Videobeweis im Fußball

Segen oder Fluch?

23:04 Minuten
Schiedsrichter Tom Bauer schaut auf den Monitor beim Videobeweis beim Spiel FC Schalke 04 gegen den VfL Osnabrück in der 2. Fußball-Bundesliga.
Der Videobeweis im Fußball ist umstritten. © dpa / picture alliance / David Inderlied
Von Stefan Osterhaus · 10.12.2023
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Handspiel, Foulspiel, Abseits: Die Erwartungen an den VAR im Fußball waren groß. Das Spiel sollte gerechter werden. Stattdessen sind Entscheidungen oft sehr umstritten. Warum funktioniert der Videobeweis in anderen Sportarten geräuschloser?
Ein Pfiff, eine Entscheidung - oder doch nicht? Der Videobeweis, eingeführt in der Saison 2017/18, erregt noch immer die Gemüter, manchmal könnte man meinen: Er erregt sie mehr denn je.

Handspiel, Foulspiel oder Abseits – der Videobeweis VAR, Video Assistant Referee, sollte doch eigentlich für mehr Klarheit sorgen. Doch heute, mehr als sechseinhalb Jahre nach seiner Einführung, scheint, zumindest auf den ersten Blick, von dem, was man sich davon versprochen hat, nur wenig eingelöst worden zu sein.

Ärger über lange Spielunterbrechungen

Im Gegenteil: Der Verdruss ist groß, der Ärger über lange Spielunterbrechungen immens. Der VAR raube dem Spiel die Spontanität - so lautet eine häufig geäußerte Kritik.

„Er nervt wie am ersten Tag“, schrieb das Fußballmagazin „11 Freunde“ zum fünfjährigen Bestehen des VAR vor einem Jahr.

Dabei ist in den letzten Monaten Bewegung in die Diskussion gekommen.

Etwas müsse sich ändern - das sagen nicht nur Fans, sondern auch Vertreter von Klubs, die auf die Einführung des VAR gedrängt hatten – vor allem mit dem Argument, dass eine falsche Entscheidung großen wirtschaftlichen Schaden verursachen könne.

Auf der jüngsten Mitgliederversammlung von Borussia Dortmund wurde Hans-Joachim Watzke, der Geschäftsführer der Dortmunder und einer der mächtigsten Männer des deutschen Fußballs, ungewöhnlich deutlich und sprach vom Vorhaben, eine Expertengruppe zum VAR Anfang Januar kommenden Jahres einzurichten:

Wir hatten dieses Jahr ein Spiel ohne VAR, gegen Hoffenheim im Pokal. Ich habe mich ein bisschen befreiter gefühlt. Das muss ich ehrlicherweise sagen. Weil jedes Mal erst Matthias Sammer anzustoßen und fragen ‚Hast du was gesehen?‘, anschließend noch auf den Monitor zu sehen, das killt Emotionen. Das müssen wir, wenn der VAR eine Zukunft haben will, besser in den Griff kriegen. Fußball lebt von Emotionen. Das ist schon manchmal ein bisschen schwere Kost.

Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund

Schwere Kost also. Unrecht hat Watzke damit nicht. Die Zahl der Streitfälle wird als zu hoch angesehen.

Dabei ist auf dem Papier die Sache ziemlich klar. Laut Regelwerk hat der VAR das Recht, den Schiedsrichter auf eine strittige Szene aufmerksam zu machen – und zwar, wenn es um einen Torentscheid, einen Elfmeterpfiff oder ein grobes Foul geht, das eine rote Karte rechtfertigen würde.
Der Videoassistent kann sich dafür Bilder aus vier verschiedenen Kameraperspektiven ansehen. Er kann zudem den Bildausschnitt vergrößern.

Trotzdem ist die Liste kurioser Situationen, die durch das Eingreifen des VAR zustande kamen, lang. Dabei kann sogar eine Entscheidung goldrichtig sein und Verwirrung stiften, so wie 2018 im Bundesligaspiel der Mainzer gegen Freiburg, als die Mannschaften aus der Halbzeitpause zurück auf das Feld geholt wurden, weil der Videoassistent einen Elfmeterpfiff nach dem Halbzeitpfiff moniert hatte.

Was nach wie vor irritiert, sind die langen Pausen im Spiel, wenn der Schiedsrichter zur Seitenlinie läuft und sich eine strittige Szene anschaut – und zwar immer dann, wenn ihn ein Ruf des Assistenten aus Köln aus dem sogenannten Kölner Keller erreicht.

