Verrückt nach Angelika
Sie war ein Star, geliebt und bewundert in ganz Europa: Angelika Kauffmann. Heute sind die Werke der berühmtesten Malerin des 18. Jahrhunderts in fast allen Museen Europas zu finden. Zu ihrem 200. Todestag ehrt die Heimatstadt Chur die Künstlerin mit der Ausstellung „Angelikamad“ im Bündner Kunstmuseum.
„The whole world is angelicamad“, die ganze Welt ist Angelikaverrückt, schrieb, halb jauchzend, halb augenverdrehend, der dänische Botschafter 1781 aus London. Wie denn auch nicht, wo sie doch so schön, so klug und so talentiert war! Die neapolitanische Königs- und die russische Zarenfamilie ließen sich von ihr porträtieren, Kaiser Joseph II. und der bayerische Kronprinz Ludwig. Herder kam sie in Italien besuchen und nannte sie „die kultivierteste Frau Europas“. Goethe ließ sich nicht nur von ihr malen, sondern auch seine Zeichnungen kritisieren, er rühmte ihre „zarte Seele“ und bescheinigte ihr gar „ein unglaubliches und als Weib ungeheures Talent“.
Eine Malerfürstin ist sie gewesen, die Angelika Kauffmann, mit einer kometenhaften Karriere, die für eine Frau im 18. Jahrhundert wahrlich beispiellos war. Als sie 1870 in Rom starb, bekam sie das größte Begräbnis, das es im Bereich der Kunst seit Rafael gegeben hatte.
Zu ihrem 200. Todestag wurden ihr in ihrer Geburtsregion Vorarlberger Land und Gaubünden gleich zwei Ausstellungen gewidmet. Kaum ging die erste am 5. November in Bregenz zu Ende, schon wird die nächste, kleine aber feine, jetzt im Bündner Kunstmuseum in Chur eröffnet. Museumsleiter Beat Stutzer:
„Es war zum einen so, dass das Bündner Kunstmuseum den größten Bestand von Angelika Kauffmann hat in der Schweiz, darauf wollte das Landesmuseum in Vorarlberg natürlich zurückgreifen, und wir haben uns entschieden, wir geben jedem Leihwunsch statt – in dieser partnerschaftlichen Beziehung zum einen, und vor allem wegen dieses biografischen Bezuges. Und ich konnte mich dann, etwas salopper gesagt, auch bedienen in diesem großen Bestand in Bregenz und hab mich dann ganz sorgsam auf einige wichtige Stücke konzentriert und die wurden dann eben nach Chur bewilligt und ausgeliehen.“
Angelika Kauffmann wurde 1741 als Tochter eines zweitrangigen Wandermalers geboren. Schon früh fiel ihre ungewöhnliche Begabung auf, die Sechsjährige galt bereits als singendes und malendes Wunderkind. Die Familie siedelte nach Mailand über und Angelika zog mit ihrem Vater von Stadt zu Stadt, wo sie zunächst mit ihm zusammen, sehr bald aber schon allein malte.
Sie liebt die antike Mythologie: Penelope schlafend, von Kerzenlicht übergossen, Paris und Hector, sanfte Ideallandschaften mit bezaubernd großäugigen Göttinnen und martialischen Kriegshelden. Angelika malt!
Italien ist bald im Sturm erobert: Mit 20 wird die Künstlerin zum Ehrenmitglied der Accademia di Bologna gewählt, mit 22 der Accademia di San Luca in Rom.
„Also neben der Historienmalerei hat sich Angelika Kauffmann auch als Porträtistin hervorgetan und damit auch angefangen in Rom als 20-Jährige, man muss sich vorstellen, dass die begüterten Engländer auf ihrer Grand-Tour nach Rom immer ein Souvenir nach Hause bringen wollten, meist ein Gemälde, und sie gingen in die berühmten Ateliers in Rom, und Kauffmann hatte sogleich Erfolg damit, und clever, geschäftstüchtig, wie sie auch war, kam die Übersiedlung nach London, zu ihrer eigentlichen Klientel. Und in London hatte sie sogleich noch den größten Erfolg, sie hat Porträts gemalt für die wichtigsten englischen Familien, bis hin zum Königshaus.“
England ist begeistert, und das ist auch der berühmte englische Maler Joshua Reynolds, der ihr einen Heiratsantrag gemacht haben soll. Sie lehnt ab, verliebt sich stattdessen in einen angeblichen schwedischen Grafen, der jedoch nach kurzem Eheglück mit all ihren Ersparnissen verschwindet.
