Vernünftige Lösung
Der derzeitige Zustand des Klimaschutzes ist alles andere als zufriedenstellend. Die Treibhausgasemissionen sind letztes Jahr, so das deutsche Wirtschaftsforschungsinstitut DIW, um 2,5 Prozent gestiegen und liegen damit um 27 Prozent über dem Niveau des Jahres 1990, das als Grundlage des Kyoto-Protokolls gewählt wurde.
Eigentlich hätten die Emissionen seitdem um mehr als fünf Prozent sinken müssen. Man ist also weit davon entfernt, die gesetzten Ziele zu erreichen und zwar durch die Bank alle Staaten, selbst Deutschland mit seinem ehrgeizigen CO² Reduktionsprogramm und EEG ist gescheitert. Daran lassen die Autoren keinerlei Zweifel. Und sie wissen, wovon sie reden.
Lutz Wicke, derzeit Direktor des Instituts für Umweltmanagement an der Europäischen Wirtschaftshochschule hat schon mehrere kritische Studien zum Kyoto-Protokoll vorgelegt, Co-Autor Peter Spiegel ist Mitinitiator des Global Marshall Plans und Co-Autorin Inga Wicke-Thüs unterrichtet Naturwissenschaften.
Der geballte Sachverstand der Autoren zeigt sich schon bei der Beurteilung der Klimaerwärmung, an der es ihrer Meinung nach keinerlei Zweifel mehr geben kann. Die Fakten sprechen eine eindeutige Sprache und sind hier noch einmal klar und verständlich aufgelistet, so wie das ganze Buch durch seine sachlich-präzisen Formulierungen ohne Polemik auffällt.
Zu erwarten ist eine Erwärmung des Erdklimas um 1,5 bis 2 Grad Celsius. Das klingt nach wenig, doch die Auswirkungen sind katastrophal und hier noch einmal beschrieben: drastischer Anstieg des Meeresspiegels, stärkere und häufigere Hurrikans und Taifune, größere Dürre- und Hitzeperioden, ausgedehnte Wüstenbildung.
Es liegt also im Interesse aller Länder, insbesondere der Entwicklungsländer, bald zu handeln. Die einzig gangbare Methode erscheint nun den Autoren in einem weltweiten Emissionshandelskonzept zu liegen. Das soll ihrer Ansicht nach so aussehen: Man einigt sich weltweit auf ein Klimaziel, das bei maximal plus 1,5 bis 2 Grad Celsius, umgerechnet entspräche das weltweit dem Ausstoß von rund 30 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid.
Nach dem demokratischen Grundprinzip "one man - one vote" bekommt jedes Land entsprechend seiner Einwohnerzahl Emissionszertifikate zugeteilt und zwar pro Tonne Kohlendioxid ein Zertifikat: Das heißt Deutschland bekäme rund 400 Millionen Klimazertifikate, Indien aber 4,9 Milliarden.
Da die Industriestaaten sehr große Mengen fossiler Brennstoffe verbrauchen, werden sie mit den zugeteilten Zertifikaten nicht auskommen, müssen zusätzliche kaufen. Auf der anderen Seite werden Staaten wie Indien mit über einer Milliarde Einwohnern die ihnen zustehenden Emissionszertifikate nicht aufbrauchen, denn ihr Energieverbrauch liegt erheblich niedriger als der der Industriestaaten.
Ihre überschüssigen Zertifikate verkaufen sie zu einem Festpreis von zwei Dollar pro Tonne Kohlenstoffdioxid an die zu errichtende Weltklimabank. Dort können die Energielieferanten der Industrieländer die fehlenden Zertifikate erwerben.
Ergebnis: Die Entwicklungsländer bekämen relativ viel Geld, das zwecksgebunden für die Bekämpfung der Armut und die Einführung emissionsarmer Energiesysteme ausgegeben werden soll. Die Industriestaaten würden zwar für ihre Emissionen zahlen müssen, aber die Kosten blieben überschaubar, würden umgerechnet etwa bei einem halben Cent pro Liter Benzin liegen.
Da der Energiebedarf der Weltwirtschaft grundsätzlich steigt, werden Emissionszertifikate immer knapper und teurer. Erhofftes Ergebnis: Je teuer die Zertifikate werden, desto größer die Anstrengungen, durch Energieeffizienz und Energiesparen sowie erneuerbare Energien fossile Brennstoffe zu vermeiden. Der Kohlenstoffausstoß würde gestoppt, wahrscheinlich sogar sinken.
Soweit das Grundprinzip. Es klingt plausibel und praktikabel, lässt sich relativ einfach einführen und kontrollieren, mit einer Ausnahme: der Überprüfung, dass die eingenommenen Gelder in den Entwicklungs- und Schwellenländern auch wirklich für nachhaltige Entwicklung verwendet werden.
Dennoch bleibt nach der Lektüre ein großes Unbehagen übrig. Wie will man erreichen, dass sich die Weltgemeinschaft wirklich auf solch ein weltweites System einigt, so fair und gerecht es auch aussieht?
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass nicht Vernunft, sondern egoistische Einzelinteressen die Länder agieren lassen. Ganz ausgespart haben die Autoren die Diskussion über ein Ende des Erdölzeitalters, das heißt eine Verknappung der fossilen Energieträger und damit ein rasanter Anstieg der Preise kommt in ihrer Rechnung nicht vor.