Kölner Keller - das ist längst eine stehende Wendung.

„Zunächst mal also dieser Begriff Kölner Keller – offiziell natürlich: Video-Assist-Center hat sich auch deswegen eingebürgert, weil es tatsächlich im in einem Untergeschoss, in einem Souterrain sozusagen, sich abspielt.“

Das sagt ein Mann, der den Schlüssel für diesen Keller hat: Alex Feuerherdt. Er hat in Deutschland einen Ruf als Experte für alle Belange des Schiedsrichterwesens. Feuerherdt war einst Mitbegründer des legendären Blogs „Collinas Erben“ – benannt nach dem populären italienischen Unparteiischen mit der markanten Glatze.

Das Image des Kölner Kellers

Heute kommuniziert Alex Feuerherdt für die Schiedsrichter des DFB. Und da geht es eben oft um den Kölner Keller und sein Image, sagt Feuerherdt:

„Da sitzen Leute in einem halbdunklen Raum, sitzen mit dem Rücken zur Kamera, man kann gar nicht so genau sehen, was sie eigentlich machen. Mit Keller verbindet man ja irgendwie Dunkelheit, auch so ein bisschen etwas Verruchtes vielleicht. Und das ist so das Image, was der Videoassistent zumindest in Deutschland von Anfang an bekommen hat - eben noch dadurch verstärkt, dass es wirklich ein Souterrain ist.“

Der Keller hat also nach wie vor den Ruf als eine Art verruchtes Etablissement, an dessen Tisch abgekartete Spielchen betrieben werden - so könnte man es überspitzt formulieren.
Alex Feuerherdt kennt die Schiedsrichterei aus dem Effeff. Wie viele Fans und auch Offizielle hatte er hohe Erwartungen an die Einführung des VAR:

Als der Videoassistent eingeführt worden ist, war meine Erwartungshaltung, da muss ich jetzt selber drüber lachen, dass wir dann überhaupt nicht mehr über Fehler diskutieren, denn die werden ja alle rausgefiltert. Der Videoassistent ist, auch das muss man im Nachhinein selbstkritisch sagen, ein bisschen vollmundig angekündigt worden. Das wird alles klappen. Wir werden keine gravierenden Fehler mehr haben. Dann hat sich sehr schnell rausgestellt: So ist es nicht.

Alex Feuerherdt, DFB

Der VAR sollte den Fußball gerechter machen

Wenn über den Videobeweis geredet wird, dann fällt früher oder später der Begriff Gerechtigkeit. Durch ihn sollte der Ausgang des Spiels gerechter werden, zumindest sollten grobe Ungerechtigkeiten verhindert werden, indem Fehlentscheidungen als solche verhindert werden. So jedenfalls waren die Hoffnungen vieler Befürworter, als das Verfahren eingeführt wurde.
Der Philosoph Gunter Gebauer sieht eine solche Forderung skeptisch. Der Anspruch der Gerechtigkeit vertrage sich nicht wirklich mit einem so komplexen Spiel wie dem Fußball, sagt er:

„Das Problem beim Fußball ist, dass Gerechtigkeit sehr, sehr schwer zu erreichen ist. Fußball ist ein Spiel, das oft sehr ungerecht ausgeht. Es ist nicht so, dass, wenn eine Mannschaft gewinnt, das sie dann verdient gewonnen hat. Das sagt man zwar, das ist ein ganz wichtiger Spruch der Sportjournalisten, 'die und die Mannschaft hat verdient gewonnen, weil sie mehr fürs Spiel getan hat'. Aber es gibt Spiele, die von einer Mannschaft gewonnen werden, die ein nur einziges Mals aufs Tor geschossen hat - und das auf höchstem europäischen Niveau. Das macht den Fußball so einzigartig, dass bei dem Spiel Gerechtigkeit eigentlich gar keine große Rolle spielt.“

Gerechtigkeit ist für Gebauer also kein Kriterium, mithilfe dessen man den Einsatz des VAR rechtfertigen kann.
Der Philosoph und Sporsoziologe Gunter Gebauer
Fußball sei ein Spiel, bei dem Gerechtigkeit eigentlich keine Rolle spiele, meint der Philosoph Gunter Gebauer.© dpa / picture alliance / Rolf Vennenbernd
Doch wie sieht es mit dem tatsächlichen Nutzen aus? Sehen diejenigen, die den Videobeweis anwenden müssen, ihn ebenso kritisch wie die Fans?

