Versunkene Welten
1961 wurde die 1628 gesunkene Vasa nach langer Vorbereitung wieder gehoben. Dieses Ereignis gilt als Geburtsstunde der modernen Meeresarchäologie. Inzwischen haben Archäologen weltweit den Meeresgrund als neues Forschungsterrain entdeckt. Das Buch "Es war einmal ein Schiff" erzählt umfassend von dieser Annäherung einer buchstäblich versunken geglaubten Vergangenheit.
Es ist ein Sachbuch, das einen märchenhaften Titel trägt: "Es war einmal ein Schiff", aber sein Untertitelt verrät, wohin die Reise geht: "Archäologische Expeditionen zum Meer". Herausgegeben haben es zwei Berufene: Claus von Carnap-Bornheim, unter anderem Leiter des Archäologischen Landesmuseums Schloss Gottdorf, und dessen ehemaliger Mitarbeiter Christian Radtke, beide Experten für die Geschichte des Nord- und Ostseeraums.
Inhaltlich bietet dieses Buch strikte Wissenschaft, die auf archäologischen Funden des Nord- und Ostseeraumes beruht; es versammelt 12 wissenschaftliche Aufsätze von insgesamt 13 verschiedenen Autoren, die alle hauptberuflich zum Thema der Geschichte Nordeuropas forschen, von der Steinzeit um 5500 v. Chr. über die Römer zu den Wikingern und bis ins 17. und 18. Jahrhundert hinein, immer mit dem Fokus auf Küste und Meer.
"Es war einmal ein Schiff" beschreibt sowohl archäologische Funde der letzten 100 Jahre als auch aktuelle: So geht es den Archäologen im Moment zum Beispiel darum, im nordfriesischen Wattenmeer weitere Spuren des "deutschen Atlantis" zu finden, jener 1632 im Meer versunkenen Siedlung Rungholdt, - Archäologie gestaltet sich als detektivische Kleinarbeit.
Neun der insgesamt zwölf Forschungsberichte des Buches beschäftigen sich mit der Seefahrt im Allgemeinen, und nur drei behandeln konkrete Schiffsunikate: das bekannteste ist sicherlich die 1628 gesunkene Vasa. Die Vasa gilt praktisch als die schwedische Titanic, das Schiff wurde 1961 gehoben und ist heute das am aufwendigsten restaurierte Schiffswrack weltweit (www.vasamuseet.se). Die anderen beiden in dem Buch vorgestellten Schiffe sind das so genannte "Hjortenspring-Boot", das um 350 v. Chr. in einem dänischen Moor als Opfergabe für die Götter versenkt wurde, und das dritte, ein Wikinger-Boot, das um 850 vergraben wurde und als Gruft für einen dänischen König diente.
Grundsätzlich sei angemerkt, dass manche der zwölf wissenschaftlichen Aufsätze eher ein Insiderpublikum interessieren dürften, der Laie wird vermutlich enttäuscht sein, wenn er sich unter anderem mit einem 30-Seiten-Aufsatz über die Schiffsnieten der Hansekoggen konfrontiert sieht.
Andererseits dürfte es auch für den Normalleser spannend und überraschend sein, zu erfahren, dass die Steinzeitmenschen in Nordeuropa um 3000 v. Chr. in manchen Kulturtechniken viel weiter entwickelt waren als die ägyptischen Pyramidenbauer:
So gibt es archäologische Beweise (Edelmetall- und Feuersteinfunde) dafür, dass schon um 3000 v. Chr. Hochseeschifffahrt existierte, also England, Irland und auch Helgoland von Schiffen angelaufen wurden, was unser übliches Geschichtsbild auf den Kopf stellt, nach dem frühzeitliche Innovation immer aus dem Mittelmeerraum kam.
Trotzdem aber entwickelt das Buch leider nur sehr indirekt ein neues kulturhistorisches Geschichtsbild Nordeuropas beziehungsweise Europas. Man wünschte sich ein eigenes Kapitel, das all die hervorragenden archäologischen Einzelergebnisse editorisch zusammenfasst, sie historisch-politisch interpretiert und Nordeuropa als eigenständige Geburtsstätte europäischer Kultur beschreibt, das also abrückt von der üblichen Lehrmeinung jenes Nord-Süd-Gefälles: im Norden die Barbaren, im Süden die Kultur. Wünschenswert wäre sicherlich auch eine ergänzende Beschreibung der Gesellschaftsstrukturen der so genannten Wikinger-Kulturen gewesen, die zum Beispiel schon Formen der demokratischen Abstimmung kannten und bei denen auch Frauen über weitgehende Rechte verfügten.
Archäologiefans und Historiker werden nichtsdestotrotz begeistert sein. "Es war einmal ein Schiff" enthält über 100 farbigen Abbildungen und Karten und einen Laien dürfte dieses Buch zumindest neugierig machen, selbst einmal jene Schauplätze der archäologischen Funde zu besuchen: an der Ostsee, im nordfriesischen Wattenmeer oder zum Beispiel das Museum Schloss Gottdorf in Schleswig-Holstein, dessen Direktor der eine der beiden Herausgeber ist.