Auch kann man über Einzelpunkte streiten, wie die optimistische Annahme einer kostengünstigen Kohlenstoffdioxid - Abscheide- und Lagerungstechnik oder die Forderung nach Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke. Eines aber ist unstrittig: Es ist höchste Zeit zu handeln und Kyoto Plus bietet eine vernünftige Lösung.
Lutz Wicke, Peter Spiegel, Inga Wicke-Thüs: Kyoto PLUS- So gelingt die Klimawende
C.H. Beck Verlag, München 2006
251 Seiten, 20,50 Euro
Lutz Wicke, derzeit Direktor des Instituts für Umweltmanagement an der Europäischen Wirtschaftshochschule hat schon mehrere kritische Studien zum Kyoto-Protokoll vorgelegt, Co-Autor Peter Spiegel ist Mitinitiator des Global Marshall Plans und Co-Autorin Inga Wicke-Thüs unterrichtet Naturwissenschaften.
Der geballte Sachverstand der Autoren zeigt sich schon bei der Beurteilung der Klimaerwärmung, an der es ihrer Meinung nach keinerlei Zweifel mehr geben kann. Die Fakten sprechen eine eindeutige Sprache und sind hier noch einmal klar und verständlich aufgelistet, so wie das ganze Buch durch seine sachlich-präzisen Formulierungen ohne Polemik auffällt.
Zu erwarten ist eine Erwärmung des Erdklimas um 1,5 bis 2 Grad Celsius. Das klingt nach wenig, doch die Auswirkungen sind katastrophal und hier noch einmal beschrieben: drastischer Anstieg des Meeresspiegels, stärkere und häufigere Hurrikans und Taifune, größere Dürre- und Hitzeperioden, ausgedehnte Wüstenbildung.
Es liegt also im Interesse aller Länder, insbesondere der Entwicklungsländer, bald zu handeln. Die einzig gangbare Methode erscheint nun den Autoren in einem weltweiten Emissionshandelskonzept zu liegen. Das soll ihrer Ansicht nach so aussehen: Man einigt sich weltweit auf ein Klimaziel, das bei maximal plus 1,5 bis 2 Grad Celsius, umgerechnet entspräche das weltweit dem Ausstoß von rund 30 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid.
Nach dem demokratischen Grundprinzip "one man - one vote" bekommt jedes Land entsprechend seiner Einwohnerzahl Emissionszertifikate zugeteilt und zwar pro Tonne Kohlendioxid ein Zertifikat: Das heißt Deutschland bekäme rund 400 Millionen Klimazertifikate, Indien aber 4,9 Milliarden.
Da die Industriestaaten sehr große Mengen fossiler Brennstoffe verbrauchen, werden sie mit den zugeteilten Zertifikaten nicht auskommen, müssen zusätzliche kaufen. Auf der anderen Seite werden Staaten wie Indien mit über einer Milliarde Einwohnern die ihnen zustehenden Emissionszertifikate nicht aufbrauchen, denn ihr Energieverbrauch liegt erheblich niedriger als der der Industriestaaten.
Ihre überschüssigen Zertifikate verkaufen sie zu einem Festpreis von zwei Dollar pro Tonne Kohlenstoffdioxid an die zu errichtende Weltklimabank. Dort können die Energielieferanten der Industrieländer die fehlenden Zertifikate erwerben.
Ergebnis: Die Entwicklungsländer bekämen relativ viel Geld, das zwecksgebunden für die Bekämpfung der Armut und die Einführung emissionsarmer Energiesysteme ausgegeben werden soll. Die Industriestaaten würden zwar für ihre Emissionen zahlen müssen, aber die Kosten blieben überschaubar, würden umgerechnet etwa bei einem halben Cent pro Liter Benzin liegen.
Da der Energiebedarf der Weltwirtschaft grundsätzlich steigt, werden Emissionszertifikate immer knapper und teurer. Erhofftes Ergebnis: Je teuer die Zertifikate werden, desto größer die Anstrengungen, durch Energieeffizienz und Energiesparen sowie erneuerbare Energien fossile Brennstoffe zu vermeiden. Der Kohlenstoffausstoß würde gestoppt, wahrscheinlich sogar sinken.
Soweit das Grundprinzip. Es klingt plausibel und praktikabel, lässt sich relativ einfach einführen und kontrollieren, mit einer Ausnahme: der Überprüfung, dass die eingenommenen Gelder in den Entwicklungs- und Schwellenländern auch wirklich für nachhaltige Entwicklung verwendet werden.
Dennoch bleibt nach der Lektüre ein großes Unbehagen übrig. Wie will man erreichen, dass sich die Weltgemeinschaft wirklich auf solch ein weltweites System einigt, so fair und gerecht es auch aussieht?
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass nicht Vernunft, sondern egoistische Einzelinteressen die Länder agieren lassen. Ganz ausgespart haben die Autoren die Diskussion über ein Ende des Erdölzeitalters, das heißt eine Verknappung der fossilen Energieträger und damit ein rasanter Anstieg der Preise kommt in ihrer Rechnung nicht vor.
Auch kann man über Einzelpunkte streiten, wie die optimistische Annahme einer kostengünstigen Kohlenstoffdioxid - Abscheide- und Lagerungstechnik oder die Forderung nach Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke. Eines aber ist unstrittig: Es ist höchste Zeit zu handeln und Kyoto Plus bietet eine vernünftige Lösung.
Lutz Wicke, Peter Spiegel, Inga Wicke-Thüs: Kyoto PLUS- So gelingt die Klimawende
C.H. Beck Verlag, München 2006
251 Seiten, 20,50 Euro