Besonders im Saisonfinale hat sich der VAR bewährt

Manuel Gräfe gehörte während seiner Karriere zu den besten Schiedsrichtern Deutschlands. Der mittlerweile 50-jährige Berliner kommentiert als Experte die Entscheidungen im Fernsehen. Er blickt differenziert auf den VAR und dessen Nutzen:

„Insbesondere bei den Schwarz-Weiß-Entscheidungen ist es auch nach wie vor eine sinnvolle Geschichte - also Abseits oder nicht ist natürlich elementar, wenn es um Abstieg, Meisterschaft oder Qualifikation für die internationalen Wettbewerbe geht. Genauso auch, ob der Ball hinter der Linie war oder nicht. Also diese Schwarz-Weiß-Entscheidungen haben dazu beigetragen, dass es in vielen Bereichen gerechter geworden ist."
Videobeweis beim Fußball-Bundesligaspiel Borussia Dortmund gegen Mainz 05
Der Videobeweis kam auch am letzten Spieltag der vergangenen Saison zum Einsatz - auch beim Spiel Borussia Dortmund gegen Mainz 05.© dpa / picture alliance / Revierfoto
Schwarz-Weiß, wie Gräfe sagt: Das kann hier ganz im Wortsinn gelten. Denn die Aufnahmen des wohl berühmtesten Tores der Fußballgeschichte, dass definitiv keines war, aber trotzdem gegeben wurde, sind sämtlich in Schwarz-Weiß gehalten:

Das Wembley-Tor von 1966 in der Verlängerung des Finales zwischen England und Deutschland.

Mit den Möglichkeiten von heute würde es darüber gar keine Diskussion mehr geben. Genauso wenig wie damals in Bloemfontein in Südafrika, als die Deutschen im Jahr 2010 wieder einmal bei einer WM gegen England ranmussten.
Im Achtelfinale schlug ein wuchtig getretener Ball vom Engländer Frank Lampard, deutlich hinter der Linie auf. Wer es gut mit den Deutschen meinte, der konnte sagen: ausgleichende Gerechtigkeit!

Mehr Akzeptanz bei einheitlicher Auslegung

Nur ist eben nicht jede Szene so eindeutig, dass sie sich einfach entscheiden ließe. Häufig gehe es um den Interpretationsspielraum, sagt Manuel Gräfe. Und auch der Schiedsrichter kann irren:

„Niemand ist fehlerlos. Es ist dann eine Frage von Führung: Wie vereinbare ich Standards aufgrund des Regelwerks, aber trotzdem in der Auslegung? Wenn ich die Auslegung einheitlicher gestalte, dann habe ich mehr Akzeptanz."
Die Frage Foul oder nicht ist demnach also keine, auf die es immer eine eindeutige Antwort gibt. Zum einen legen Unparteiische die Härte eines Zweikampfes unterschiedlich aus. Zum anderen aber hat der Standpunkt des Schiedsrichters im Wortsinn einen großen Einfluss. Von welcher Position aus er eine Szene beobachtet, ist eine wichtige Komponente bei der Beurteilung, sagt Manuel Gräfe:

"Das liegt auch an den Blickwinkeln, und das ist im Fußball ganz entscheidend. Es gab Situationen in Spielen, bei denen mich Medien hinterher kritisiert haben. Aber ich habe an dem Spielerverhalten gemerkt, dass ich richtig gelegen habe. Aber da hatte ich vielleicht den besten Blickwinkel und vielleicht besser als alle Kameras von außen. Aber genauso war es auch umgekehrt: Ich wurde auch schon von Medien unterstützt in Entscheidungen, bei denen ich aber aufgrund des Spielerverhaltens gemerkt habe, das war wahrscheinlich eher falsch. Also das geht dann in beide Richtungen.“

VAR hilft beim Verständnis für schwierige Entscheidungen

Tatsächlich, sagt Manuel Gräfe, gäbe es mittlerweile mehr Verständnis für schwierige Entscheidungen der Schiedsrichter beim Publikum. Und dabei sei der Videobeweis eben nicht unbeteiligt.

