Verschiedene Komödien
"Shine a Light" dokumentiert ein Konzert der Rolling Stones aus vielen Kameraperspektiven. "Hardcover" ist eine deutsche Komödie. "Caramel" zeigt handfeste Probleme von Frauen in der orientalischen Welt auf amüsante Art. "Und wenn sie nicht gestorben sind…" porträtiert das Leben von fünf ehemaligen Golzower Schulanfängern.
"Shine a Light"
USA 2007. Regie: Martin Scorsese, Albert Maysles. Mit den Rolling Stones und Gastauftritten von Jack White, Christina Aguilera und Buddy Guy. Farbe, 120 Minuten
"Shine A Light " von Martin Scorsese war der Berlinale-Eröffnungsfilm in diesem Jahr. Zusammen sind sie 252 Jahre alt: Der "Oscar"-Preisträger Martin Scorsese (65/"Departed - Unter Feinden"), der sich mit Klassikern wie "Hexenkessel" (1973), "Taxi Driver" (1976), "Wie ein wilder Stier" (1980), "Die Farbe des Geldes" (1986), "GoodFellas" (1990), "Casino" (1995) und "Aviator" (2004) zu einem der besten und einflussreichsten Regisseure des späten 20. Jahrhunderts emporgearbeitet hat, und die seit 1962 existierende Rock-Band The Rolling Stones, als da wären – Mick Jagger (64), Keith Richards (64), Ron Wood (60), Charlie Watts (66).
Im Herbst 2006 hat Scorsese zwei Stones-Konzerte im New Yorker "Beacon Theatre" mit 16 der besten Kameraleute überhaupt eingefangen. Herausgekommen ist der definitive Konzert-Film; herausgekommen ist ein Film über die schärfste Oldie-Rock-Band der Welt (Motto: Die Pflegefall-Generation mit Gitarre anstatt Rollator...); herausgekommen ist ein phantastischer Blick auf bzw. in die Seele des Rock ’n’ Roll. Losgelöst vom "Siegen-/Überzeugen-Müssen", von all den blöden wie ertragreichen Business-Allüren, können die Stones die Bühne als ihren Privat-Kosmos betrachten, um dort mit Genuss loszulassen. Dabei kommt man eben so porentief-nah an die Urgesteine des Rock heran wie es vor Ort, bei einem Live-Konzert, nie möglich wäre.
Erlebt ihre Songs, sieht ihre Bewegungen, ihre Reaktionen, ihre Poker-Faces so dicht, spannend, pointiert wie noch nie. Dazu: Klasse Gast-Auftritte von Jack White von den "White Stripes", Christina Aguilera und der Blues-Legende BUDDY GUY. "Shine A Light", zwischendurch-gewürzt mit süffisanten Interview-Fetzen von Annodunnemal ("Wie lange wollen Sie das eigentlich noch machen?"/1964; "Können Sie sich vorstellen, auch noch mit 60 Musik zu machen?") sowie mit heutigen Aussagen, ist ein filmischer wie musikalischer Show-/Entertainment-Meilenstein und strahlt Spiel - Spaß - Spannung - Show - Staunen - Stimmung, Charisma und Lust, also Emotionen pur auf allerhöchstem Niveau aus. Die Bunte-Bühne-Kino als Klasse-Power-Fieber-Melder in Sachen Rock ’n’ Roll bzw.: Ein wunderbares wie stimmungsvolles wie höchst-vergnügliches Dokument über die Populärkultur überhaupt. Mit einer hübschen Schluss-Pointe: Die Schlacht ist geschlagen, die Show vorüber, die Helden sind merklich müde, man dackelt in Richtung Ausgang, darunter auch Keith Richards. Ein Männeken steht herum, Keith spricht ihn ruhig an: "Können Sie mir mal bitte in den Mantel helfen?" Köstlich.
"Hardcover"
Deutschland 2008, Regie: Christian Zübert. Darsteller: Lukas Gregorowicz, Wotan Wilke Möhring, Justus von Dohnanyi, Martin Semmelrogge, Eric Bouwer. Länge: 90 Minuten.
