Very British
Im zweiten Teil des Operettenzyklus werden auf den Bregenzer Festspielen zwei englische Stücke aufgeführt: "Für Dich, Baby - Of Thee I Sing" von George Gershwin und "Hautnah - Skin Deep" von Davis Sawers. Eines ist beiden Werken gemein: der bissige Humor.
Am zweiten Abend des englischen Operettengastspiels in Bregenz folgte Gershwins "Of Thee I Sing" von 1931 – und wieder war entsetzt lachend zu bestaunen: Ira Gershwins Pulitzer-Preisgekrönte Handlung und Georges fetzige Songs entlarvten schon damals die Verlogenheit des amerikanischen Politik-Establishments.
Leider war damals, nach der ersten fundamentalen Wirtschaftskrise von 1929, schon alles da wie heute: Wahlkampf-Slogans als leere Hülsen; Ämtervergabe an ungeeignete, aber beherrschbare Nullen; aufgeblähte Unfähigkeit neben durchtriebener Berechnung; raffinierte Nutzung echter Werte zu banalen zwecken – und schon damals Politik als fröhliche Show, Mediendemokratie, in der allein die Bildoberfläche zählt.
Das erneut herrlich rollendeckende Ensemble der Opera North servierte also in Caroline Gawns temporeicher Regie: zunächst den Sieg des Wahlkampfslogans "Liebe", den Beauty-Wettbewerb um die schönste First Lady, dann aber die Heirat des Präsidenten mit der besten Muffin-Bäckerin, den Hochmut der französischen Diplomatie zugunsten einer Unterlegenen, die die illegitime Tochter eines illegitimen Sohnes eines illegitimen Neffen von Napoleon sein soll - und kurz vor Kriegsausbruch erfolgte die Rettung, weil der einfach liebenswert trottelige Vizepräsident mit der Dame verkuppelt wurde.
So viel fabelhaft überdrehte Absurditäten in Iras Texten und dazu Georges Fuß-Wipper-Songs – das provozierte auch durch Wyn Davies spitziges Dirigat einhelligen Jubel … und anschließend die Einsicht, dass die vermeintlich "leichte Muse" wunderbar provokant und bissig ist, wenn sie so gekonnt serviert wird. Ein Ohrwurm bleibt – und erinnert an alle Perversionen der Politik.
"Glattmachen, was die Natur zerknittert hat" – das ist das Motto des weltberühmten Schönheitschirurgen Dr. Needlemeier – oben in seiner höchst exklusiven, weil sündhaft teueren Privatklinik, irgendwo auf einem schweizerischen "Zauberberg", wo Träume von Jugend und gestylter Schönheit in Erfüllung gehen.
Das allein sind doch schon Themen, die voll in unser reales Leben greifen. Und wenn das nun auch noch einer von Englands 50 witzigsten Medien-Autoren, wenn das Armando Iannucci anpackt und mit dem gleichfalls bühnenerfahrenen Komponisten David Sawer entschlossen ist, alle damit verbundenen Sehnsüchte, Fixierungen und – ja, das Wort ist angebracht - Idiotien satirisch darzustellen, also zu entlarven – also da müsste doch ein wahrhaft "wahn-witzig" lustiger Abend herauskommen.
Librettist Iannucci hat auch viele Facetten gestaltet: den eitlen Halbgott Needlemeier; seine alternde Gattin, der er das entstellte Gesicht der geliebten Sekretärin Donna verpflanzt; der "ächt schwyzerisch" etwas rundliche Lieferant Robert, den die schon durchgestylte Needlemeier-Tochter liebt, aber nur nehmen darf, wenn er sich chirurgisch abspecken und verschönen lässt. Das Ergebnis: Er verliebt sich total narzistisch nur noch in sich selbst, woraufhin die Tochter sich auch zu einem "Robert" umoperieren lässt, damit er sich womöglich abermals auch in sie verliebt. Dazu noch ein Film-Weltstar, der sich "ewig gleich jung" erhalten lassen will.
Und dann noch ein bisschen Klon-Horror: Dr. Needlemeier braut an einem aus allen abschnippelten Teilchen der Schönen und Reichen zusammengekochten DNA-Elixier für ewige Jugend. Er klaut dem Filmstar den dafür unumgänglichen einen Hoden; herauskommen am Ende lauter Roberts und Donnas.
All das liest sich aberwitziger, als es auf der Bühne erscheint. Auch Regisseur Richard Jones konnte den vielen Themensträngen nicht den nötigen Bühnen-Drive geben.
Viel bitterer aber war noch die Erfahrung, dass "Plus und Plus" eben nicht "Erfolg" ergibt, dass auch in England die Bäume des zeitgenössischen musikalischen Theaters nicht in den Himmel wachsen. David Sawers Komposition amüsiert nicht. Vielmehr wird einem klar, wovon musikalischer Witz lebt: dass da erhaben Großes pfiffig verkleinert, verbogen, schräg zitiert wird – also das große Vorbild in der eigenen Erinnerung wachgerufen und dann sofort frech, bissig und entlarvend "missbraucht" wird.