„Wenn man das früher hätte versucht zu erklären, dass das von Blickwinkeln abhängt, wäre das als Ausrede angesehen worden. Heute hat die breite Öffentlichkeit gemerkt: Es hängt doch wirklich von einzelnen Perspektiven und Kameraeinstellungen ab, ob etwas als richtig oder falsch angesehen wird. Und manchmal braucht man wirklich die sechste, siebte Perspektive, um erst zur Entscheidung zu kommen - und auch so ein bisschen der Wahrheit angenähert."
Der ehemalige Schiedsrichter Manuel Gräfe
Durch den Videobeweis sei das Publikum für die Situation der Schiedsrichter sensibler geworden, meint Manuel Gräfe.© dpa / picture alliance / Weber
Sich der Wahrheit annähern: Präziser als Gräfe kann man das Problem der Entscheidung nicht beschreiben. Zumindest in solchen Fällen, die auf den ersten Blick nicht eindeutig sind. Insgesamt, sagt Gräfe, habe der Videobeweis das Publikum für die Situation der Schiedsrichter sensibilisiert.

Was der Fußball vom Rugby lernen könnte

Was allerdings auch noch helfen könne, wäre eine reibungslose Kommunikation mit dem Publikum, sagt Gräfe. Er nennt das Beispiel Rugby, wo dies gut funktioniere. Dort wird die Entscheidung live erläutert:

Das ist etwas, was erheblich zur Akzeptanz beiträgt, wo man sich aber so schwer beim Fußball tut. Dabei sind die Schiedsrichter alles gestandene Persönlichkeiten, und ich traue denen ohne Probleme zu, dass die in der Kommunikation zumindest bei der Entscheidung des VAR dazu in der Lage wären, das im Stadion und auch dem Fernsehpublikum zu vermitteln. Aber es wäre auch möglich, das live zu machen, weil man sieht ja technisch, wenn es beim Rugby geht, warum sollte es nicht auch beim Fußball gehen?

Der ehemalige Schiedsrichter Manuel Gräfe

Warum soll es nicht auch beim Fußball gehen? Manuel Gräfe gibt damit das Stichwort. Denn nicht nur im Rugby, sondern auch in anderen Sportarten wird der Videobeweis auf für das Publikum bisweilen sehr nachvollziehbare Weise angewendet. 

Dabei ist es in einem Kontaktsport wie dem Rugby komplizierter als etwa im Volleyball, wo der Videobeweis hinzugezogen werden kann, um zu klären, ob ein Ball noch im Feld war oder nicht.

Videobeweis auch beim Basket- und Handball

Auch beim Basketball ging es zunächst vor allem um Entscheidungen messbarer Art, etwa darum, ob ein Wurf noch in der Zwei-Punkte- oder der Drei-Punkte-Zone abgegeben wurde. Mittlerweile werden die Aufzeichnungen auch bei Fouls hinzugezogen.

Den Videobeweis wenden auch die Handballer an - bei Weltmeisterschaften bereits seit 2015. Die Handball-Bundesliga, die nach wie vor zu den stärkten Handball-Ligen der Welt zählt, zog erst in diesem Jahr nach.

Jutta Ehrmann-Wolf war als Leiterin des Schiedsrichterwesens im Deutschen Handballbund mit der Einführung beschäftigt. Die Erfahrungen? Diametral entgegengesetzt zu denen im Fußball.

Aber er funktioniert auch ein wenig anders, der Videobeweis im Handball.

„Der Videobeweis wird bei uns in erster Linie nur durch die Schiedsrichter eingesetzt. Also nur die Schiedsrichter sind berechtigt, im Handball den Videobeweis zu ziehen. Also auch nicht die Delegierten, die am Tisch agieren, also die dritten Offiziellen praktisch vergleichbar mit dem Fußball und auch keine Coach's Challenge wie in anderen Sportarten. Da sind wir jetzt in der Orientierungsphase, dass wir da gegebenenfalls so etwas nachlegen. Aber aktuell dürfen nur die Schiedsrichter diesen Videobeweis bei uns ziehen - und auch die Regularien, zu welchen Szenen gezogen werden darf, sind klar festgelegt.
Videobeweis beim Handball-Bundesligaspiel TVB Stuttgart gegen die Füchse Berlin
Der Videobeweis im Handball funktioniert anders als im Fußball.© dpa / picture alliance / Marco Wolf
Von einer Eingewöhnung haben die Handballer kaum etwas gespürt. Der Videobeweis funktionierte von Beginn an.
Andere Sportarten haben also dem Fußball etwas voraus – was auch daran liegt, dass die Kompetenzen klar verteilt sind, dass eben niemand von außen, aus dem Kölner Keller, dem Schiedsrichter einen Hinweis geben kann. Der Schiedsrichter im Handball ist und bleibt der alleinige Herr des Verfahrens.