"Hardcover" ist ein Film von Christian Zübert. Der am 27. August 1973 in Würzburg geborene Filmemacher fiel 2001 gleich mit seinem Debütfilm, der Anarcho-Komödie "Lammbock" (mit Moritz Bleibtreu und Lucas Gregorowicz), "interessant" auf. 2004 entstand der Kinderfilm "Der Schatz der weißen Falken". Nach Drehbüchern für zuletzt "Vollidiot" und "Die rote Zora" nun also sein dritter eigener Kinofilm. Mit-Produzent bei diesem 3,5 Millionen Euro-Projekt ist unter anderen Sönke Wortmann ("Deutschland, ein Sommermärchen"; "Das Wunder von Bern"). Thema: Der Zarte und der Harte. Oder: Der Zaudernde und der Schmarotzer. Zwei unterschiedliche Möchte-Gern-Gurus von heute: Christoph, 31, trägt Minipli-Frisur, arbeitet lustlos in einer Düsseldorfer Autovermietung und ist zugleich Autor von Krimi-Groschenromanen. Der Solist träumt aber von "mehr", tendiert in Hardcover-Richtung "James Ellroy, Elmore Leonard oder so". Benötigt aber dafür, wie er meint, mehr "praktische Einsichten". Als ihm der Kleinkriminelle Dominik über den Weg läuft, ist der für ihn "die Richtung" in Sachen Inspiration. Glaubt er. Christoph hängt sich an ihn ’ran und fühlt sich doch sogleich "in der Wirklichkeit" auch laufend überfordert. Ein Buddy-Movie. Mit zwei völlig gegensätzlichen Typen. Die sich so langsam aber sicher anriechen und sich bei ihren Mehr-Tiefs als Hochs zusammenraufen. Das ist im Film nichts Neues, kommt aber in seiner ulkigen Mixtur aus lakonischer Stimmung und klamottigen Motiven ganz unterhaltsam rüber. Vor allem, weil die beiden Hauptakteure prima abdampfen: Lucas Gregorowicz (31) gibt den schüchternen, aber nicht unsympathischen Laien-Schnüffler genau in der noch überzeugenden Balance zwischen Charme-Quatsch und Okay; während Wotan Wilke Möhring (30), mit Goldkettchen und in Camouflage-Hose, den penetranten Sprücheklopfer und Eierdieb ("Alles fit for fun?") auch prickelnd-komisch "trifft". Ein weiterer überzeugender Mitstreiter ist auch Justus von Dohnányi ("Bis zum Ellenbogen") als kahlköpfiger Kiez-König. In der Tat: Man kann hier ständig schmunzeln. Und wie oft gibt es dies in einer deutschen Komödie zu vermelden?
"Caramel"
Frankreich/Libanon 2007. Regie: Nadine Labaki. Darsteller: Nadine Labaki, Yasmine Elmasri, Joanna Moukarzel, Gisèle Aouad. Länge: 95 min.
"Caramel" von und mit Nadine Labaki; "C" wie "Caramel" oder "Chocolate" - schon der in warmes Goldgelb getauchte Titelvorspann, in dem die aus Karamel bestehende landestypische Haarentfernungsmassage hergestellt wird, signalisiert bereits eine außergewöhnlich emotionale wie gedankliche Sinnlichkeit. "Caramel" ist eine Co-Produktion Frankreich/Libanon aus dem Vorjahr und stellt einen Schönheitssalon in Beirut als gesellschaftlichen Mikrokosmos vor: Fünf einheimische Frauen treffen hier regelmäßig aufeinander und werden in Sachen Liebe, Lust und Leben augenzwinkernd wie eben sinnlich-verspielt "seziert". Die 34-jährige libanesische Schauspielerin und Regisseurin, die sich in ihrer Heimat bislang mit Werbefilmen und Musikvideos einen Namen gemacht hat, porträtiert liebevoll-pointiert in ihrem Debütfilm eine Handvoll einheimischer Frauen unterschiedlichen Alters, die sich in Layales Salon ein ständiges Stelldichein geben.
Dabei vermittelt der leichthändige, lebensfrohe, selbstironische Film reizvolle wie atmosphärische Einblicke in eine fremde Welt, signalisiert dabei zugleich Verständigungs-Hoffnung zwischen den verschiedenen Kulturen und Religionen. Männer übrigens spielen hier nur Nebenparts, sind Randgruppen-Wesen, mit Nebengeräuschen von ganz unterschiedlicher "Qualität". Der andeutungsvoll zwischen rigider Tradition und individueller Freiheit argumentierende Film ist mitunter "konspirativ-charmant" und beeindruckend-nachhallig. "Tiefgang" wurde selten so angenehm-unterhaltsam komponiert wie hier. Übrigens: Der Publikums-Liebling der vorjährigen Filmfestspiele von Cannes hat im Libanon alle Kassenrekorde gebrochen und war in diesem Jahr für den Auslands-"Oscar" vorgeschlagen.
