Viel Charme und wenig Talent

Von Bernd Sobolla · 01.05.2012
Paris gegen Ende des 19. Jahrhunderts: Der ehemalige Soldat Georges Duroy ist gerade aus Algerien nach Paris gekommen. Er macht sich beliebt bei den Frauen, die ihm bei seiner Karriere helfen. Guy de Maupassants Roman "Bel Ami" weist in der Verfilmung viele Bezüge zur heutigen Zeit auf.
Der ehemalige Soldat Georges Duroy (Robert Pattinson) ist gerade aus Algerien nach Paris gekommen. Zunächst lässt er sich ziellos durchs Großstadtleben treiben, besucht mit lebenshungrigen Blicken Nachtleben und Bordell. Ohne Geld, Beruf und Kontakte jedoch hat der Spaß schnell seine Grenzen. Da begegnete er seinem alten Kameraden Charles Forestier, der es zum einflussreichen Zeitungsredakteur gebracht hat.

Filmszene:
"George Duray, du siehst furchtbar aus. Wir wäre es, wenn wir was trinken?"
"Ich hoffe auf mehr Glück in Paris."
"Du hättest dir keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können. Paris ist voll von Geld. Wie wäre es, wenn du bei uns dinierst? Dann lernst du meine Frau kennen."

An diesem Abend lernt George gleich drei attraktive Frauen kennen: Da ist die junge Clotilde, gespielt von Christina Ricci, die sich gern amüsiert und deren Mann viel auf Geschäftsreisen geht. Dann gibt es die Frau des Chefredakteurs, Madame Rousset. Kristin Scott Thomas verleiht ihr einen elegant-spröden Charakter. Und am wichtigsten – Uma Thurman als Madeleine Forestier, die mit politisch-ironischem Weitblick …

"Die Regierung versucht, Marokko einzunehmen."
"Ja, und natürlich zum Wohle der marokkanische Bevölkerung."

... und pragmatischen Fingerspitzengefühl ...

"Die Sicht eines Augenzeugen: Ein attraktiver junger Soldat, weit im Hinterland ... seine Abenteuer, seine Eindrücke."
"Das Journal eines Kavallerie-Offiziers. Was denkst du, mein Lieber?"
"Also gut, Sie !... Morgen früh will ich den ersten Artikel haben."

... George Duroy eine Chance zum gesellschaftlichen Aufstieg ebnet ...

"Ihnen ist doch klar, dass er noch nie eine Zeile geschrieben hat."
"Ich helfe ihm mit dem Anfang."

Und nüchtern konstatiert...

"Die wichtigsten Menschen in Paris sind nicht die Männer. Die wichtigsten sind deren Ehefrauen."

Uma Thurman war fasziniert von ihrem Charakter Madeleine und spielt die heißen Momente mit kühler Mine und die Augenblicke kalter Politik voller Begierde.

"Sie hat einen ziemlich dynamischen und attraktiven Charakter, den ich sehr bewundere. Wenn es damals möglich gewesen wäre, wäre sie eine professionelle Frau geworden, so aber muss sie eine professionelle Ehefrau sein."

George beginnt, sein neues Leben in vollen Zügen zu genießen. Dabei ist sein Talent äußerst dürftig. Aber er weiß seinen Charme einzusetzen und avanciert als attraktiver Verführer zum Liebling der Pariser Gesellschaft.

"Es ist mir eine große Freude, dass Sie hier sind."
" Wann kann ich Sie wiedersehen?"
"Ich komme zu Ihnen – morgen."
"Warum nicht heute?"

Für Robert Patterson eine neue, herausfordernde Rolle, die er bravourös meistert.

"Es beginnt damit, dass er glaubt, die Welt sei so glamourös. Und er sieht die Frauen wie Göttinnen, als er erstmals auftaucht. Und die Frauen wiederum werden von ihren Männern kaum beachtet. Sie freuen sich über seine Aufmerksamkeit und sehen, dass er ihre Besonderheit erkennt. So läuft alles ziemlich gut für ihn."

Robert Pattinson spielt zurückhaltend: Er redet nicht viel, lässt vielmehr die Frauen reden, zeigt sich zugewandt und aufmerksam, lächelt, schmeichelt und streichelt. Die Frauen lieben ihn und George Duroy liebt das Leben. Oder genauer gesagt: Er liebt Ruhm, Reichtum und Macht, die er durch die Frauen erwirbt. Als dann sein Vorgesetzter Charles Forestier stirbt, ergreift er die Chance und heiratet dessen Frau Madeleine. Sie sichert ihm mit ihrem scharfen Intellekt die Position in der Zeitung und entdeckt, wie die Regierung plant, Marokko zu erobern.

"La Vie francaise hat den Beweis gefunden. Unbestreitbare Beweise für die wahren Absichten der Regierung in Marokko. Willst du der Mann sein, der die Regierung zu Fall gebracht hat? Oder willst du ein verdammter Narr sein?"

"Bel Ami" ist ein Historienfilm mit schön ausgestatteten Handlungsorten, eine amouröse Vierecksgeschichte, bei der Sehnsucht und Liebe, Berechnung und Skrupellosigkeit nahtlos ineinander übergehen. Wobei der exzellente Soundtrack von Lakshman Joseph de Saram aus Sri Lanka und Rachel Portman den Zuschauer wie auf einer Wolke schwebend durch Gärten und Paläste führt, Amüsierlokale und Redaktionsräume.

Zugleich gelingt es den beiden Filmemachern Nick Ormerod und Declan Donnellan viele Bezüge zur aktuellen Situation herzustellen, die man jedoch nicht tiefer hätte ausarbeiten können.

Declan Donnellan: "Der politische Hintergrund, in ein moslemisches Land einzumarschieren, die Bodenschätze, die korrupte Presse und die Geschichte eines jungen Mannes, der wenig Talent und viel Charme hat, der ihn nach oben bringt. Das entspricht doch genau unserer heutigen Welt der Celebrities und ist deshalb außergewöhnlich relevant."


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