aber könnten sich nicht mehr erinnern oder aber die aus den besseren Kreisen, die sagen, sie hätten es ja gelesen, aber das sei lange her. Das sind alles Snobisten, aber vielleicht lesen sie das Buch ja jetzt."

Film und Buch erzählen vom naiven Piccolo und Hilfskellner Jan Dite, der zunächst in der tschechischen Provinz lernt, wie man sich durchs Leben schlawinert. Frauen und Geld sind sein Leben und so kümmert es ihn auch nicht, als die Deutschen die Tschechoslowakei erobern. Er lernt die naive Bilderbuch-Sudetendeutsche Lisa kennen, die von Julia Jentsch gespielt wird und ihrem tschechischen Verehrer erst einmal klar macht, warum er für sie als Mann noch nicht in Frage kommt:

Szene aus dem Film: "Ich hab dich lieb, es war sehr tapfer von dir meine germanische Ehre gegen diese tschechische Soldateska zu verteidigen, aber …"

"Ich bin kein Deutscher!"

Nach der völligen Besetzung der Tschechoslowakei durch Hitlerdeutschland und einem erfolgreichen Ariernachweis, darf Jan Dite dann doch seine Lisa heiraten und Julia Jentsch, die im Original übrigens immer Deutsch und Tschechisch redet, war schon während der Dreharbeiten mit Jiri Menzel sehr beeindruckt, wie sie im tschechischen Fernsehen erklärte:

"Es macht sehr viel Spaß. Man merkt einfach seine große Erfahrung, dass er genau weiß, was er machen möchte, was er im Kopf hat. Das Tolle ist auch, dass alle am Set unbedingt mit ihm arbeiten möchten und ihn und seine Arbeit lieben. Das gibt eine gute Atmosphäre und macht sehr viel Spaß."

Wie schon in "Die fetten Jahre sidn vorbei" oder "Sophie Scholl" gelingt es der jungen, deutschen Schauspielerin, mit einer trotzigen Naivität und rührender Verbissenheit diese Rolle zu spielen. Dabei ist die Lisa überzeugte Reichsdeutsche und Nazisymphatisantin und wie auch die Hauptfigur des Jan Dite nicht immer eine positive, sondern eine sehr ambivalente Figur. Für Menzel war Julia Jentsch eine Entdeckung.

Jiri Menzel: "Julia Jentsch war mir nicht bekannt. Aber schon nach unserem ersten Treffen war ich von ihr sehr fasziniert und überwältigt. Sie hat überhaupt keine Starallüren und wurde mit gesamten Team und ihren Schauspielpartnern schnell warm. Für mich war es eine schöne Erfahrung, mit ihr zusammen zu arbeiten."

In satten Bildern, mit viel Erotik und jeder Menge deftigem Humor trifft Jiri Menzel den Ton der Romanvorlage und knüpft an seine besten Filme an, auch wenn dieser Stil heute ein wenig antiquiert erscheinen mag.

Prüde Moralisten und politisch Oberkorrekte, die dem Regisseur Altherrenfantasien und Geschichtskittung vorwerfen, sollten lieber Hrabal lesen oder sich Menzels frühere Filme anschauen. "Ich bediente den englischen König" ist ein sehenswertes Comeback von Jiri Menzel, das allein in Tschechien sensationelle 850.000 Zuschauer in die Kinos lockte.