Verpulvert und verkauft
Der Skandal mit Melamin in Milchpulver in China wirft vor allem eine Frage auf: Wie sicher sind wir angesichts der Globalisierung der Rohstoffmärkte vor derartigen Panschereien?
Nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ist der Import von Milchprodukten aus China in die EU verboten. Dürfen wir uns jetzt sicher fühlen? Fühlen schon. Aber wer will überprüfen, wenn chinesische Ware über Drittländer – wie Neuseeland, deren Firmen ja auch in den Skandal involviert sind, - zu uns gelangt? Was hier eher unsere Sicherheit verbessert, ist die Tatsache, dass wir in Mitteleuropa mehr als genug Milchpulver produzieren. Unsere Lebensmittelhersteller sind sicher keine Engel, aber eine absichtliche Zugabe halte ich für äußerst unwahrscheinlich, gerade bei Säuglingsmilch. Aber ich kann nicht ausschließen, dass derartiges Milchpulver irgendwo auf der Welt zu Spezialitäten weiterverarbeitet wird und so zu uns gelangt.
Und warum verfiel man in China gerade auf diesen Stoff, der ja Todesfälle verursacht hat? In Ländern, in denen tierisches Eiweiß teuer ist, bringt ein Zusatz reichlich Gewinn, weil man damit bei der chemischen Analyse einen höheren Eiweißanteil vortäuschen kann. Damit sollten die Chemiker hinters Licht geführt werden. Aber diesen Trick haben ja nicht die Chinesen erfunden, sondern nur eine Praxis weitergeführt, die vor einigen Jahrzehnten bei uns gar nicht so ungewöhnlich war. Damals hat man bei uns Melamin ins Kraftfutter gepanscht, um teures Eiweiß vorzutäuschen. Diese Praxis wurde vor einigen Jahren von den Chinesen aufgegriffen und dann exportierten sie ihren gepanschten Reis-, Weizen- und Maiskleber als Futtermittel in die USA und nach Europa. Teilweise geriet das Zeug sogar bis ins Hunde- und Katzenfutter. Vom südafrikanischen Veterinärverband wurde gemeldet, dass letztes Jahr über 30 Hunde daran gestorben sind.
Und warum braucht man bei uns Eiweißkleber aus China? Für die Europäer war der Maiskleber wichtig, weil ihn die Amerikaner aus Gen-Mais gewonnen haben, nicht aber die Chinesen. Und den Genmais mögen bei uns manche Leute nicht und machen dann große Kampagnen. Wer sich vor schlechter Presse schützen wollte, kaufte für sein Vieh vorsichtshalber Chinaware.
Zurück zum Essen. Kommt der Maiskleber auch ins Essen? Ausschließen kann ich das natürlich nicht, aber bei Lebensmitteln nimmt man lieber Weizenkleber, insbesondere in der Bäckerei. Davon produzieren wir selbst mehr als genug. Aber es gibt durchaus weitere Kanäle, wie Melamin ins Essen kommt: Zum Beispiel über Getränke. Aber nicht um Eiweiß vorzutäuschen, sondern weil manche Gefäße aus Melaminharz hergestellt sind. Auf diese Weise gerät der Stoff – genauso wie das Bisphenol A aus den Plastikflaschen – in die Getränke. Man hat Melamin sogar auf Kopfsalat gefunden.
Wie bitte kommt das Zeug ins Gemüse? Über ein Pestizid namens Cyromazin. Das ist ein Wachstumsregulator für Schadinsekten. Der wird zu Melamin abgebaut. Im Boden findet man es auch, dort wirkt es vor allem als Stickstoffdünger. Da man damit hervorragend Fliegen und auch ein paar andere Parasiten bekämpfen kann, behandelt man damit auch Schafe oder gibt es in manchen Ländern ins Hühnerfutter. Dann krepieren die Fliegenlarven im Dung.
Die Gehalte in dem chinesischen Milchpulver, die zum Nierenversagen von Säuglingen führten, waren ja ziemlich hoch. Und noch dazu war die Säuglingsmilch ihre einzige Nahrung. Allerdings ist nicht ganz klar, was da wirkliche Ursache war. Manches deutet darauf hin, dass neben dem amtlich bestätigten Melamin noch ein ähnlicher Stoff zum Vortäuschen von Eiweiß drin war: Die Cyanursäure. Die Cyanursäure wird zur Herstellung von Melamin genutzt. Es scheint, dass gerade die Kombination von Melamin und Cyanursäure – die man übrigens letztes Jahr in melaminverfälschten Futtermitteln gefunden hat, - zum Nierenversagen führt.
Diese Panschereien bei der Säuglingsmilch sind ein gravierender Skandal. Dabei sollen wir nicht vergessen, dass große Lebensmittel-Vergiftungen in China recht oft vorkommen. Genauso wie noch von hundert Jahren in Deutschland. Wenn wir uns heute über Acrylamid in Knäckebrot oder "fremde" Gene im Mais echauffieren, dann ist das ein Zeichen von Luxus verbunden mit Realitätsverlust.
