Viagra für Frauen

Sexuelle Unlust ist zu komplex für eine kleine Pille

Ein Lippenstift-Kussmund an einem Hemdkragen
Mehr als nur Knutschen - ob Flibanserin wirklich die sexuelle Lust steigert ist fraglich. © Oliver Berg/dpa
Claudia Bozzaro im Gespräch mit Vladimir Balzer und Axel Rahmlow · 19.08.2015
In den USA kommt eine als "Pink Viagra" bekannte Sexpille für Frauen auf den Markt. Die Medizinethikerin Claudia Bozzaro zweifelt an der Wirksamkeit und fragt sich, ob das eigentliche Problem überhaupt erkannt wird.
Die Tablette, die jetzt als luststeigerndes Präparat für Frauen offiziell zugelassen wurde, ist ursprünglich ein Antidepressivum. Der Arzneistoff in dem Medikament nennt sich Flibanserin. Es soll eher psychisch als körperlich wirken.
Hilft das Mittel wirklich gegen sexuelle Unlust? Claudia Bozzaro, Medizinethikerin an der Universität Freiburg, ist sich unsicher. Vor allem bezweifelt sie, dass Studien, die aussagen, dass Millionen von Frauen keine oder wenig sexuelle Lust empfinden, in jedem Fall auch darunter leiden. Die Wissenschaftlerin kritisiert die Annahme, das sei wie eine Erkrankung zu behandeln:
"Man könnte auch einfach sagen, das ist eine natürliche Erscheinung und etwas, das sich im Laufe der Jahre im Rahmen einer Partnerschaft entwickeln kann, weil vielleicht andere Aspekte der Partnerschaft wichtiger werden."
Komplexe Phänomene
Sexuelle Lust und Unlust seien komplexe Phänomene, die sich massiv mit psychologischen Einflüssen verbinden. "Und ich frage mich, ob man tatsächlich dieses komplexe Phänomen hier mit einer kleinen Pille - ob sie rosa oder blau ist - lösen kann", sagte Claudia Bozzaro. Damit bagatellisiere man ein komplexes Problem. Darüberhinaus verwies die Medizinethikerin auf ein Problem der Gesellschaft und des medialen Einflusses. Es sei ein Problem vieler Menschen, anzunehmen, dass man immer leistungsstark sein müsse - auch im Liebesleben.
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