Video-Ausstellung von Omer Fast

Wo Schweigen Schmerz und Trauer pervertiert

Der Videokünstler Omer Fast hat für seine Ausstellung im Martin-Gropius-Bau Berlin ein Wartezimmer der Ausländerbehörde nachgebildet.
Der Videokünstler Omer Fast hat für seine Ausstellung im Martin-Gropius-Bau Berlin ein Wartezimmer der Ausländerbehörde nachgebildet. © dpa picture alliance/ Ralf Hirschberger
Von Simone Reber · 17.11.2016
Der Film- und Videokünstler Omer Fast stellt in seiner neuen Ausstellung Reden und Schweigen in Berlin in Frage. "Reden ist nicht immer die Lösung" ist der Titel für die Schau im Martin-Gropius-Bau. Aber der Besucher beginnt schnell, dieser Aussage zu misstrauen.
Auf einem Monitor laufen die Nachrichten - denkt man. Tatsächlich aber hat Omer Fast tausende von Reportageschnipsel zu einer sinnfreien Informationsflut zusammen geschnitten. Der israelische Künstler begann die Arbeit im Jahr 2000, als er in New York bei dem Medienunternehmen Time Warner jobbte und vollendete sie nach dem 11. September 2001. Jetzt hängt der Bildschirm mit den atemlosen Berichten in der detailgetreuen Nachbildung eines Warteraumes der Berliner Ausländerbehörde. Graues Laminat auf dem Boden, Stühle auf der Stange, der Getränkeautomat ist außer Betrieb:
"Mitte September saß ich in der Ausländerbehörde, hier in Berlin, Friedrich Krause Ufer, glaube ich und wartete auf meine Aufenthaltsgenehmigung. Und nach einer Stunde ist die Idee aufgetaucht, Mensch, das ist die Umgebung, die ich inszenieren will. Das Warten ist Teil meines Lebens und die Herausforderung ist, aus dem Warten etwas Produktives zu machen."
In insgesamt drei Warteräumen inszeniert Omer Fast Transitzonen zwischen Kunst und Leben. Die Bühnenbilder erzeugen eine beunruhigend luftleere Atmosphäre, so nah an der Realität und doch artifiziell. In einer Wartehalle wie am Flughafens steht ein einsamer Rollkoffer, auf dem Stuhl liegt eine gelesene Zeitung, die Anzeigetafel informiert über gestrichene Flüge. Auch hier ein Bildschirm, er zeigt den Film "5000 Fuß ist am besten". Da erzählt ein amerikanischer Drohnenpilot von seinem Einsatz im Krieg. Von einer Militärbasis in Las Vegas steuerte er die Flugkörper über Pakistan oder dem Irak. Zunehmend litt er unter Schuldgefühlen, weil er am Tod von Menschen beteiligt war. Doch selbst die Gewissensbisse bekamen etwas Irreales:
"Als er anfing Probleme zu haben in seinem Alltag, Probleme, die er für ein posttraumatisches Syndrom hielt, wurde ihm von Seite der Militär-Behörde gesagt, aber Sie waren niemals im Krieg, Sie waren niemals woanders. Sie haben das wirklich nicht körperlich erfahren, Sie waren niemals gefährdet. Und aus diesem Paradox entsteht diese Arbeit."
Weil der Drohnenpilot nicht über alles reden durfte, ergänzt Omer Fast seine Erzählung mit Spielfilmsequenzen, zeigt, wie der Mann immer wieder den Raum verlassen will oder den Fragen ausweicht.

Ist Reden doch die bessere Lösung?

Da fängt man an, dem Titel der Ausstellung zu misstrauen: "Reden ist nicht immer die Lösung". Der Satz fällt in dem verstörenden Film "Continuity", der jetzt in der Langversion im Kino anläuft und als kürzere Fassung in der Ausstellung zu sehen ist. Darin geht Omer Fast der Frage nach, wie Kriegstraumata die Zivilgesellschaft unterwandern. Ein Ehepaar, gespielt von Iris Böhm und André Hennicke, lädt junge Männer nach Hause ein, um den eigenen Sohn zu ersetzen, der im Krieg ums Leben kam. Die beiden erschaffen sich eine neue Familienrealität, denn, glaubt der Mann: "Reden ist nicht immer die Lösung, Katja." Im Schweigen aber pervertieren Schmerz und Trauer zu Anzüglichkeiten, Übergriffen und Gewalt.
"Das ist ein Zitat von Menschen, öfter Männern, die im Grunde bedroht sind und gleich das Gefühl haben, dass sie an Autorität verlieren. Und der Verlust von Autorität spielt eine wichtige Rolle in den Arbeiten, die ich zeige. Und was passiert nach diesem Verlust, dann schleicht sich etwas anderes rein und das kann Gewalt sein, das kann ein anderes Spiel sein, das kann das Perverse sein, das kann das Befreiende sein."
Nach den amerikanischen Wahlen wird der Satz auf eine neue Probe gestellt. Denn online hätten bisherige Randfiguren auf einmal eine dominante Präsenz erhalten, sagt Omer Fast:
"Und jetzt stehen wir alle in solchen Tempel, wie hier im Martin-Gropius Bau, etwas verzweifelt und denken Mensch, wir haben sie reden lassen und jetzt hat ihr Gerede uns einfach überholt. Und was wir daraus machen ist eine zentrale Frage, die ich stellen will, nicht direkt in der Arbeit, sondern indirekt, durch die Untersuchung von Institutionen, wie die Ehe, wie die Familie, wie die Gesellschaft, die wir haben. Und klar: reden ist immer die Lösung."
Nur an eine Grenze stößt Reden tatsächlich in dieser anregenden und verstörenden Ausstellung: den Tod. Omer Fast läßt New Yorker Bestatter von ihrem Handwerk erzählen, von ihrer Kindheit zwischen den Särgen, vom Waschen, Einbalsamieren und Schminken der Leichen. Was danach kommt, ist reine Vermutung, sagt der Künstler.
"Ich kann nicht mehr dazu sagen, weil ich das Gefühl habe, sobald wir über Tod sprechen, dann reden wir auch von dem unsichtbaren Tabu, von dem Geheimen, von dem Aberglauben, aber die Bilder, die dazu gehören, sind natürlich Teil unserer Existenz als Menschen. Wir bereiten uns darauf vor."

Weitere Informationen zur Ausstellung von Omer Fast auf der Website des Martin-Gropius-Baus Berlin.

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