"Johannes Vermeer. Vom Innehalten"
10.09.2021—02.01.2022
Zwinger, Gemäldegalerie Alte Meister
Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Die starken Frauen des Barock
07:31 Minuten
In Dresden läuft die größte Schau des Barockmalers Johann Vermeer in Deutschland. Dabei wird auch sein Frauenbild sichtbar. Anders als im 19. Jahrhundert gedacht, sind die Frauen auf den Bildern Vermeers stark und selbstständig.
Das Zentrum der Dresdener Ausstellung "Johannes Vermeer. Vom Innehalten" bildet das Bild "Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster" aus dem Jahr 1657. Nachdem es vier Jahre restauriert wurde, ist es nun erstmals zu sehen.
Bei den Arbeiten wurde eine kunsthistorische Sensation entdeckt: Die weiße Wand hinter dem Mädchen war ursprünglich gar nicht weiß, sondern mit einem Bild eines nackten Liebesengels, eines sogenannten Kupidos, bedeckt.
Original Vermeer freigelegt
"Man hat sich entschlossen, was wirklich ungeheuer mutig ist, diese weiße Fassung runterzunehmen und darunter den mutmaßlich originalen Vermeer freizulegen", sagt der Kunstkritiker Nikolaus Bernau.
Dadurch ergebe sich auch eine neue Deutung des Bildes, sagt Bernau, denn der Engel zertrete die Masken der Schande und der Untreue. Das sei eine Mahnung an das Mädchen, treu zu sein.
Die anderen Bilder der Ausstellung hätten ähnliche Botschaften, so Bernau: "Was einen dann zu dem Gedanken bringt, wenn man die ganzen brieflesenden jungen Damen sieht und die, die irgendwelche kostbare Gegenstände vor sich haben und immer gemahnt werden: 'Seid treu und anständig', dass die doch nicht ganz so treu und anständig sind und deswegen ständig gemahnt werden müssen."
In Dresden seien rund ein Viertel aller existierenden Bilder von Vermeer zu sehen, sagt Bernau, und es zeige sich das erstaunlich moderne Frauenbild des Malers: "Das sind sehr selbstbewusste Frauen".
Frauen waren selbstständig
Nicht nur könnten sie lesen und schreiben, sie wiegen auch Gold und Perlen ab: "Das stimmt mit der zeitgenössischen Überlieferung überein, dass Frauen in den Niederlanden im 17. Jahrhundert selbstständige Handelsgenossinnen waren."
Dadurch werde sogar der Blick auf Vermeer korrigiert, sagt Bernau: Die Interpretation des 19. Jahrhunderts habe diese Frauenbilder deswegen so geliebt, "weil es so zarte Gestalten zu sein scheinen, die so hilflos sind. Aber wenn man die nebeneinander sieht, dann ist das doch ein erstaunliches Panorama von Frauen, die sehr stark sind."
Es gebe natürlich noch weitere Gründe, die Vermeer-Schau in Dresden anzuschauen, sagt Bernau: "Er ist einfach ein hinreißender Maler."
(beb)