Angelikas zarte Seele ist für immer angeknackst. Später heiratet sie auf Wunsch ihres Vaters den ungeliebten, um 15 Jahre älteren venezianischen Maler Antonio Zucchi. Nein, mit der Liebe hat es nicht geklappt – umso mehr aber mit dem Erfolg.
„Angelika Kauffmann hatte die größte Ambition, die man damals haben konnte, nämlich Historienmalerei, religiöse Malerei zu machen, das kann man damit illustrieren, dass es in der Akademie eine strikte Hierarchie gab der Bildgattungen, zuoberst das Religiöse, die Historienmalerei, und ganz zuunterst das Stillleben beispielsweise, und Angelika Kauffmann gehörte nicht nur zu den Gründungsmitgliedern der Royal Academy in London, sondern im Fach der Historienmalerei, also auf der allerobersten Stufe.“
Sie war nicht nur begabt, sondern auch geschäftstüchtig. Ihr Stil, ihre Bilder wurden so populär, dass sie bald als Stichfolgen verbreitet, auf Teetassen und Fächern, auf Dosen und Medaillons nachgebildet wurden.
Selbstbewusst wie sie war, malte sie sich auch gern immer wieder selbst.
„Ich sage immer, vielleicht etwas übertrieben, aber ich stehe dazu: Wir haben das schönste all dieser Selbstbildnisse hier in Chur. Typisch daran ist, dass sie sich hier nicht etwa als Malerin gibt mit dem Arbeitsgewand, sondern in kostbaren Gewändern, wirklich als Malerfürstin tritt sie auf, sie zeigt sich zwar mit dem Zeichengriffel und dem Zeichenblock als Künstlerin, was entscheidend ist, dass sie sich selber konfrontiert mit der Büste der Minerva, der Schutzgöttin der Künste und Handwerker, mit einem griechischen Gott, also das Bekenntnis zum Klassizismus, zum Klassischen, das war nicht selbstverständlich, und sie hat diese Wendung eben mitgetragen zum ausgehenden Barock-Rokoko hin zur neuen Richtung des Klassizismus.“
Die kleine Ausstellung mit repräsentativen Historiengemälden, zahlreichen Kleinformaten – rund und oval – sowie Stichgrafiken gewährt einen schönen Einblick in den Klassizismus, den sich Angelika Kauffmann, wie für sich selbst erfunden zu haben scheint.
Prächtige Farben, üppige Draperien, liebliche Mythologiewelt – und hinter den Dingen bergen die Bilder immer noch ein Geheimnis, verborgene Bezüge und Bedeutungen. Wenn die Göttin Kallypso auf der Insel der Unsterblichkeit Telemachos bewirtet, den Sohn des Odysseus, dann weist ihre ausgestreckte Hand genau auf den Meereshorizont, wo der Vater weilt. Die Unvergänglichkeit setzt sie malerisch raffiniert um, indem sie mehrere Jahreszeiten nebeneinander auf das Bild bannt: Erdbeeren stehen vor Telemachos auf dem Tisch, darüber hängen reife Trauben in gewundenen Girlanden.
Eine Malerfürstin ist sie gewesen, die Angelika Kauffmann, mit einer kometenhaften Karriere, die für eine Frau im 18. Jahrhundert wahrlich beispiellos war. Als sie 1870 in Rom starb, bekam sie das größte Begräbnis, das es im Bereich der Kunst seit Rafael gegeben hatte.
Zu ihrem 200. Todestag wurden ihr in ihrer Geburtsregion Vorarlberger Land und Gaubünden gleich zwei Ausstellungen gewidmet. Kaum ging die erste am 5. November in Bregenz zu Ende, schon wird die nächste, kleine aber feine, jetzt im Bündner Kunstmuseum in Chur eröffnet. Museumsleiter Beat Stutzer:
„Es war zum einen so, dass das Bündner Kunstmuseum den größten Bestand von Angelika Kauffmann hat in der Schweiz, darauf wollte das Landesmuseum in Vorarlberg natürlich zurückgreifen, und wir haben uns entschieden, wir geben jedem Leihwunsch statt – in dieser partnerschaftlichen Beziehung zum einen, und vor allem wegen dieses biografischen Bezuges. Und ich konnte mich dann, etwas salopper gesagt, auch bedienen in diesem großen Bestand in Bregenz und hab mich dann ganz sorgsam auf einige wichtige Stücke konzentriert und die wurden dann eben nach Chur bewilligt und ausgeliehen.“
Angelika Kauffmann wurde 1741 als Tochter eines zweitrangigen Wandermalers geboren. Schon früh fiel ihre ungewöhnliche Begabung auf, die Sechsjährige galt bereits als singendes und malendes Wunderkind. Die Familie siedelte nach Mailand über und Angelika zog mit ihrem Vater von Stadt zu Stadt, wo sie zunächst mit ihm zusammen, sehr bald aber schon allein malte.
