Verrat, Sühne und die Spirale von Rache

Von Gesa Ufer · 01.05.2010
Als gerade 18-Jähriger schrieb Carl Off das Musikdrama "Gisei - Das Opfer", für ihn selbst rückblickend eine "Entgleisung", ein "jugendlicher Schiffbruch". Erst jetzt - fast 100 Jahre später - wurde das Trauerspiel von John Dew in Darmstadt uraufgeführt, gemeinsam mit dem letztem Bühnenwerk Orffs, das der Schöpfer der Carmina Burana als 77-Jähriger komponierte und dichtete.
Die Gisei-Geschichte ist Teil eines gewaltigen Epos des japanischen Puppentheaters. Orff hatte die deutsche Übersetzung neu bearbeitet, eine Geschichte voller rätselhafter Andeutungen und symbolistischer Verweise. Ein Kind soll geköpft werden, es geht um Verrat und Sühne, um politische Intrigen und die Spirale von Rache und immer neuen Verbrechen.

Die Kritik lobt nicht nur die Darmstädter Inszenierung, auch die frühe Leistung Carl Orffs verblüfft viele der Rezensenten:

Klaus Kalchschmid vom Bayerischen Rundfunk, etwa stellt fest:
"Es ist eigentlich eine sehr schillernde Partitur, und für einen erst Siebzehnjährigen ein erstaunliches Erstlingswerk!"

Durch das Stück erlebe man den furiosen Beginn eines jungen Musikgenies, das später ganz andere Wege beschritt, schreibt Helmut Mauro in der "Süddeutschen Zeitung".

Allein Stefan Keim betitelt das Stück auf der Internetseite der "Welt" als "fades Jugendwerk". Orff bestaune mit seiner ersten Oper lediglich eine Kunstform, für die er zu dieser Zeit noch keine eigene Sprache gefunden habe.

Den Darmstädter Musikern bescheinigt er eine ausgezeichnete Leistung. Ihr Leiter, Constantin Trinks entlocke dem Staatsorchester viele Feinheiten und Schattierungen. Bernhard Uske geht mit seinem Lob in der "Frankfurter Rundschau" noch weiter:

"Der phänomenale, auch choreografisch perfekte Chor, das hart geformte Orchester, die hochgesteigerten Solisten-Ensembles - großartig!"

Einigkeit besteht bei allen Rezensenten darin, dass John Dews Inszenierung das Stück entscheidend veredelt habe. Dews Fassung betone das Exotische und Fremde der Geschichte und verleihe ihr gekonnt die Atmosphäre des originalen japanischen Theaters: Perücken und Kostüme sind aufwendig nachgearbeitet, Gesichter kalkweiß geschminkt, Augenbrauen dunkel überzeichnet.

Klaus Kalschschmid vom Bayerischen Rundfunk:

"Das, was Orff an japanischem Theater nicht kannte, hat Dew nachträglich dazu getan. Wenn Orff das japanische Theater gekannt hätte, wäre ein absolutes Meisterwerk herausgekommen."

"Gisei - Das Opfer". Die nächsten Aufführung am Freitag und am 16. Mai im Staatstheater Darmstadt.