"Und wenn sie nicht gestorben sind - dann leben sie noch heute - die Kinder von Golzow" (Teil 3 und 4)
Deutschland 2008. Regie und Buch: Winfried Junge, Barbara Junge. Länge: 290 min.
Unbedingt erwähnen sollten wir in dieser Woche schließlich auch noch den 290-minütigen Abschluss der wichtigsten, bedeutendsten, spannendsten, informativsten Langzeit-Dokumentation in der Geschichte des Internationalen Films: "Die Kinder von Golzow" von Barbara und Winfried Junge. Der erstmals im diesjährigen Berlinale-Forum gezeigte Abschlussfilm, Titel "Und wenn sie nicht gestorben sind – dann leben sie noch heute – Die Kinder von Golzow (Teil drei und vier)", erzählt von weiteren fünf Biografien aus jener Schulklasse von 1961 im Oderbruch. Dabei geht es einmal mehr darum, den Alltag in der ostdeutschen Provinz zu erkunden, den Einfluss von "großer Politik" auf das (Lebens-)Schicksal des/der Einzelnen - vor wie vor allem dann auch nach der Wende - zu belegen und die Verwandlung eines Dorfs sowie einer Landschaft zu dokumentieren. Nach 20 Filmen mit rund 44 Stunden Laufzeit ist nun Schluss, aber noch einmal dürfen wir ebenso nahegehend-packend wie wunderbar-informativ deutsch-deutsche Geschichte erleben. Das Spannendste auf der Leinwand sind und bleiben "echte" Menschen wie die Golzower, deren Geschichte und Geschichten beispielhaft sind und bleiben werden für das eigentlich "trockene" Theorie-Thema Zeitgeschichte. Dies ist beziehungsweise Golzow bedeutet = Geschichtskino von außergewöhnlicher, von tiefer wie sehr informativer wie sehr unterhaltsamer, spannender Lebendigkeit. Die Golzow-Filme sind - einzeln wie insgesamt - ein definitiver Geniestreich des deutschen Kinos, aber es kann durchaus sein, dass man das erst - wie gehabt - irgendwann "später einmal" feststellen, notieren und richtig zu würdigen weiß.
USA 2007. Regie: Martin Scorsese, Albert Maysles. Mit den Rolling Stones und Gastauftritten von Jack White, Christina Aguilera und Buddy Guy. Farbe, 120 Minuten
"Shine A Light " von Martin Scorsese war der Berlinale-Eröffnungsfilm in diesem Jahr. Zusammen sind sie 252 Jahre alt: Der "Oscar"-Preisträger Martin Scorsese (65/"Departed - Unter Feinden"), der sich mit Klassikern wie "Hexenkessel" (1973), "Taxi Driver" (1976), "Wie ein wilder Stier" (1980), "Die Farbe des Geldes" (1986), "GoodFellas" (1990), "Casino" (1995) und "Aviator" (2004) zu einem der besten und einflussreichsten Regisseure des späten 20. Jahrhunderts emporgearbeitet hat, und die seit 1962 existierende Rock-Band The Rolling Stones, als da wären – Mick Jagger (64), Keith Richards (64), Ron Wood (60), Charlie Watts (66).
Im Herbst 2006 hat Scorsese zwei Stones-Konzerte im New Yorker "Beacon Theatre" mit 16 der besten Kameraleute überhaupt eingefangen. Herausgekommen ist der definitive Konzert-Film; herausgekommen ist ein Film über die schärfste Oldie-Rock-Band der Welt (Motto: Die Pflegefall-Generation mit Gitarre anstatt Rollator...); herausgekommen ist ein phantastischer Blick auf bzw. in die Seele des Rock ’n’ Roll. Losgelöst vom "Siegen-/Überzeugen-Müssen", von all den blöden wie ertragreichen Business-Allüren, können die Stones die Bühne als ihren Privat-Kosmos betrachten, um dort mit Genuss loszulassen. Dabei kommt man eben so porentief-nah an die Urgesteine des Rock heran wie es vor Ort, bei einem Live-Konzert, nie möglich wäre.
