Verpackungen aus Recycling-Material – kontaminiert!

Von Udo Pollmer |
Verbraucherministerin Ilse Aigner will giftige Farben auf Verpackungen wie Joghurtbechern oder Milchkartons verbieten. Anlass für diesen Vorstoß waren aktuelle Rückstandsanalysen, bei denen Reste von Mineralölen aus der Verpackung in Speisen gefunden wurden.
Es ist immer wieder erstaunlich, was man so alles in Lebensmitteln findet – zumindest wenn man sich die Mühe macht, auch danach zu suchen. Wie beispielsweise Mineralöle. Und das nicht zu knapp, mehrere Milligramm pro Kilo sind nichts Ungewöhnliches. So wurde es gerade in den Medien berichtet. Die Hersteller sind in diesem Falle wahrscheinlich unschuldig. Denn das Mineralöl war offenbar über die Umkartons in die Lebensmittel gelangt. Genauer gesagt über Öko-Umkartons aus Altpapier. Da die Druckfarben von Zeitungen als Lösungsmittel Mineralöl enthalten, sorgt das Recycling dafür, dass diese Mineralöle im Sinne der Kreislaufwirtschaft wieder im Essen landen.

Nun ist die Sache nicht wirklich neu. Die Analytik für Mineralöl steht seit etwa zwei Jahrzehnten und es wurden erhebliche Anstrengungen unternommen, das Zeug aus den Lebensmitteln herauszubekommen. Es begann um 1990 mit den Jute- und Sisalsäcken, darin werden viele Rohstoffe wie Nüsse, Reis oder Kakaobohnen gehandelt. Das Mineralöl machte die Naturfasern geschmeidiger. Alsbald fand man kontaminierte Bonbons, schuld waren die gewachsten Einwickelpapierchen, schließlich gerieten Käseüberzüge und Wurstpellen ins Visier der Analytiker. Sie fanden es auch in Brotaufstrich, schuld waren die Plastikbecher, da hatte man das Paraffin auf den oberen Rand der Becher geschmiert, damit die Deckel luftdicht abschließen. Ja selbst Weine waren damit belastet, wegen der Korken. Die flutschen damit leichter in den Flaschenhals. Nicht anders bei Getränkedosen: das Formen der Dosen wird durch Mineralöle erleichtert. Und so kam es in die Limo.

Natürlich war auch Fleisch belastet, nicht nur wegen dem Futter, sondern weil Impfstoffe für Geflügel Mineralöle enthielten. Am schlimmsten war es allerdings um Brot und Backwaren bestellt. Das Zeug kam über mehrere Pfade: Zunächst wurden Paraffine zur Staubbekämpfung in Getreidelagern einge-setzt. Dann waren damit die Rosinen überzogen und andere Trockenfrüchte für die Bäckerei, damit sie saftig bleiben. Und schließlich sorgten Paraffine als Trennmittel dafür, dass sich die Ware wieder von den Blechen und Fließbändern löste. Und nicht zu vergessen: Mineralöle sind natürlich auch in Kosmetika enthalten. Analysen von menschlichem Fett ergaben Rückstände von annährend einem halben Gramm pro Kilo. Es sind damit die mengenmäßig wichtigsten Fremdstoffe im Menschen.

Diesmal kam es über das Recycling von Altpapier. Der Hersteller kennt natürlich die Probleme mit den Recyclingverpackungen. Er steckt in der Zwickmühle: Auf der einen Seite werden von ihm Reinheitsgebote eingefordert. Auf der anderen Seite wird er über die öffentliche Meinung gezwungen, Verpackungen mit Öko-Image zu verwenden und damit unkalkulierbare Risiken einzugehen. Denn das Mineralöl im Karton ist ja nur die Spitze eines Eisberges.

Viele Papiere werden mit Chemie quasi getränkt. Es gibt zahllose Stoffe, die man braucht, bis das Papier die technischen Eigenschaften hat, die es für den jeweiligen Zweck benötigt. Dazu kommen dann die speziellen Oberflächenveredlungen, damit sich das Modemagazin auch angenehm in der Hand anfühlt. Nicht zu vergessen die vielen Chemikalien zur Herstellung von Druckfarben. Für jedes Papier braucht es natürlich jedes mal andere Stoffe. Und dann werden im Altpapier all diese Materialien, die neben Cellulose unzählige Zusätze enthalten können, zusammen mit den im Papier enthaltenen Abfällen – seien es Papierrotzfahnen oder nicht geleerte Medikamentenschachteln – wieder zu grauem Karton verarbeitet und Lebensmittel darin verpackt. Hier hilft nur ein Verbot von Recyclingpapier in Lebensmittelbetrieben. Viele Hersteller wären froh drum.

Und was machen jetzt unsere Umwelt- und Verbraucherschützer? Ganz einfach. Sie wollen, dass beim Zeitungsdruck keine Stoffe mehr eingesetzt werden, die per Recycling wieder in Lebensmittel geraten könnten. Ehrlich gesagt, mir ist es wurscht, womit die Verlage ihre Postillen bedrucken. Entscheidend ist, was da drinsteht. Hätten unsere Journalisten nicht reflexartig das Recycling über den grünen Klee gelobt, wäre uns dieser Skandal mit Sicherheit erspart geblieben. Mahlzeit!


Literatur:
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