Verrat und Verfolgung im Vormärz

Der ungarische Schriftsteller László Márton hat mit "Versteck der Minerva" einen historischen Roman geschrieben, der in der österreichischen Gesellschaft zurzeit des Vormärz angesiedelt ist. Im Mittelpunkt steht ein ungarischer Gelehrter, der seine Begeisterung für die Französische Revolution mit lebenslanger Verfolgung bezahlen muss.
Die Obrigkeit der Stadt Linz an der Donau sieht selbst in alttäglichen Vorkommnissen Bedrohungspotenzial. Überall lauert Landesverrat. Es genügt schon, dass der Gelehrte Johann B. mit seinem Hut in der Hand nach Hause läuft, während zufällig im nahe gelegenen "Roten Stier" ein bayerischer Gesandter auf der Durchreise zu Abend speist, und der Polizeidirektor ist alarmiert. Der gebürtige Ungar Johann B. könnte mit dem Bayern gegen die Habsburger konspirieren. Schließlich hat ein Polizeispitzel in B.´s schwarzem Hut ein Bündel gefährlicher Schriften erkannt.

Der ungarische Schriftsteller László Márton hat 2006 in seinem Heimatland einen historischen Roman veröffentlicht, der in den autoritären Verhältnissen und zugleich im provinziellen Mief der österreichischen Gesellschaft zur Zeit des Vormärz angesiedelt ist. Unter dem Titel "Das Versteck der Minerva" ist nun die deutsche Übersetzung im Folio Verlag erschienen.

Im Mittelpunkt steht die Geschichte eines intellektuellen Verlierers. Der ungarische Gelehrte und Übersetzer Johann B. muss seine Begeisterung für die Französische Revolution mit lebenslanger Verfolgung bezahlen. Schon als junger Mann sitzt er 1795 als der Aufklärung verpflichteter Geheimbündler in der Festung Kufstein ein. In dieser Gefangenschaft freundet er sich mit Napoleons späterem Außenminister Maret an. In dessen Auftrag soll er, als Napoleon 1809 in Wien einzieht, die "Schönbrunner Proklamation" übersetzt oder gar selbst verfasst haben - einen Aufruf zu bürgerlicher Revolution und nationaler Eigenständigkeit Ungarns im Namen Bonapartes. Obwohl Johann B. eine direkte Beteiligung an der "Proklamation" letztlich nicht nachgewiesen werden kann, stellt man ihn für den Rest seiner Jahre in Linz unter Polizeiaufsicht. "Als Prophet zu unwahr, als Eremit zu ungeduldig, als Gläubiger zu ungläubig", resümiert Fürst Metternich irgendwann die Haltung seines politischen Opfers. Vielleicht nicht zu Unrecht.

László Márton zeichnet seinen verfolgten Helden nicht unbedingt als charismatischen Intellektuellen, eher schon als starrsinnigen, überaus verschrobenen Typ. Gerade dessen Sonderrolle fördert den Untertanengeist, die verlogene Gemütlichkeit und den alltäglichen Stumpfsinn der Gesellschaft zutage. Der Erzählstil wird dabei von einem immer wieder ironisch gebrochenen Ton der Buchgelehrsamkeit dominiert.

László Márton, geboren 1959 in Budapest, hat unter anderem Germanistik studiert. Er ist als Übersetzer deutschsprachiger Literatur hervorgetreten und hat einige seiner literarischen Texte im Original auf Deutsch verfasst. Im "Versteck der Minerva", von Eva Zádor und Wilhelm Droste mit ausgeprägtem Sinn für sprachliche Feinheiten ins Deutsche übertragen, begegnet uns ein Stück politischer Alltagsgeschichte der Habsburgermonarchie – detailgenau, witzig und ohne Nostalgie.

Rezensiert von Martin Sander

László Márton, Das Versteck der Minerva, Roman,
aus dem Ungarischen von Eva Zádor und Wilhelm Droste,
Folio Verlag, 232 S., 22,50 €