Erlebt ihre Songs, sieht ihre Bewegungen, ihre Reaktionen, ihre Poker-Faces so dicht, spannend, pointiert wie noch nie. Dazu: Klasse Gast-Auftritte von Jack White von den "White Stripes", Christina Aguilera und der Blues-Legende BUDDY GUY. "Shine A Light", zwischendurch-gewürzt mit süffisanten Interview-Fetzen von Annodunnemal ("Wie lange wollen Sie das eigentlich noch machen?"/1964; "Können Sie sich vorstellen, auch noch mit 60 Musik zu machen?") sowie mit heutigen Aussagen, ist ein filmischer wie musikalischer Show-/Entertainment-Meilenstein und strahlt Spiel - Spaß - Spannung - Show - Staunen - Stimmung, Charisma und Lust, also Emotionen pur auf allerhöchstem Niveau aus. Die Bunte-Bühne-Kino als Klasse-Power-Fieber-Melder in Sachen Rock ’n’ Roll bzw.: Ein wunderbares wie stimmungsvolles wie höchst-vergnügliches Dokument über die Populärkultur überhaupt. Mit einer hübschen Schluss-Pointe: Die Schlacht ist geschlagen, die Show vorüber, die Helden sind merklich müde, man dackelt in Richtung Ausgang, darunter auch Keith Richards. Ein Männeken steht herum, Keith spricht ihn ruhig an: "Können Sie mir mal bitte in den Mantel helfen?" Köstlich.
"Hardcover"
Deutschland 2008, Regie: Christian Zübert. Darsteller: Lukas Gregorowicz, Wotan Wilke Möhring, Justus von Dohnanyi, Martin Semmelrogge, Eric Bouwer. Länge: 90 Minuten.
"Hardcover" ist ein Film von Christian Zübert. Der am 27. August 1973 in Würzburg geborene Filmemacher fiel 2001 gleich mit seinem Debütfilm, der Anarcho-Komödie "Lammbock" (mit Moritz Bleibtreu und Lucas Gregorowicz), "interessant" auf. 2004 entstand der Kinderfilm "Der Schatz der weißen Falken". Nach Drehbüchern für zuletzt "Vollidiot" und "Die rote Zora" nun also sein dritter eigener Kinofilm. Mit-Produzent bei diesem 3,5 Millionen Euro-Projekt ist unter anderen Sönke Wortmann ("Deutschland, ein Sommermärchen"; "Das Wunder von Bern"). Thema: Der Zarte und der Harte. Oder: Der Zaudernde und der Schmarotzer. Zwei unterschiedliche Möchte-Gern-Gurus von heute: Christoph, 31, trägt Minipli-Frisur, arbeitet lustlos in einer Düsseldorfer Autovermietung und ist zugleich Autor von Krimi-Groschenromanen. Der Solist träumt aber von "mehr", tendiert in Hardcover-Richtung "James Ellroy, Elmore Leonard oder so". Benötigt aber dafür, wie er meint, mehr "praktische Einsichten". Als ihm der Kleinkriminelle Dominik über den Weg läuft, ist der für ihn "die Richtung" in Sachen Inspiration. Glaubt er. Christoph hängt sich an ihn ’ran und fühlt sich doch sogleich "in der Wirklichkeit" auch laufend überfordert. Ein Buddy-Movie. Mit zwei völlig gegensätzlichen Typen. Die sich so langsam aber sicher anriechen und sich bei ihren Mehr-Tiefs als Hochs zusammenraufen. Das ist im Film nichts Neues, kommt aber in seiner ulkigen Mixtur aus lakonischer Stimmung und klamottigen Motiven ganz unterhaltsam rüber. Vor allem, weil die beiden Hauptakteure prima abdampfen: Lucas Gregorowicz (31) gibt den schüchternen, aber nicht unsympathischen Laien-Schnüffler genau in der noch überzeugenden Balance zwischen Charme-Quatsch und Okay; während Wotan Wilke Möhring (30), mit Goldkettchen und in Camouflage-Hose, den penetranten Sprücheklopfer und Eierdieb ("Alles fit for fun?") auch prickelnd-komisch "trifft". Ein weiterer überzeugender Mitstreiter ist auch Justus von Dohnányi ("Bis zum Ellenbogen") als kahlköpfiger Kiez-König. In der Tat: Man kann hier ständig schmunzeln. Und wie oft gibt es dies in einer deutschen Komödie zu vermelden?