Feuerherdt sieht Kommunikationsdefizite

Eine solche Vorgehensweise ist im Fußball bisher noch nicht diskutiert worden. Der Ruf aus Köln ist hier elementarer Bestandteil des Verfahrens.
Aber wie soll dies im Fußball verbessert werden? Alex Feuerherdt, der Schiedsrichterexperte, sieht vor allem Kommunikationsdefizite.
Es gehe darum, den Prozess transparenter - und somit auch für die Fans begreiflicher zu machen. Eine solche Öffnung gegenüber dem Publikum wäre keinesfalls neu. Dass Schiedsrichter ihre Entscheidungen heute wie selbstverständlich erläutern, wäre in den 80er-Jahren unvorstellbar gewesen, sagt Alex Feuerherdt:

„Einhergegangen damit ist zumindest in Deutschland auch, dass die Unparteiischen heute vielfach eben vor die Kameras treten, ihre Entscheidungen erläutern, dass es Formate gibt für Erklärungen - und dass es ein sehr viel größeres Interesse auch daran gibt, dass Entscheidungen erläutert werden, dass das Regelwerk erklärt wird."

Gräfe plädiert für mehr Transparenz

Auf solche Entwicklungen müsse der Verband reagieren, sagt der Experte:

„Mehr Transparenz in dem Bereich ist auch deswegen notwendig, weil zum einen die Zuschauer im Stadion auch einfach ein Recht darauf haben, besser informiert zu sein. Zuschauer vor dem Fernsehschirm bekommen Zeitlupen, werden gut mitgenommen. Der Zuschauer im Stadion hat keine Bilder, hat keine Erklärung und wartet vielleicht manchmal auch nur eine Minute. Das kommt einem bisweilen schon sehr lang vor. Gerade wenn ein Tor fällt und man eigentlich jetzt darauf wartet, zählt das oder nicht. Also muss man ihn sicher an der Stelle mitnehmen.“

Und an dieser Stelle könnte dann auch vermittelt werden, dass nicht alles schlecht ist, was mit dem Videobeweis zusammenhängt. Denn auch die Diskussionen um Entscheidungen haben durchaus einen Wert, sagt Manuel Gräfe - und verweist auch noch einmal auf die Erfahrungen aus dem Rugby, von denen der Fußball lernen könne:

Da hat der Videobeweis zumindest auch etwas Gutes beigetragen, dass ein bisschen mehr Verständnis für die Komplexität der Aufgabe, aber eben auch für die richtige Bereitstellung der Bilder gebracht hat. Das wundert mich aber zum Beispiel auch aktuell wieder bei den VAR-Diskussionen, dass ich nicht verstehe, wie man nach sechs Jahren immer noch nicht Standards aufgestellt hat, wie es zum Beispiel im Rugby der Fall ist: Die schauen es sich immer in Zeitlupe und immer noch mal live an. Und die ganze Kommunikation zwischen Spielern und Schiedsrichtern wird dem Fernsehzuschauer live übermittelt. Und natürlich auch die VAR-Entscheidung.

Der ehemalige Schiedsrichter Manuel Gräfe

Transparenz ist der entscheidende Begriff.

In England und in Italien gibt es TV-Formate, in denen die VAR-Entscheidungen diskutiert werden. Ein solches Format, bei dem Entscheidungen erklärt werden und dazu auch die Kommunikation des Schiedsrichters mit dem Videoassistenten zu hören ist, sei auch in Deutschland gut vorstellbar, sagt Alex Feuerherdt, der Schiedsrichterexperte: 

„Wir sind gerade in der Planungsphase, ein nicht unähnliches Format zu etablieren. Vorstellbar ist, dass da jemand steht, der das erklärt. Das können auch wechselnde Personen sein, dass vielleicht mal ein Schiedsrichter oder ein Videoassistent dabei ist, der dann auch seine Entscheidung erläutert. Oder dass man einen Fußballer, Ex-Profi oder vielleicht auch mal einen Trainer einlädt - mit unterschiedlichen Perspektiven. Und auch Fanvertreter."
Es bleibt also spannend um den VAR, den Videobeweis, der auch sechseinhalb Jahre nach seiner Einführung für Diskussionen sorgt. Aber ein nüchterner Blick zeigt: Auch wenn der Ärger um den Video Assistant Referee manchmal groß ist, so kann er in manchen Situationen doch einen Sinn haben.

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