Literatur:
Bisaz R: Nachweis von 2,4,6-Triamino-1,3,5-triazin (Melamin) in Kartoffelproteinen. Mitteilungen aus dem Gebiete der Lebensmitteluntersuchung und Hygiene 1983; 74: 74-79
Chaubert C: Futtermittel: Maiskleber aus dem Verkehr gezogen. Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux. 26.6.2007
Weise E: Melamine in pet food may not be accidental. USA Today 19.4.2007
www.animal-health–online.de/klein/?s=Melamin&x=11&y=11
Yokley RA et al: Analytical method for the determination of cyromazine and melamine residues in soil using LC-UV and GC-MSD. Journal of Agricultural & Food Chemistry 2000; 48: 3352-3358
Ishiwata H et al: Migration of melamine and formaldehyde from tableware made from melamine resin. Food Additives and Contamination 1986; 3: 63-69
Bardalaye PC et al: Gas chromatographic determination of cyromazine and its degradation product, melamine, in Chinese cabbage. Journal of the Association of Offícal Analytical Chemists 1987; 70: 455-457
Ishiwata H et al: Liquid chromatographioc determination of melamine in beverages. Journal of the Association of Offícal Analytical Chemists 1987; 70: 457-460
Und warum verfiel man in China gerade auf diesen Stoff, der ja Todesfälle verursacht hat? In Ländern, in denen tierisches Eiweiß teuer ist, bringt ein Zusatz reichlich Gewinn, weil man damit bei der chemischen Analyse einen höheren Eiweißanteil vortäuschen kann. Damit sollten die Chemiker hinters Licht geführt werden. Aber diesen Trick haben ja nicht die Chinesen erfunden, sondern nur eine Praxis weitergeführt, die vor einigen Jahrzehnten bei uns gar nicht so ungewöhnlich war. Damals hat man bei uns Melamin ins Kraftfutter gepanscht, um teures Eiweiß vorzutäuschen. Diese Praxis wurde vor einigen Jahren von den Chinesen aufgegriffen und dann exportierten sie ihren gepanschten Reis-, Weizen- und Maiskleber als Futtermittel in die USA und nach Europa. Teilweise geriet das Zeug sogar bis ins Hunde- und Katzenfutter. Vom südafrikanischen Veterinärverband wurde gemeldet, dass letztes Jahr über 30 Hunde daran gestorben sind.
Und warum braucht man bei uns Eiweißkleber aus China? Für die Europäer war der Maiskleber wichtig, weil ihn die Amerikaner aus Gen-Mais gewonnen haben, nicht aber die Chinesen. Und den Genmais mögen bei uns manche Leute nicht und machen dann große Kampagnen. Wer sich vor schlechter Presse schützen wollte, kaufte für sein Vieh vorsichtshalber Chinaware.
Zurück zum Essen. Kommt der Maiskleber auch ins Essen? Ausschließen kann ich das natürlich nicht, aber bei Lebensmitteln nimmt man lieber Weizenkleber, insbesondere in der Bäckerei. Davon produzieren wir selbst mehr als genug. Aber es gibt durchaus weitere Kanäle, wie Melamin ins Essen kommt: Zum Beispiel über Getränke. Aber nicht um Eiweiß vorzutäuschen, sondern weil manche Gefäße aus Melaminharz hergestellt sind. Auf diese Weise gerät der Stoff – genauso wie das Bisphenol A aus den Plastikflaschen – in die Getränke. Man hat Melamin sogar auf Kopfsalat gefunden.
Wie bitte kommt das Zeug ins Gemüse? Über ein Pestizid namens Cyromazin. Das ist ein Wachstumsregulator für Schadinsekten. Der wird zu Melamin abgebaut. Im Boden findet man es auch, dort wirkt es vor allem als Stickstoffdünger. Da man damit hervorragend Fliegen und auch ein paar andere Parasiten bekämpfen kann, behandelt man damit auch Schafe oder gibt es in manchen Ländern ins Hühnerfutter. Dann krepieren die Fliegenlarven im Dung.
Die Gehalte in dem chinesischen Milchpulver, die zum Nierenversagen von Säuglingen führten, waren ja ziemlich hoch. Und noch dazu war die Säuglingsmilch ihre einzige Nahrung. Allerdings ist nicht ganz klar, was da wirkliche Ursache war. Manches deutet darauf hin, dass neben dem amtlich bestätigten Melamin noch ein ähnlicher Stoff zum Vortäuschen von Eiweiß drin war: Die Cyanursäure. Die Cyanursäure wird zur Herstellung von Melamin genutzt. Es scheint, dass gerade die Kombination von Melamin und Cyanursäure – die man übrigens letztes Jahr in melaminverfälschten Futtermitteln gefunden hat, - zum Nierenversagen führt.
Diese Panschereien bei der Säuglingsmilch sind ein gravierender Skandal. Dabei sollen wir nicht vergessen, dass große Lebensmittel-Vergiftungen in China recht oft vorkommen. Genauso wie noch von hundert Jahren in Deutschland. Wenn wir uns heute über Acrylamid in Knäckebrot oder "fremde" Gene im Mais echauffieren, dann ist das ein Zeichen von Luxus verbunden mit Realitätsverlust.
Literatur:
Bisaz R: Nachweis von 2,4,6-Triamino-1,3,5-triazin (Melamin) in Kartoffelproteinen. Mitteilungen aus dem Gebiete der Lebensmitteluntersuchung und Hygiene 1983; 74: 74-79
Chaubert C: Futtermittel: Maiskleber aus dem Verkehr gezogen. Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux. 26.6.2007
Weise E: Melamine in pet food may not be accidental. USA Today 19.4.2007
www.animal-health–online.de/klein/?s=Melamin&x=11&y=11
Yokley RA et al: Analytical method for the determination of cyromazine and melamine residues in soil using LC-UV and GC-MSD. Journal of Agricultural & Food Chemistry 2000; 48: 3352-3358
Ishiwata H et al: Migration of melamine and formaldehyde from tableware made from melamine resin. Food Additives and Contamination 1986; 3: 63-69
Bardalaye PC et al: Gas chromatographic determination of cyromazine and its degradation product, melamine, in Chinese cabbage. Journal of the Association of Offícal Analytical Chemists 1987; 70: 455-457
Ishiwata H et al: Liquid chromatographioc determination of melamine in beverages. Journal of the Association of Offícal Analytical Chemists 1987; 70: 457-460