Versteck im Vogelnest

Von Michael Engel · 03.09.2013
"Geocaching" – das ist eine Art elektronische Schnitzeljagd und für immer mehr Menschen ein großer Spaß. Jemand versteckt etwas in der Landschaft, veröffentlicht die Positionsdaten im Internet. Andere laden sie herunter und beginnen zu suchen. Das stiftet Unruhe in Wald und Natur und besorgt die Förster.
Stefan mag den Wald. Besonders in der Nacht. Dann ist es "schön gruselig". Mit dem GPS-Gerät in der Hand streift er durch die Finsternis - auf der Suche nach dem nächsten Versteck.

"Also was ich gerne mache, das sind so Caches mit einer höheren Schwierigkeit. Das sind solche Geschichten, wo man sich abseilen muss."

Jäger und Förster sind wenig erfreut über die "elektronische Schnitzeljagd" im Wald. Denn mittlerweile sind es einfach zu viele, die sich die Positionsdaten aus dem Internet herunterladen, und sich einen Spaß daraus machen, nach den Verstecken zu suchen. Dazu bedarf es nicht einmal besonderer Geräte. Schon die Smartphones haben GPS an Bord.

Susanne: "Mein GPS sagt jetzt noch 220 Meter. Ich bin jetzt hier schon mitten im Wald. Also folge einfach mal dem Pfeil, den er mir angibt. Mal schauen, was mich erwartet."

Manche Verstecke – sogenannte "Caches" – ziehen bis zu 3000 Besucher pro Jahr an. Das heißt, durchschnittlich alle drei Stunden kommt eine Gruppe von Geocachern vorbei. Pflanzen werden platt getreten, Tiere vertrieben, Nistplätze zerstört, beklagt sich Hans-Martin Roese von den Niedersächsischen Landesforsten.

Hans-Martin Roese: "Es gibt große Informationslücken und auch Wissenslücken, dass man eben keine Caches in Höhlen reinlegt. Dass man auch nicht in der Nacht die Tiere ständig stört. Denn das ist ein sehr verbreitetes Caching – also ´Nachtcaching`. Und das ist eine Nutzung in intensiven, dicht besiedelten Gebieten, wo wir einfach sagen, das müsst ihr vermeiden."

Um Pflanzen und Tiere zu schützen, dachte sich Hans-Martin Roese anfangs noch, könne man das Problem ganz einfach lösen. Er nahm die Caches – in der Regel kleine, wasserdichte Filmdosen mit einem Zettel drin – einfach mit. Folge: Schon der nächste Geocacher, der den Verlust bemerkt, stellt die Information ins Internet. Schnell ist die Dose wieder da, und wenn man Pech hat, so Dirk Strauch von den Landesforsten, auch noch weitere Caches in unmittelbarer Nähe.

Dirk Strauch: "Wir haben es jetzt ein paar mal schon so ausprobiert, dass wir als Förster, wenn wir gemerkt haben, da liegt ein Cache in einer Fledermaushöhle, dass wir da schon mal einen kleinen Zettel reingelegt haben: ´Bitte um kurze Rücksprache!` Förster XY. Um dann überhaupt in den Kontakt mit denjenigen zu treten, die diesen Cache beispielsweise da ausgelegt haben und betreuen, um dann nach einem neuen Cache oder einem neuen Versteck zu suchen, das dann nicht die Fledermäuse stört."

Bei Bedarf anrufen
Am besten wäre es, so der Förster, dass diejenigen, die Verstecke im Wald anlegen, eine Telefonnummer mitliefern, um im Bedarfsfall schneller in Kontakt zu kommen. Verbieten will man das Geocaching in den Staatsforsten nicht. Gerne aber in geordnete Bahnen lenken.

Strauch: "Wir finden das auch toll, dass sich mittlerweile Menschen mit modernen Geräten in der Natur aufhalten und sich überhaupt mit der Natur beschäftigen. Wir von den Landesforsten haben aber auch gemerkt, dass es sicherlich gut ist, wenn man auch mal Tipps und Hinweise geben könnte, wie man Geocaching sensibel mit der Natur und im Einklang mit der Natur betreibt und deshalb haben wir jetzt gerade auch in Zusammenarbeit mit Geocachern Hinweise und Tipps zum Geocaching im Wald herausgegeben."

Nachzulesen sind die Empfehlungen für ein naturverträgliches Geocaching auf der Homepage der Niedersächsischen Landesforsten. So sollten die Verstecke nicht in Baumhöhlen angelegt werden, da dort Jungvögel oder Rote-Liste-Tierarten wie Fledermäuse leben können. Ebenso bitten die Forstleute darum, nicht während der Dunkelheit auf Schatzsuche zu gehen. Bei sogenannten "Baumcaches" bitte keine Nägel in die Stämme schlagen. Auch die Verwendung von Steigeisen oder Haken sollte unterbleiben. Noch einmal Hans-Martin Roese.

"Diese ganzen Dinge können einen Privatwaldbesitzer ganz anders betreffen. Wenn jemand nur zehn Hektar hat und der hat eine Cache-Reihe da drin, dann kann er wesentlich beeinträchtigt sein durch die Cache. Und dort ist es ganz klar so, dass diese Duldung, die wir hier ausgesprochen haben, bei dem Privatwaldbesitzer unter Umständen gar nicht gilt."

Wer einen Gegenstand im Forst verstecken will, sollte erst einmal in Erfahrung bringen, wem der Wald gehört. Im Privatwald – immerhin 70 Prozent der Waldfläche in Niedersachsen – muss der Eigentümer gefragt werden. In Naturschutzgebieten wiederum gilt ein "Wegegebot". Verstecke dürfen dort nur im Bereich der ausgewiesenen Pfade angelegt werden. Zudem gelten in den Staatsforsten der Länder unterschiedliche Regeln. In Hessen zum Beispiel sind "Baumcaches verboten, nicht aber in Niedersachsen. Markus Gründel, Geocacher der ersten Stunde und Buchautor, sieht die Probleme eher bei den vielen Neulingen der Szene.

Markus Gründel: "Also es ist so, dass "Otto-Normal-Cacher" - ich sag‘ mal - ein Mensch wie Du und ich ist, der auch nicht tiefer in dem Umweltthema drin steckt. Ich denke, da wird nichts böswillig gemacht. Wenn er sich tiefer informiert hätte, dann hätte er gesagt, na klar, ist das logisch. Das klingt hier in meinem Büchlein auch an: Leute, gesunden Menschenverstand einschalten und danach handeln …"

Auch die organisierten Geocacher haben reagiert: Internetseiten wie Geocaching- oder Opencaching.de verweisen auf einschlägige Verordnungen in Naturschutzgebieten und geben viele Tipps für ein naturverträgliches Geocaching.
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