"Caramel"
Frankreich/Libanon 2007. Regie: Nadine Labaki. Darsteller: Nadine Labaki, Yasmine Elmasri, Joanna Moukarzel, Gisèle Aouad. Länge: 95 min.
"Caramel" von und mit Nadine Labaki; "C" wie "Caramel" oder "Chocolate" - schon der in warmes Goldgelb getauchte Titelvorspann, in dem die aus Karamel bestehende landestypische Haarentfernungsmassage hergestellt wird, signalisiert bereits eine außergewöhnlich emotionale wie gedankliche Sinnlichkeit. "Caramel" ist eine Co-Produktion Frankreich/Libanon aus dem Vorjahr und stellt einen Schönheitssalon in Beirut als gesellschaftlichen Mikrokosmos vor: Fünf einheimische Frauen treffen hier regelmäßig aufeinander und werden in Sachen Liebe, Lust und Leben augenzwinkernd wie eben sinnlich-verspielt "seziert". Die 34-jährige libanesische Schauspielerin und Regisseurin, die sich in ihrer Heimat bislang mit Werbefilmen und Musikvideos einen Namen gemacht hat, porträtiert liebevoll-pointiert in ihrem Debütfilm eine Handvoll einheimischer Frauen unterschiedlichen Alters, die sich in Layales Salon ein ständiges Stelldichein geben.
Dabei vermittelt der leichthändige, lebensfrohe, selbstironische Film reizvolle wie atmosphärische Einblicke in eine fremde Welt, signalisiert dabei zugleich Verständigungs-Hoffnung zwischen den verschiedenen Kulturen und Religionen. Männer übrigens spielen hier nur Nebenparts, sind Randgruppen-Wesen, mit Nebengeräuschen von ganz unterschiedlicher "Qualität". Der andeutungsvoll zwischen rigider Tradition und individueller Freiheit argumentierende Film ist mitunter "konspirativ-charmant" und beeindruckend-nachhallig. "Tiefgang" wurde selten so angenehm-unterhaltsam komponiert wie hier. Übrigens: Der Publikums-Liebling der vorjährigen Filmfestspiele von Cannes hat im Libanon alle Kassenrekorde gebrochen und war in diesem Jahr für den Auslands-"Oscar" vorgeschlagen.
"Und wenn sie nicht gestorben sind - dann leben sie noch heute - die Kinder von Golzow" (Teil 3 und 4)
Deutschland 2008. Regie und Buch: Winfried Junge, Barbara Junge. Länge: 290 min.
Unbedingt erwähnen sollten wir in dieser Woche schließlich auch noch den 290-minütigen Abschluss der wichtigsten, bedeutendsten, spannendsten, informativsten Langzeit-Dokumentation in der Geschichte des Internationalen Films: "Die Kinder von Golzow" von Barbara und Winfried Junge. Der erstmals im diesjährigen Berlinale-Forum gezeigte Abschlussfilm, Titel "Und wenn sie nicht gestorben sind – dann leben sie noch heute – Die Kinder von Golzow (Teil drei und vier)", erzählt von weiteren fünf Biografien aus jener Schulklasse von 1961 im Oderbruch. Dabei geht es einmal mehr darum, den Alltag in der ostdeutschen Provinz zu erkunden, den Einfluss von "großer Politik" auf das (Lebens-)Schicksal des/der Einzelnen - vor wie vor allem dann auch nach der Wende - zu belegen und die Verwandlung eines Dorfs sowie einer Landschaft zu dokumentieren. Nach 20 Filmen mit rund 44 Stunden Laufzeit ist nun Schluss, aber noch einmal dürfen wir ebenso nahegehend-packend wie wunderbar-informativ deutsch-deutsche Geschichte erleben. Das Spannendste auf der Leinwand sind und bleiben "echte" Menschen wie die Golzower, deren Geschichte und Geschichten beispielhaft sind und bleiben werden für das eigentlich "trockene" Theorie-Thema Zeitgeschichte. Dies ist beziehungsweise Golzow bedeutet = Geschichtskino von außergewöhnlicher, von tiefer wie sehr informativer wie sehr unterhaltsamer, spannender Lebendigkeit. Die Golzow-Filme sind - einzeln wie insgesamt - ein definitiver Geniestreich des deutschen Kinos, aber es kann durchaus sein, dass man das erst - wie gehabt - irgendwann "später einmal" feststellen, notieren und richtig zu würdigen weiß.