Rezensiert von Lutz Bunk
Claus von Carnap-Bornheim/Christian Radtke (Hg.): Es war einmal ein Schiff. Archäologische Expeditionen zum Meer
Marebuchverlag 2007
359 Seiten, 110 farbige Abbildungen und Karten, 34,90 Euro
Inhaltlich bietet dieses Buch strikte Wissenschaft, die auf archäologischen Funden des Nord- und Ostseeraumes beruht; es versammelt 12 wissenschaftliche Aufsätze von insgesamt 13 verschiedenen Autoren, die alle hauptberuflich zum Thema der Geschichte Nordeuropas forschen, von der Steinzeit um 5500 v. Chr. über die Römer zu den Wikingern und bis ins 17. und 18. Jahrhundert hinein, immer mit dem Fokus auf Küste und Meer.
"Es war einmal ein Schiff" beschreibt sowohl archäologische Funde der letzten 100 Jahre als auch aktuelle: So geht es den Archäologen im Moment zum Beispiel darum, im nordfriesischen Wattenmeer weitere Spuren des "deutschen Atlantis" zu finden, jener 1632 im Meer versunkenen Siedlung Rungholdt, - Archäologie gestaltet sich als detektivische Kleinarbeit.
Neun der insgesamt zwölf Forschungsberichte des Buches beschäftigen sich mit der Seefahrt im Allgemeinen, und nur drei behandeln konkrete Schiffsunikate: das bekannteste ist sicherlich die 1628 gesunkene Vasa. Die Vasa gilt praktisch als die schwedische Titanic, das Schiff wurde 1961 gehoben und ist heute das am aufwendigsten restaurierte Schiffswrack weltweit (www.vasamuseet.se). Die anderen beiden in dem Buch vorgestellten Schiffe sind das so genannte "Hjortenspring-Boot", das um 350 v. Chr. in einem dänischen Moor als Opfergabe für die Götter versenkt wurde, und das dritte, ein Wikinger-Boot, das um 850 vergraben wurde und als Gruft für einen dänischen König diente.
Grundsätzlich sei angemerkt, dass manche der zwölf wissenschaftlichen Aufsätze eher ein Insiderpublikum interessieren dürften, der Laie wird vermutlich enttäuscht sein, wenn er sich unter anderem mit einem 30-Seiten-Aufsatz über die Schiffsnieten der Hansekoggen konfrontiert sieht.
Andererseits dürfte es auch für den Normalleser spannend und überraschend sein, zu erfahren, dass die Steinzeitmenschen in Nordeuropa um 3000 v. Chr. in manchen Kulturtechniken viel weiter entwickelt waren als die ägyptischen Pyramidenbauer:
So gibt es archäologische Beweise (Edelmetall- und Feuersteinfunde) dafür, dass schon um 3000 v. Chr. Hochseeschifffahrt existierte, also England, Irland und auch Helgoland von Schiffen angelaufen wurden, was unser übliches Geschichtsbild auf den Kopf stellt, nach dem frühzeitliche Innovation immer aus dem Mittelmeerraum kam.
Trotzdem aber entwickelt das Buch leider nur sehr indirekt ein neues kulturhistorisches Geschichtsbild Nordeuropas beziehungsweise Europas. Man wünschte sich ein eigenes Kapitel, das all die hervorragenden archäologischen Einzelergebnisse editorisch zusammenfasst, sie historisch-politisch interpretiert und Nordeuropa als eigenständige Geburtsstätte europäischer Kultur beschreibt, das also abrückt von der üblichen Lehrmeinung jenes Nord-Süd-Gefälles: im Norden die Barbaren, im Süden die Kultur. Wünschenswert wäre sicherlich auch eine ergänzende Beschreibung der Gesellschaftsstrukturen der so genannten Wikinger-Kulturen gewesen, die zum Beispiel schon Formen der demokratischen Abstimmung kannten und bei denen auch Frauen über weitgehende Rechte verfügten.
Archäologiefans und Historiker werden nichtsdestotrotz begeistert sein. "Es war einmal ein Schiff" enthält über 100 farbigen Abbildungen und Karten und einen Laien dürfte dieses Buch zumindest neugierig machen, selbst einmal jene Schauplätze der archäologischen Funde zu besuchen: an der Ostsee, im nordfriesischen Wattenmeer oder zum Beispiel das Museum Schloss Gottdorf in Schleswig-Holstein, dessen Direktor der eine der beiden Herausgeber ist.
Rezensiert von Lutz Bunk
Claus von Carnap-Bornheim/Christian Radtke (Hg.): Es war einmal ein Schiff. Archäologische Expeditionen zum Meer
Marebuchverlag 2007
359 Seiten, 110 farbige Abbildungen und Karten, 34,90 Euro