Versunken in den Welten der Fantasie
Die ägyptische Autorin zeichnet das Bild eines dörflichen Lebens in den 1980iger Jahren – und erzählt von Frauen, die aus diesem Leben ausbrechen. Die autobiografischen Bezüge sind deutlich wahrnehmbar. Doch zum Schluss ist die Protagonistin genauso ratlos wie zu Beginn.
Traum oder Wirklichkeit – immer wieder stellt sich in dem Roman der ägyptischen Schriftstellerin diese Frage, denn ihre Protagonistin Salma versinkt des Öfteren in den Welten der Fantasie. Es sind bisweilen grausige Wahnvorstellungen, die sie verfolgen. So glaubt sie gleich zu Beginn des Buches, ihre beste Kindheitsfreundin Gamila erstochen zu haben, träumt von einem wahren Blutbad.
Salma steckt in einer Krise. Eigentlich lebt sie in Kairo, ist dort Journalistin an einer Literaturzeitschrift. Doch seit ihr Mann, ein Pakistani, sie verlassen hat, ist sie verzweifelt, versteht sie selbst nicht mehr und sucht in ihrer Vergangenheit eine Erklärung für ihre Unfähigkeit, den Mann zu halten. Sie kehrt zu ihrer Familie in einem kleinen Dorf am Nil zurück, vergräbt sich dort in ihrem früheren Zimmer, verschläft die Tage und verbrennt schließlich eine ganze Kiste alter Papiere auf dem Hof. Doch die Flammen können die Erinnerungen nicht verbrennen, die in ihr aufsteigen.
Sie sind der rote Faden, der das Buch zusammenhält. Es ist die Geschichte einer großen Familie, sehr unterschiedlicher Väter und Söhne, Mütter und Töchter. Über ein Dutzend Familienmitglieder wird uns vorgestellt – und zwar in immer wieder neuen Episoden, so dass man sich in dem weit verzweigten Netz leicht verheddert. Hat man kein fotographisches Gedächtnis, muss man bisweilen im Personenverzeichnis nachschlagen, um sich in den Beziehungen der Figuren zueinander zurechtzufinden.
Salmas Erinnerungen folgen keiner festen Chronologie. Sie springen hin und her, verbinden Heutiges mit Vergangenem. Mal erzählt sie vom tödlichen Unfall des Vaters ihrer Freundin, dann von der Suche nach einem ertrunkenen Fischersohn, ruft sich ein schwachsinniges Mädchen in Erinnerung, das von ihrem Vater mit Ketten ans Bett ihres Zimmers gefesselt wurde, denkt über den mysteriösen Tod ihrer Tante mütterlicherseits nach.
Salma und ihre beiden Geschwister wuchsen in relativem Wohlstand auf. Ihr Vater war ein schlechter Geschäftsmann, hielt nicht viel von Religion, besuchte nur selten die Moschee, stritt gerne mit dem Dorfgeistlichen, trank Alkohol. Als die Koranlehrerin der Koranschule seine Tochter maßregelt, verbietet er ihr deren weiteren Besuch.
Allmählich entsteht so das Bild eines dörflichen Lebens im Ägypten der 1980iger Jahren mit seinen Sitten und Gebräuchen, seinen Moralvorstellungen und abergläubischen Mythen. Es ist auch eine Geschichte über Frauenemanzipation, obwohl dieses Wort kein einziges Mal in dem Roman fällt, denn Salma und ihre Freundin Gamila brechen aus der Tradition früh verheirateter Frauen aus, verlassen das Dorf, um zu studieren und beginnen in Kairo ein eigenes Leben. Die autobiografischen Bezüge sind deutlich wahrnehmbar. Die Schriftstellerin stammt selbst aus einem kleinen Dorf und kennt die Verhältnisse aus eigener Anschauung.
Mansura Eseddin lässt ihren Roman im Ungewissen enden. Nichts wird gelöst. Salma, ihre erzählende Protagonistin, bleibt so ratlos zurück, wie sie es zu Beginn des Buches ist.
Besprochen von Johannes Kaiser
Mansura Eseddin: Hinter dem Paradies
Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich
Unionsverlag Zürich 2011
190 Seiten, 19.90 EUR
Salma steckt in einer Krise. Eigentlich lebt sie in Kairo, ist dort Journalistin an einer Literaturzeitschrift. Doch seit ihr Mann, ein Pakistani, sie verlassen hat, ist sie verzweifelt, versteht sie selbst nicht mehr und sucht in ihrer Vergangenheit eine Erklärung für ihre Unfähigkeit, den Mann zu halten. Sie kehrt zu ihrer Familie in einem kleinen Dorf am Nil zurück, vergräbt sich dort in ihrem früheren Zimmer, verschläft die Tage und verbrennt schließlich eine ganze Kiste alter Papiere auf dem Hof. Doch die Flammen können die Erinnerungen nicht verbrennen, die in ihr aufsteigen.
Sie sind der rote Faden, der das Buch zusammenhält. Es ist die Geschichte einer großen Familie, sehr unterschiedlicher Väter und Söhne, Mütter und Töchter. Über ein Dutzend Familienmitglieder wird uns vorgestellt – und zwar in immer wieder neuen Episoden, so dass man sich in dem weit verzweigten Netz leicht verheddert. Hat man kein fotographisches Gedächtnis, muss man bisweilen im Personenverzeichnis nachschlagen, um sich in den Beziehungen der Figuren zueinander zurechtzufinden.
Salmas Erinnerungen folgen keiner festen Chronologie. Sie springen hin und her, verbinden Heutiges mit Vergangenem. Mal erzählt sie vom tödlichen Unfall des Vaters ihrer Freundin, dann von der Suche nach einem ertrunkenen Fischersohn, ruft sich ein schwachsinniges Mädchen in Erinnerung, das von ihrem Vater mit Ketten ans Bett ihres Zimmers gefesselt wurde, denkt über den mysteriösen Tod ihrer Tante mütterlicherseits nach.
Salma und ihre beiden Geschwister wuchsen in relativem Wohlstand auf. Ihr Vater war ein schlechter Geschäftsmann, hielt nicht viel von Religion, besuchte nur selten die Moschee, stritt gerne mit dem Dorfgeistlichen, trank Alkohol. Als die Koranlehrerin der Koranschule seine Tochter maßregelt, verbietet er ihr deren weiteren Besuch.
Allmählich entsteht so das Bild eines dörflichen Lebens im Ägypten der 1980iger Jahren mit seinen Sitten und Gebräuchen, seinen Moralvorstellungen und abergläubischen Mythen. Es ist auch eine Geschichte über Frauenemanzipation, obwohl dieses Wort kein einziges Mal in dem Roman fällt, denn Salma und ihre Freundin Gamila brechen aus der Tradition früh verheirateter Frauen aus, verlassen das Dorf, um zu studieren und beginnen in Kairo ein eigenes Leben. Die autobiografischen Bezüge sind deutlich wahrnehmbar. Die Schriftstellerin stammt selbst aus einem kleinen Dorf und kennt die Verhältnisse aus eigener Anschauung.
Mansura Eseddin lässt ihren Roman im Ungewissen enden. Nichts wird gelöst. Salma, ihre erzählende Protagonistin, bleibt so ratlos zurück, wie sie es zu Beginn des Buches ist.
Besprochen von Johannes Kaiser
Mansura Eseddin: Hinter dem Paradies
Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich
Unionsverlag Zürich 2011
190 Seiten, 19.90 EUR