Sie liebt die antike Mythologie: Penelope schlafend, von Kerzenlicht übergossen, Paris und Hector, sanfte Ideallandschaften mit bezaubernd großäugigen Göttinnen und martialischen Kriegshelden. Angelika malt!
Italien ist bald im Sturm erobert: Mit 20 wird die Künstlerin zum Ehrenmitglied der Accademia di Bologna gewählt, mit 22 der Accademia di San Luca in Rom.
„Also neben der Historienmalerei hat sich Angelika Kauffmann auch als Porträtistin hervorgetan und damit auch angefangen in Rom als 20-Jährige, man muss sich vorstellen, dass die begüterten Engländer auf ihrer Grand-Tour nach Rom immer ein Souvenir nach Hause bringen wollten, meist ein Gemälde, und sie gingen in die berühmten Ateliers in Rom, und Kauffmann hatte sogleich Erfolg damit, und clever, geschäftstüchtig, wie sie auch war, kam die Übersiedlung nach London, zu ihrer eigentlichen Klientel. Und in London hatte sie sogleich noch den größten Erfolg, sie hat Porträts gemalt für die wichtigsten englischen Familien, bis hin zum Königshaus.“
England ist begeistert, und das ist auch der berühmte englische Maler Joshua Reynolds, der ihr einen Heiratsantrag gemacht haben soll. Sie lehnt ab, verliebt sich stattdessen in einen angeblichen schwedischen Grafen, der jedoch nach kurzem Eheglück mit all ihren Ersparnissen verschwindet.
Angelikas zarte Seele ist für immer angeknackst. Später heiratet sie auf Wunsch ihres Vaters den ungeliebten, um 15 Jahre älteren venezianischen Maler Antonio Zucchi. Nein, mit der Liebe hat es nicht geklappt – umso mehr aber mit dem Erfolg.
„Angelika Kauffmann hatte die größte Ambition, die man damals haben konnte, nämlich Historienmalerei, religiöse Malerei zu machen, das kann man damit illustrieren, dass es in der Akademie eine strikte Hierarchie gab der Bildgattungen, zuoberst das Religiöse, die Historienmalerei, und ganz zuunterst das Stillleben beispielsweise, und Angelika Kauffmann gehörte nicht nur zu den Gründungsmitgliedern der Royal Academy in London, sondern im Fach der Historienmalerei, also auf der allerobersten Stufe.“
Sie war nicht nur begabt, sondern auch geschäftstüchtig. Ihr Stil, ihre Bilder wurden so populär, dass sie bald als Stichfolgen verbreitet, auf Teetassen und Fächern, auf Dosen und Medaillons nachgebildet wurden.
Selbstbewusst wie sie war, malte sie sich auch gern immer wieder selbst.
„Ich sage immer, vielleicht etwas übertrieben, aber ich stehe dazu: Wir haben das schönste all dieser Selbstbildnisse hier in Chur. Typisch daran ist, dass sie sich hier nicht etwa als Malerin gibt mit dem Arbeitsgewand, sondern in kostbaren Gewändern, wirklich als Malerfürstin tritt sie auf, sie zeigt sich zwar mit dem Zeichengriffel und dem Zeichenblock als Künstlerin, was entscheidend ist, dass sie sich selber konfrontiert mit der Büste der Minerva, der Schutzgöttin der Künste und Handwerker, mit einem griechischen Gott, also das Bekenntnis zum Klassizismus, zum Klassischen, das war nicht selbstverständlich, und sie hat diese Wendung eben mitgetragen zum ausgehenden Barock-Rokoko hin zur neuen Richtung des Klassizismus.“
Die kleine Ausstellung mit repräsentativen Historiengemälden, zahlreichen Kleinformaten – rund und oval – sowie Stichgrafiken gewährt einen schönen Einblick in den Klassizismus, den sich Angelika Kauffmann, wie für sich selbst erfunden zu haben scheint.
Prächtige Farben, üppige Draperien, liebliche Mythologiewelt – und hinter den Dingen bergen die Bilder immer noch ein Geheimnis, verborgene Bezüge und Bedeutungen. Wenn die Göttin Kallypso auf der Insel der Unsterblichkeit Telemachos bewirtet, den Sohn des Odysseus, dann weist ihre ausgestreckte Hand genau auf den Meereshorizont, wo der Vater weilt. Die Unvergänglichkeit setzt sie malerisch raffiniert um, indem sie mehrere Jahreszeiten nebeneinander auf das Bild bannt: Erdbeeren stehen vor Telemachos auf dem Tisch, darüber hängen reife Trauben in gewundenen Girlanden.