Videomärchen in klassischem Versmaß
"Die Perser" von Aischylos sind das älteste Drama der Literaturgeschichte, wegen der Sperrigkeit des Textes eher selten gespielt. Stefan Pucher, der vor einigen Jahren die "Orestie" in Zürich als buntes Spektakel inszenierte, hat sich nun an diesem Kriegs-Epos versucht.
Es ist zunächst einigermaßen schleierhaft, warum sich ein popbunter Theater-Arrangeur wie Stefan Pucher überhaupt für ein so abseitiges, karges Stück wie "Die Perser" interessiert. In vier Reflexions-Stufen wird da vorgetragen, dass der Krieg eine schlechte Sache ist und menschlicher Hochmut ins Verderben führt.
Die rein analytische Einfühlung in den persischen Gegner, den man gerade in der Seeschlacht bei Salamis vernichtend geschlagen hatte, ist zwar kein geringes Verdienst des Kriegsteilnehmers Aischylos; aber das Stück selber bietet wenig Raum für theatralische Experimente - es ist ein großer, monologischer Klagegesang.
So scheint der heimliche Regisseur des Abends der Übersetzer Durs Grünbein zu sein, der den Text trotz aller Pathetik nah an die Jetztzeit heranrückt. "Morgen gehört uns Griechenland", so der Ruf des persischen Heeres, und übermorgen die ganze Welt, ergänzt der Zuschauer natürlich im Kopf. Damit ist die imperialistische Selbstüberschätzung schon benannt, die den Perser Xerxes in die Niederlage führt. Und sie bietet dann auch Pucher jede Menge Ansatzpunkte, die Aufführung mit aktuellen Bezügen aufzuladen.
Der in einem schrecklichen Beamten-Pollunder auftretende Jean-Pierre Cornu, der den warnend referierenden Chor spielt, trägt jene 60er-Jahre-Brille, die in der amerikanischen Verwaltung zur Zeit des Vietnamkriegs verbreitet war. Die persische Königinmutter Atossa der Catrin Striebeck sieht aus wie die frühe Soraya. Das Programmheft zeigt amerikanische Besatzungssoldaten in einem irakischen Palast (das ist Puchers etwas simpler Inszenierungsansatz), und die orientalische Podestbühne der Barbara Ehnes ist wie ein Sowjetstern geformt.
Rein schauspielerisch aber erleben wir braves, statuarisches Stadttheater, wo Text aufgesagt (und tragisch aufgeblasen) wird. Die Großmachts-Assoziationen, zu denen Pucher das Publikum einlädt, bekommen dann aber weiteres Futter durch etwas wirre Einspiel-Filme, in denen antike Skulpturen und der Dareios-Palast mit Szenen aus den Weltkriegen verklammert sind. Und der Reichs-Adler fliegt - das Wappentier aus den Angstträumen der Königin Atossa.
Mit dem Auftauchen des Boten (grandios Daniel Lommatzsch), der von Kriegsgräueln und Massensterben berichtet, wird diese cinéastische Dimension noch erweitert: Pucher lässt die soldatische Kämpfer-Figur (als Einspieler) langsam im Seewasser versinken wie in den amerikanischen Kriegsfilmen der neunziger Jahre. "Full Metal Jacket" als Vorbild. Theater als Gruselmärchen, als Monstershow - das wird nun auch akustisch umgesetzt. Der doch eher stadttheatralische Klagegesang weitet sich zum gruftigen David-Bowie-Popsong, zur bedrohlichen Klangkulisse.
Wer frühere Inszenierungen Puchers kennt, der wird erstaunt sein über die resignierte Ernsthaftigkeit, mit der hier antikes Drama in die Mediengesellschaft transportiert wird. Puchers "Orestie" war noch eine knallbunte Parodie auf den amerikanischen Jet-Set und die Kennedys; jetzt ist Pucher nur noch Dirigent klassischer Reden, die er energetisch aufbaut und folgerichtig in Musik enden lässt.
Das führt einerseits zu großartigen atmosphärischen Lösungen, wie bei einer Geisterbeschwörung; in der Schauspielerführung aber bleibt Pucher oft banal. Robert Hunger-Bühler, der als Geist des Vaters Dareios aus dem Grab steigt, ist, mit Anzug und Sonnenbrille, nur eine müde, poppige Märchenfigur, die selbstironisch von den besseren Zeiten erzählt, den Sohn in den Senkel stellt und nebenbei seine Raketen poliert.
Und Oliver Masucci, der Xerxes, steht glatzköpfig, mit Wehrmachtsmantel und güldenem, aufgeklebtem Brustpanzer an der Rampe und demonstriert noch in der Totenklage den militärischen Hochmut, der ihn ins Verderben führte. Unschuldig ist er, natürlich - und sie konnten ja alle nie etwas dafür: die Interventions-Politiker nicht und die Finanzmanager der Lehman-Bank auch nicht. Alle schuldlos.
Die Sucht nach dem Immer-Weiter-Kämpfen, nach dem Nicht-Akzeptieren einer Niederlage resultiert bei Aischylos aus dem übergroßen Schatten des Vaters, dem der Sohn Xerxes entrinnen möchte. So verletzt er die Normen der Götter, heute würde man sagen: die ethischen Maßstäbe.
Bei Stefan Pucher wird daraus eine große Rhapsodie, ein energiegeladenes Textaufsagen, ein Schlachtengemälde, eine Performance, eine kultische Handlung - nur eine Inszenierung wird nicht daraus. Denn emotional lässt uns diese mediengestützte Literaturveranstaltung doch eher gleichgültig zurück.
