Vermeintlicher Befreiungsschlag für gestresste Eltern

Das kleine Büchlein "Verdammte Scheiße, schlaf ein!" war schon vor seinem eigentlichen Erscheinungstermin in den USA auf Platz 1 der Bestsellerliste. Doch der angebliche Tabubruch, sich über die renitenten Kinder mit derber Sprache zu empören, wirkt nach einigen Seiten ermüdend.
Das kleine Buch "Verdammte Scheiße, schlaf ein" schlägt ein wie eine Bombe. In den USA stürmte das Buch als Überraschungshit in kürzester Zeit die Bestsellerlisten und wird dort als Befreiungsschrei frustrierter Eltern gefeiert, deren Kinder nicht problemlos einschlafen wollen. Und auch hierzulande überschlagen sich die Feuilletons mit Lobeshymnen auf diese angeblich schräglustige Parodie aufs vermeintlich glückliche Leben mit Kindern. "Ein scheißgutes Buch", attestiert dann auch Bestsellerautorin Julia Frank dem Werk von Adam Mansbach.

Scheißgut? Vielleicht, weil der Hype im Internet begann, nachdem der Autor den Originaltitel "Go the Fuck to sleep" als Witz auf Facebook gepostet hatte und das Buch seit Wochen, lange vor dem eigentlichen Erscheinungstermin bei Amazon.com auf Platz 1 stand? Weil schon jetzt die Übersetzungen in 20 Sprachen auf dem Weg sind und die Filmrechte verkauft? Dann ja, ansonsten: nein!

Denn der Gag der Geschichte - ein Vater reimt über sein Kind, das nicht schlafen will, vierzehn Gutenachtverse, die harmlos beginnen, dann aber immer mit einer Frusttirade oder einem Schimpfwort enden, meist mit Scheiße - ist spätestens auf Seite drei erschöpft.

"Der Wind flüstert sanft durch die Gräser.
Die Feldmaus rollt sich ganz klein.

Ich sitze hier bald eine Stunde, mein Kind.
Verdammte Scheiße. Schlaf ein."


Heißt es auf Seite 4. Vorher klang es ähnlich, auf den nächsten Seiten auch.

Müde blättert man weiter und bleibt am Ende leicht irritiert zurück. DAS soll lustig sein? Revolutionär? Ein Durchbruch in Sachen elterlicher Selbsterkenntnis? Wohl kaum. Denn frustriert über den eigenen Nachwuchs sein, darüber klagen, dass es einem auch mal zu viel wird mit den lieben Kleinen, dass ein Tag auch mal ein Ende hat – auch für Zweijährige – das alles ist soooo alltäglich und bei jedem guten Elterntreffen spätestens nach 20 Minuten Thema, da erstaunt einen doch das viele Lob.

Worin also liegt der große Tabubruch dieses dünnen Büchleins, das mit seinen lieblich-schlichten Zeichnungen, auf denen man meistens kleine niedliche Kinder in romantischer Umgebung sieht, wie ein Kinderbuch daherkommt? Glaubt man dem deutschen Verleger Jo Lendle, der das Büchlein auch ins Deutsche übersetzt hat, dann ist es der Umschwung vom lieblichen Kinderbuchleben in die derbe Sprache der Erwachsenen, die deutlich macht, was Eltern wirklich denken.

Ach? Wer das sagt, der glaubte noch bis gestern, dass "Die "Heile, heile Gänschen. Es ist bald wieder gut!"-Welt, die Eltern ihren Kindern gerne vormachen, wahr ist. Ein Buch, das also mit schon fast kindlicher Freude am Fluchen daher kommt, soll Eltern also den Druck nehmen, alles falsch zu machen; soll Ventil sein?

Selbst der 34-jährige Autor ist vom Erfolg seines neuen Buches überrascht - wenngleich auch schon sein letzten Buch, "The End of the Jews", gut bei den Kritikern wegkam. Dies hier habe er innerhalb weniger Tage geschrieben, so die offizielle Homestory zum Titel, nachdem die ersten Reaktionen so euphorisch gewesen seien.

Von "kathartischen Erfahrung" berichtet dann auch die deutsche FAZ, wenn sie über die Rezeption des amerikanischen Originals berichtet. Und vielleicht, vielleicht liegt darin auch die Antwort auf die Frage, warum das Buch so boomt. "Fuck" zu sagen ist für Amerikaner durchaus schlimm und wer dann noch "Fuck" in Bezug auf Kinder sagt, der bricht tatsächlich ein gewisses Tabu – das von der sauberen amerikanischen Vorstadthölle, mit ihren sauberen, glücklichen Zwei-Kind-Familien. Aber ist das 2011 wirklich so ein Kracher? Das ist es, was einen nachdenklich macht, an diesem "scheißguten" Buch.

Besprochen von Kim Kindermann

Adam Mansbach: Verdammte Scheiße, schlaf ein!
Aus dem Englischen von Jo Lendle
DuMont-Verlag, Köln 2011
32 Seiten mit 18 farbigen Illustrationen von Ricardo Cortés
9,99 Euro