Verwunderliches aus Deutschland und den USA

Rezensiert von Adelheid Wedel · 14.07.2006
Die US- Entertainerin Gayle Tufts lebt schon länger in Deutschland. Ihr zweites Buch ist jetzt als Hörbuch erschienen, mit dem entscheidenden Vorteil: Das Lesen des Textes kann höchstens halb so viel Spaß machen wie das zweisprachige Hören. Gayle Tufts spricht schnell, deutlich, temperamentvoll, manchmal ein wenig getrieben, als könnte sie gar nicht schnell genug ihre kleinen Geschichten loswerden.
"Sie hören Miss America, von und mit Gayle Tufts."

Wie ein Konzertprogramm ist dieses Hörbuch aufgebaut, beginnend mit einem richtigen Entreè. Eine Amerikanerin in Berlin, so der Name einer früheren Geschichtensammlung, die sich jetzt zur Miss America ausruft. Das verrät Selbstbewusstsein, ja sogar Sendungsbewusstsein, denn eigentlich wird man zur Miss ja von anderen erwählt. Sei es drum, wir haben es hier nicht mit einer platinblonden, sondern brünetten, keinem Busenwunder, das Größe XS, sondern eher XL trägt, mit einer fröhlichen komödiantischen Entertainerin zu tun, die ihre blitzgescheiten Beobachtungen mit hintergründigem Witz und gespielter Unschuld unter die Leute bringt.

Aufgewachsen in den USA fühlt sie sich inzwischen in old Germany zu Hause. Und jedermann fragt natürlich warum? War es Zufall oder?

"Ich zum ersten Mal in Europa mit Jetleg und Durst. Ich bestellte ein Bier, weil ich kein Wort Deutsch sprechen konnte damals und das Wort Bier klingt genau so wie in Englisch. Praktisch."

"Eine meiner ersten Kindheitserinnerungen ist der Klang von fallenden Kegel, während mein Vater Bier zapft."

"Ich nahm meinen ersten Schluck frisch gezapftes deutsches Bier und schmeckte meine Wurzeln."

"Ich war zu Hause."

Ihre Freude über die neu gewonnene Heimat schwingt in allen Texten mit, selbst wenn sie sich lustig macht über komische Angewohnheiten der Deutschen, über den Putzfimmel mancher Hausfrau, über die Pedanterie bei der Mülltrennung zum Beispiel. Und munter wechselnd, so wie der Blick abwechselnd auf Deutschland und auf Amerika fällt, wählt sie, um sich treffender auszudrücken mal, die englische, mal die deutsche Sprache.

Das brachte ihr den Ruf "Königin des Denglish" ein. Manche Zeitungen feiern sie gar als Erfinderin dieses Sprachenzwitters. Das ist übertrieben, denn der Begriff existiert schon länger, aber dass Gayle Tufts diese Ausdrucksmöglichkeit nutzt, ja zur Vollendung bringt, das bleibt unbestritten.

"Nach meinem amerikanischen Abenteuerurlaub bin ich wieder zu Hause in Berlin und ich bin very, very froh darüber. Ich habe so viel zu erzählen. Where do I begin?"

Hier kommt ein wahrer Vorzug des Hörbuchs zur Geltung. Das Lesen des Textes kann höchstens halb so viel Spaß machen wie das zweisprachige Hören. Gayle Tufts spricht schnell, deutlich, temperamentvoll, manchmal ein wenig getrieben, als könnte sie gar nicht schnell genug ihre kleinen Geschichten loswerden. Eine Storytellerin ist sie, die Erlebtes gewissermaßen dokumentarisch weitergibt. Als ergiebiges Thema entdeckt sie die deutschen Männer:

"Für viele amerikanische Frauen sind deutsche Männer ein sinnliches Geschenk, eine Fango-Packung für die Seele. Sie sind langsamer und konsequenter. Sie nehmen sich Zeit, riechen meistens gut, können Kaffee kochen und wissen, wie man richtig Müll trennt und warum. Amerikanische Frauen wissen dafür, wie man ein bisschen Feuer unter dem seit drei Stunden im Dunklen Zeitung lesenden Arsch zündet."

Und wie in anderen Geschichten, so führt uns die Entertainerin auch hier vom Allgemeinen zum Besonderen: von den Männern zu dem Mann:

"Lutz hört mir zu, hält mich fest, korrigiert nicht immer mein falsches Deutsch und kocht herrlichen Milchreis, wenn ich durchdrehe. Das ist wahre amerikanisch-deutsche Liebe."

Wen wundert es, wenn sie, nach ihrem deutschen Lieblingswort gefragt, nur ein Wort wählt:

"Für mich ist das schönste deutsche Wort Liebe. Nicht nur wegen der Bedeutung and weil es das ist, was unsere Welt jetzt dringend braucht. Aber als ich dann zum ersten Mal den schönsten Satz 'Ich liebe dich' gehört habe, war ich hin und weg. Liebe ist viel, viel schöner als Love. Liebe hat dieses i wie ija, gefolgt by the wonderful be. I love that be. Es verspricht Spaß und Energie und Hoffnung und Durchhaltevermögen."

Gayle Tufts ist gern in Berlin zu Hause, sie hat sich - inzwischen mit 15 Programmen - der Sprache und dem Land angenähert, ohne ihren amerikanischen Blick zu verlieren. Aus diesem Blickwinkel entdeckt sie Komisches, Verwunderliches, Auffälliges im Alltag sowohl in den USA als auch in Deutschland.

Als Comedian entdeckt sie all die Absurditäten, tischt sie uns auf, quasi im Zwei-Gänge-Menü Deutsch-Englisch und sorgt dafür, dass wir es mit Gewinn verdauen. Gayle Tufts bleibt mit ihrem hintergründigen Humor und ihrer überschäumenden Lebensfreude frech und freundlich, wissend und naiv, jemand, der Entdecktes gern weitergibt und unablässig auf der Suche nach neuen Effekten ist. Das Hörbuch steckt voller Sprachwitz, ist unterhaltsam und bildend.

"Who could ask für anything more?"


Gayle Tufts: Miss America
Autorenlesung.
Der Audio Verlag, Berlin 2006, 1 CD mit Booklet, Laufzeit 77 min.