Veronica, der Spargel wächst ...

Von Udo Pollmer · 08.05.2011
Ab Mitte April werden viele Menschen unruhig und erwarten nichts sehnlicher als den ersten Spargel. Gerade mit der frühen Ernte lässt sich gutes Geld verdienen, und der technische Fortschritt hat auch vor der Spargelernte nicht halt gemacht.
Niemand mag kalte Füße – und das gilt auch für viele Pflänzchen. Beispielsweise für den Spargel. Deshalb sorgt in den Spargelfeldern eine Fußbodenheizung für wohlige 20 Grad und damit für schnelleres Wachstum. Die Heizung wird im Februar angeschaltet, dann strömt warmes Wasser durch ein unsichtbares Leitungssystem und wärmt die Wurzelstöcke bis zu Beginn der Ernte im April. Messfühler erfassen die Temperatur im Erdreich, damit die Wärmezufuhr in 20 Zentimeter Tiefe exakt eingestellt werden kann.

Zum System gehören natürlich auch die langen Bahnen von Abdeckfolien, die für eine Wärme-dämmung sorgen. Ist die schwarze Seite nach oben gekehrt, heizt sich die Folie durch die Sonneneinstrahlung auf und unterstützt so die Bodenheizung. Noch wirksamer – wenn auch aufwändiger - sind beheizte Folienhäuser. Damit kann der Erntetermin abermals um ganze vier Tage vorverlegt werden. Da der erste Spargel einen 5mal höheren Preis erzielt als am Ende der Saison, rechnet sich das.

Was sich anhört wie eine neuzeitliche Form der Energieverschwendung ist in der Tat seit Generationen üblich. Jahrhunderte lang wurden zur Spargeltreiberei noch Mistbeete angelegt, die mit Rossdünger beheizt wurden - denn tierischer Dung gärt und entwickelt dabei Wärme. Da Pferdeäpfel damals kostbar waren, wurden um 1830 die ersten Spargel-Frühbeete mit einem Kamin beheizt, um möglichst früh im Jahr frisches und vor allem teures Gemüse ernten zu können. Holz war längst nicht so wertvoll wie Dünger.

Und wie sieht’s mit den Pestiziden aus? Deutlich besser als noch vor 100 Jahren. Da wurden aus Schwermetallen hochgiftige Mischungen erzeugt wie Schweinfurter Grün und damit Obst, Wein und Gemüse behandelt. Die meisten Präparate enthielten Quecksilber, Arsen, Kupfer und Blei. Da waren die organischen Pestizide nach dem Zweiten Weltkrieg eine Erlösung. Das inzwischen verpönte DDT war nicht nur wirksamer sondern auch harmloser. Heute ist die dritte Generation von Pestiziden im Einsatz, die sich nicht mehr im Fettgewebe anreichert wie DDT oder Lindan. Von den modernen Pestiziden werden von der Lebensmittelüberwachung nur noch selten Rückstände im Spargel gefunden.

Aber nicht, weil sie nicht eingesetzt würden, im Gegenteil, auch im Spargelanbau müssen der Spargelrost, die Spargelfliege und natürlich allerlei Ungräser bekämpft werden. Doch beim Spargel erfolgt die Behandlung in der Regel erst nach der Erntesaison. Außerdem sind die Kulturen durch die Folien geschützt: Solange kein Licht auf den Ackerboden dringt, wachsen auch keine Unkräuter.

Nachdem Spargel zunehmend zu Fertiggerichten und Konserven verarbeitet wird, suchen eifrige Technologen nach Möglichkeiten auch jenen Teil zu nutzen, der als Abfall gilt. Etwa die Hälfte jeder Stange landet in der Biotonne. Und was schließen die Experten daraus? "Man könnte ja", lese ich in einem einschlägigen Fachartikel, der sich über die Berge von Schälabfällen beklagt, "man könnte ja die Reste als Nahrungsergänzungsmittel für therapeutische Effekte nutzen."

Damit setzt auch beim Spargel das ein, was bei anderen Obst- und Gemüsesorten längst gang und gebe ist: Man sucht in den Schalen und Resten nach "gesunden" Inhaltstoffen. Ein paar Versuche an Mäusen und alsbald füllt ein neues Wundermittel die Seiten unserer Gesundheitspresse. Ein bis dato unverdächtiges Gemüse umweht nun der Nimbus, es sei das Nonplusultra für Herz, Nieren und Leber. In die unbefangene Freude, in den Appetit auf frischen Spargel mit zerlassener Butter mischt sich nun die Sorge um den eigenen Nabel. Werte Spargelwirtschaft: Packt Euren Müll doch bitte weiterhin in die Biotonne und verkauft uns einfach nur Spargel – und keine Medizin. Mahlzeit!


Literaturhinweise:

Zhu X et al: Hypolipidemic effect of n-butanol extract from Asparagus officinalis L. in mice fed a high-fat diet. Phytotherapy Research 2011: epab ahead of print

Kim BY et al: Effects of Asparagus officinalis extracts on liver cell toxicity and ethanol metabolism. Journal of Food Science 2009; 74: H204-H208

Lauer: Spargel-Treiberei mit Feuerheizung. Allgemeine deutsche Garten-Zeitung 1837; 15: 385-387
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