Vermeintliche islamische Sexkommune
Populär wurde Anthony McCarten in Deutschland durch die Verfilmung seines Theaterstücks "Ladies Night", deutscher Titel "Ganz oder gar nicht", in dem sechs arbeitslose Loser eine Männerstripgruppe gründen. Geschrieben hatte er es 1986 im Alter von nur 25 Jahren zusammen mit seinem Freund Stephen Sinclair, bekannt als Autor des Drehbuches zum "Herr der Ringe".
Der Neuseeländer Anthony McCarten, Jahrgang 1961, ist ein Multitalent: er schrieb 11 Theaterstücke, vier Romane und ist auch als Regisseur in Erscheinung getreten: 1999 wurde sein Film "Via Satellite" nach Cannes eingeladen. Im Moment arbeitet McCarten an der Verfilmung seines vorletzten Romans "Superhero". Sein neuer Roman heißt "Englischer Harem".
Der Leser stelle sich einen "echten" Harem vor, und das in London; nach islamischem Recht darf ein Mann theoretisch bis zu vier Ehefrauen haben. Drei Ehefrauen hat nun die eine der beiden Hauptfiguren der Geschichte, der iranisch-stämmige Restaurantbesitzer Saaman "Sam" Sahar, der englischer ist als viele Engländer, der seine Jugend in englischen Kirchenchören verbracht hat und den sein Vater ausgerechnet als einen Verräter des Islam betrachtet.
Dieser Sam Sahar ist zunächst nur mit zwei Frauen verheiratet, mit beiden hat er nie Sex gehabt; er hat sie allein aus humanitären Gründen geheiratet, um ihnen einen finanziellen und gesellschaftlichen Status gegeben. Eine der beiden Frauen ist Sahars Schwägerin mit vier Kindern; ihr Mann, Sahars Bruder, kam durch eine Autobombe ums Leben.
Dann aber lernt Sam Sahar seine künftige dritte Ehefrau kennen, Tracy, eine junge Engländerin, 21 Jahre alt und eine arbeitslose Supermarktkassiererin. Daraufhin stürzt sich die Presse auf den vermeintlichen "Gruppen-Sex-Harem". Der Fall eskaliert, und am Ende wird Sam Sahar von zwei Rechtsradikalen lebensgefährlich verletzt. Der Roman beruht auf einer wahren Begebenheit.
"Englischer Harem" ist eine realistische Tragikkomödie. Es darf sehr viel gelacht werden; McCarten ist ein Meister des zarten Humors wie auch der Situationskomik und des Slapsticks, der auch vor der Intensivstation nicht halt macht.
"Englischer Harem" hat die epische Größe der Romane von John Irving, also die Qualität, den Leser amüsant einzuspinnen in eine große Handlung. Und gleichzeitig beherrscht Anthony McCarten die Erzähldynamik T.C. Boyles, also jene Kunst der permanenten Eskalation der Handlung, und wie Boyle auch hat McCarten einen gesellschaftskritischen Ansatz, er begehrt gegen "unsere bigotte und intolerante Gesellschaft" auf, wie die "Times" über diesen Roman schrieb.
"Englischer Harem" ist höchst subversive Unterhaltungsliteratur: McCarten stellt unsere westliche Sicht des Islam gründlich auf den Kopf, was ihm körbeweise Leserbriefe einbrachte, die ihm die Verherrlichung des Islam vorwarfen.
"Englischer Harem" ist nicht nur eine fulminante Tragikkomödie, die Betonung liegt auf Komödie, sondern auch ein großer Liebesroman, ein Roman voller Sensibilität, Witz und politischem Anspruch.
Rezensiert von Lutz Bunk
Anthony McCarten: "Englischer Harem"
Übersetzt von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié
Diogenes Verlag 2008
582 Seiten. 21,90 Euro
Der Leser stelle sich einen "echten" Harem vor, und das in London; nach islamischem Recht darf ein Mann theoretisch bis zu vier Ehefrauen haben. Drei Ehefrauen hat nun die eine der beiden Hauptfiguren der Geschichte, der iranisch-stämmige Restaurantbesitzer Saaman "Sam" Sahar, der englischer ist als viele Engländer, der seine Jugend in englischen Kirchenchören verbracht hat und den sein Vater ausgerechnet als einen Verräter des Islam betrachtet.
Dieser Sam Sahar ist zunächst nur mit zwei Frauen verheiratet, mit beiden hat er nie Sex gehabt; er hat sie allein aus humanitären Gründen geheiratet, um ihnen einen finanziellen und gesellschaftlichen Status gegeben. Eine der beiden Frauen ist Sahars Schwägerin mit vier Kindern; ihr Mann, Sahars Bruder, kam durch eine Autobombe ums Leben.
Dann aber lernt Sam Sahar seine künftige dritte Ehefrau kennen, Tracy, eine junge Engländerin, 21 Jahre alt und eine arbeitslose Supermarktkassiererin. Daraufhin stürzt sich die Presse auf den vermeintlichen "Gruppen-Sex-Harem". Der Fall eskaliert, und am Ende wird Sam Sahar von zwei Rechtsradikalen lebensgefährlich verletzt. Der Roman beruht auf einer wahren Begebenheit.
"Englischer Harem" ist eine realistische Tragikkomödie. Es darf sehr viel gelacht werden; McCarten ist ein Meister des zarten Humors wie auch der Situationskomik und des Slapsticks, der auch vor der Intensivstation nicht halt macht.
"Englischer Harem" hat die epische Größe der Romane von John Irving, also die Qualität, den Leser amüsant einzuspinnen in eine große Handlung. Und gleichzeitig beherrscht Anthony McCarten die Erzähldynamik T.C. Boyles, also jene Kunst der permanenten Eskalation der Handlung, und wie Boyle auch hat McCarten einen gesellschaftskritischen Ansatz, er begehrt gegen "unsere bigotte und intolerante Gesellschaft" auf, wie die "Times" über diesen Roman schrieb.
"Englischer Harem" ist höchst subversive Unterhaltungsliteratur: McCarten stellt unsere westliche Sicht des Islam gründlich auf den Kopf, was ihm körbeweise Leserbriefe einbrachte, die ihm die Verherrlichung des Islam vorwarfen.
"Englischer Harem" ist nicht nur eine fulminante Tragikkomödie, die Betonung liegt auf Komödie, sondern auch ein großer Liebesroman, ein Roman voller Sensibilität, Witz und politischem Anspruch.
Rezensiert von Lutz Bunk
Anthony McCarten: "Englischer Harem"
Übersetzt von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié
Diogenes Verlag 2008
582 Seiten. 21,90 Euro