Die Perser von Aischylos
Schauspielhaus Zürich
Regie: Stefan Pucher
Bühnenbild: Barbara Ehnes
Dramaturgie: Klaus Missbach
Darsteller:
Atossa, Königsmutter: Catrin Striebeck
Xerxes: Oliver Masucci
Dareios' Geist: Robert Hunger-Bühler
Ein Bote: Daniel Lommatzsch
Die rein analytische Einfühlung in den persischen Gegner, den man gerade in der Seeschlacht bei Salamis vernichtend geschlagen hatte, ist zwar kein geringes Verdienst des Kriegsteilnehmers Aischylos; aber das Stück selber bietet wenig Raum für theatralische Experimente - es ist ein großer, monologischer Klagegesang.
So scheint der heimliche Regisseur des Abends der Übersetzer Durs Grünbein zu sein, der den Text trotz aller Pathetik nah an die Jetztzeit heranrückt. "Morgen gehört uns Griechenland", so der Ruf des persischen Heeres, und übermorgen die ganze Welt, ergänzt der Zuschauer natürlich im Kopf. Damit ist die imperialistische Selbstüberschätzung schon benannt, die den Perser Xerxes in die Niederlage führt. Und sie bietet dann auch Pucher jede Menge Ansatzpunkte, die Aufführung mit aktuellen Bezügen aufzuladen.
Der in einem schrecklichen Beamten-Pollunder auftretende Jean-Pierre Cornu, der den warnend referierenden Chor spielt, trägt jene 60er-Jahre-Brille, die in der amerikanischen Verwaltung zur Zeit des Vietnamkriegs verbreitet war. Die persische Königinmutter Atossa der Catrin Striebeck sieht aus wie die frühe Soraya. Das Programmheft zeigt amerikanische Besatzungssoldaten in einem irakischen Palast (das ist Puchers etwas simpler Inszenierungsansatz), und die orientalische Podestbühne der Barbara Ehnes ist wie ein Sowjetstern geformt.
Rein schauspielerisch aber erleben wir braves, statuarisches Stadttheater, wo Text aufgesagt (und tragisch aufgeblasen) wird. Die Großmachts-Assoziationen, zu denen Pucher das Publikum einlädt, bekommen dann aber weiteres Futter durch etwas wirre Einspiel-Filme, in denen antike Skulpturen und der Dareios-Palast mit Szenen aus den Weltkriegen verklammert sind. Und der Reichs-Adler fliegt - das Wappentier aus den Angstträumen der Königin Atossa.
Mit dem Auftauchen des Boten (grandios Daniel Lommatzsch), der von Kriegsgräueln und Massensterben berichtet, wird diese cinéastische Dimension noch erweitert: Pucher lässt die soldatische Kämpfer-Figur (als Einspieler) langsam im Seewasser versinken wie in den amerikanischen Kriegsfilmen der neunziger Jahre. "Full Metal Jacket" als Vorbild. Theater als Gruselmärchen, als Monstershow - das wird nun auch akustisch umgesetzt. Der doch eher stadttheatralische Klagegesang weitet sich zum gruftigen David-Bowie-Popsong, zur bedrohlichen Klangkulisse.
Wer frühere Inszenierungen Puchers kennt, der wird erstaunt sein über die resignierte Ernsthaftigkeit, mit der hier antikes Drama in die Mediengesellschaft transportiert wird. Puchers "Orestie" war noch eine knallbunte Parodie auf den amerikanischen Jet-Set und die Kennedys; jetzt ist Pucher nur noch Dirigent klassischer Reden, die er energetisch aufbaut und folgerichtig in Musik enden lässt.
Das führt einerseits zu großartigen atmosphärischen Lösungen, wie bei einer Geisterbeschwörung; in der Schauspielerführung aber bleibt Pucher oft banal. Robert Hunger-Bühler, der als Geist des Vaters Dareios aus dem Grab steigt, ist, mit Anzug und Sonnenbrille, nur eine müde, poppige Märchenfigur, die selbstironisch von den besseren Zeiten erzählt, den Sohn in den Senkel stellt und nebenbei seine Raketen poliert.
Und Oliver Masucci, der Xerxes, steht glatzköpfig, mit Wehrmachtsmantel und güldenem, aufgeklebtem Brustpanzer an der Rampe und demonstriert noch in der Totenklage den militärischen Hochmut, der ihn ins Verderben führte. Unschuldig ist er, natürlich - und sie konnten ja alle nie etwas dafür: die Interventions-Politiker nicht und die Finanzmanager der Lehman-Bank auch nicht. Alle schuldlos.
Die Sucht nach dem Immer-Weiter-Kämpfen, nach dem Nicht-Akzeptieren einer Niederlage resultiert bei Aischylos aus dem übergroßen Schatten des Vaters, dem der Sohn Xerxes entrinnen möchte. So verletzt er die Normen der Götter, heute würde man sagen: die ethischen Maßstäbe.
Bei Stefan Pucher wird daraus eine große Rhapsodie, ein energiegeladenes Textaufsagen, ein Schlachtengemälde, eine Performance, eine kultische Handlung - nur eine Inszenierung wird nicht daraus. Denn emotional lässt uns diese mediengestützte Literaturveranstaltung doch eher gleichgültig zurück.
Die Perser von Aischylos
Schauspielhaus Zürich
Regie: Stefan Pucher
Bühnenbild: Barbara Ehnes
Dramaturgie: Klaus Missbach
Darsteller:
Atossa, Königsmutter: Catrin Striebeck
Xerxes: Oliver Masucci
Dareios' Geist: Robert Hunger-Bühler
Ein Bote: Daniel Lommatzsch