Auch daran fehlte es dem dreiaktigen, am Ende zu langen Werk – da konnten auch das sichtbar hoch engagierte Dirigat von Richard Farnes und das gute Ensemble der Opera North aus Leeds nichts retten. So blieb es beim Gesamteindruck: das dreigeteilte Operetten-Gastspiel aus England brachte mit Schostakowitsch und Gershwin zwei Knüller und einen Flop.
Leider war damals, nach der ersten fundamentalen Wirtschaftskrise von 1929, schon alles da wie heute: Wahlkampf-Slogans als leere Hülsen; Ämtervergabe an ungeeignete, aber beherrschbare Nullen; aufgeblähte Unfähigkeit neben durchtriebener Berechnung; raffinierte Nutzung echter Werte zu banalen zwecken – und schon damals Politik als fröhliche Show, Mediendemokratie, in der allein die Bildoberfläche zählt.
Das erneut herrlich rollendeckende Ensemble der Opera North servierte also in Caroline Gawns temporeicher Regie: zunächst den Sieg des Wahlkampfslogans "Liebe", den Beauty-Wettbewerb um die schönste First Lady, dann aber die Heirat des Präsidenten mit der besten Muffin-Bäckerin, den Hochmut der französischen Diplomatie zugunsten einer Unterlegenen, die die illegitime Tochter eines illegitimen Sohnes eines illegitimen Neffen von Napoleon sein soll - und kurz vor Kriegsausbruch erfolgte die Rettung, weil der einfach liebenswert trottelige Vizepräsident mit der Dame verkuppelt wurde.
So viel fabelhaft überdrehte Absurditäten in Iras Texten und dazu Georges Fuß-Wipper-Songs – das provozierte auch durch Wyn Davies spitziges Dirigat einhelligen Jubel … und anschließend die Einsicht, dass die vermeintlich "leichte Muse" wunderbar provokant und bissig ist, wenn sie so gekonnt serviert wird. Ein Ohrwurm bleibt – und erinnert an alle Perversionen der Politik.
"Glattmachen, was die Natur zerknittert hat" – das ist das Motto des weltberühmten Schönheitschirurgen Dr. Needlemeier – oben in seiner höchst exklusiven, weil sündhaft teueren Privatklinik, irgendwo auf einem schweizerischen "Zauberberg", wo Träume von Jugend und gestylter Schönheit in Erfüllung gehen.
Das allein sind doch schon Themen, die voll in unser reales Leben greifen. Und wenn das nun auch noch einer von Englands 50 witzigsten Medien-Autoren, wenn das Armando Iannucci anpackt und mit dem gleichfalls bühnenerfahrenen Komponisten David Sawer entschlossen ist, alle damit verbundenen Sehnsüchte, Fixierungen und – ja, das Wort ist angebracht - Idiotien satirisch darzustellen, also zu entlarven – also da müsste doch ein wahrhaft "wahn-witzig" lustiger Abend herauskommen.
Librettist Iannucci hat auch viele Facetten gestaltet: den eitlen Halbgott Needlemeier; seine alternde Gattin, der er das entstellte Gesicht der geliebten Sekretärin Donna verpflanzt; der "ächt schwyzerisch" etwas rundliche Lieferant Robert, den die schon durchgestylte Needlemeier-Tochter liebt, aber nur nehmen darf, wenn er sich chirurgisch abspecken und verschönen lässt. Das Ergebnis: Er verliebt sich total narzistisch nur noch in sich selbst, woraufhin die Tochter sich auch zu einem "Robert" umoperieren lässt, damit er sich womöglich abermals auch in sie verliebt. Dazu noch ein Film-Weltstar, der sich "ewig gleich jung" erhalten lassen will.
Und dann noch ein bisschen Klon-Horror: Dr. Needlemeier braut an einem aus allen abschnippelten Teilchen der Schönen und Reichen zusammengekochten DNA-Elixier für ewige Jugend. Er klaut dem Filmstar den dafür unumgänglichen einen Hoden; herauskommen am Ende lauter Roberts und Donnas.
All das liest sich aberwitziger, als es auf der Bühne erscheint. Auch Regisseur Richard Jones konnte den vielen Themensträngen nicht den nötigen Bühnen-Drive geben.
Viel bitterer aber war noch die Erfahrung, dass "Plus und Plus" eben nicht "Erfolg" ergibt, dass auch in England die Bäume des zeitgenössischen musikalischen Theaters nicht in den Himmel wachsen. David Sawers Komposition amüsiert nicht. Vielmehr wird einem klar, wovon musikalischer Witz lebt: dass da erhaben Großes pfiffig verkleinert, verbogen, schräg zitiert wird – also das große Vorbild in der eigenen Erinnerung wachgerufen und dann sofort frech, bissig und entlarvend "missbraucht" wird.
Auch daran fehlte es dem dreiaktigen, am Ende zu langen Werk – da konnten auch das sichtbar hoch engagierte Dirigat von Richard Farnes und das gute Ensemble der Opera North aus Leeds nichts retten. So blieb es beim Gesamteindruck: das dreigeteilte Operetten-Gastspiel aus England brachte mit Schostakowitsch und Gershwin zwei Knüller und einen Flop.