Verlagswesen

Buchstadt Leipzig?

Da war die Messe noch im Herzen der Stadt: Blick aus dem Messehaus am Markt auf das Leipziger Rathaus.
Zu Messezeiten überfüllt - aber sonst? © picture alliance / dpa / Waltraud Grubitzsch
Von Nadine Lindner · 12.03.2014
Leipzig das war einmal das Zentrum des deutschen Verlagswesens. 1928 waren allein über 500 Verleger hier zu Hause. Dann kamen der Zweite Weltkrieg, die DDR und die deutsche Einheit. Die meisten Verlage sind längst weg, zuletzt schloss Reclam seine Dependance. "Buchstadt Leipzig" - nur ein Mythos?
Knopf: "Rechts sehen sie dann Merkur mit den Büchern und einer Weltkugel, Merkur verkörpert in diesem Fall den Gott des Handels, er verkörpert in diesem Fall den Buchhandel. Und er zeigt also stolz, dass er die Bücher in aller Welt verkauft."
Ortstermin Leipzig im sogenannten Grafischen Viertel, das sich im Osten der Stadt direkt an die Innenstadt anschließt.
Knopf: "Wir stehen vor einem der schönsten Gebäude im Grafischen Viertel, die auch noch erhalten geblieben sind. Sie müssen sich vorstellen, dass es hier überall noch ähnlich aussah. Wir stehen vor dem Gebäude des Reclam Verlages. Das ist eines der schönsten Gebäude überhaupt im Grafischen Viertel auch baugeschichtlich sehr interessant."
Niedergang der Bücherstadt
Hinter Sabine Knopf, die sich auch als Autorin mit der Verlagsgeschichte der Stadt befasst, liegt das Haus eines "der" Leipziger Verlage, Reclam, heute gibt es ihn hier nicht mehr. 2006 ist die Leipziger Dependance geschlossen worden, das Geschäft läuft jetzt über den Firmensitz in Stuttgart. Für viele in Leipzig ist der Name Reclam besonders eng mit dem Niedergang der Bücherstadt Leipzig verbunden. Heute muss man schon ganz genau hinsehen, denn es erinnern nur noch die kleinen Statuen über der Tür an die Verlagsvergangenheit des Häuserkomplexes an der Kreuzung Inselstraße und Kreuzstraße. Hier schlug einst das Herz des Buchhandels:
Wie viele hier hat auch Sabine Knopf in einem der vielen Leipziger Verlage gearbeitet. Die Stelle hat 64-Jährige jetzt nicht mehr, die Liebe zu den Büchern, zur Geschichte der Buchstadt Leipzig aber ist geblieben. Seit 2001 bietet sie regelmäßig Führungen durch das Grafische Viertel an - gerade zu Messezeiten sind sie heiß begehrt. Seemann, Insel, viele der Straßen tragen einen Namen, der auf einen Verlag zurückgeht, sie erinnern an eine glanzvolle Vergangenheit.
Knopf: "Leipzig war ja nicht nur als Buchstadt von Bedeutung, durch die vielen großen Verlage, mit den klangvollen Namen wie mit Reclam, Breitkopf, Baedeker Seemann, und wie sie alle heißen, sondern auch durch den Kommissions-Buchhandel, der dieses Bestell- und Auslieferungssystem übernommen hatte. Es wurden ja alle Bücher, die bestellt wurden, wurden über Leipzig bestellt und auch ausgeliefert durch die großen Konzerne wie Köhler und Volckmar."

Blick am Mittwoch (07.12.2005) auf das Gebäude des Reclam Verlages in der Leipziger Innenstadt.
Mit der Schließung des Reclam-Gebäudes 2006 ging eine 183-jährige Verlagstradition zu Ende.© dpa / Peter Endig
Wenn von der "Buchstadt Leipzig" gesprochen wird, dann gibt es hier vor allem bei der Logistik die Referenzpunkte dafür:
"Dieses Schlagwort vom Leipziger Platz. Das hat Teubner geprägt, als er Brockhaus eingeladen hat, nach Leipzig zu kommen. Brockhaus kam 1817 nach Leipzig, und Teubner schrieb ihm, nur hier sind sie auf ihrem Platz. Und daraus entstand dann das Schlagwort vom Leipziger Platz. Das beschreibt einen zusammenhängenden Organismus von Verlagen, Kommissionsbuchhandlungen, Druckereien und Ausbildungsstätten, die sich alle hier im Grafischen Viertel, das ungefähr einen Quadratkilometer groß ist, vereint haben."
In dieser Zeit entstanden in der sächsischen Metropole einige Institutionen, die uns bis heute bekannt sind: 1888 stieg der Leipziger Börsenverein zum Branchen Dachverband für alle Verbände des Buchhandels in Deutschland auf. Im gleichen Jahr wurde auch eine Geschäftsordnung eingesetzt, die einen festen Ladenpreis für Bücher brachte - bis heute bekannt als Buchpreisbindung. Den Boden für die Entwicklung in Leipzig hatten einige Vordenker bereitet - die Stadt verfügte mit der seiner alten Universität über ein freiheitliches geistiges Klima.
Knopf: "Leipzig hat sich auch im 18. Jahrhundert zur Buchstadt profiliert. Der Vorreiter der Verleger war Philipp Erasmus Reich, er hat auch die bedeutendsten Autoren seiner Zeit verlegte. Gellert, Gottsched und die Aufklärer. Leipzig war eine der Hochburgen der Aufklärung. Damals entwickelte sich die Buchstadt, damals wurden die Grundlagen geschaffen, dass Leipzig eine Buchstadt werden konnte."
Doch schon bald nach der Blüte Anfang des 20. Jahrhunderts, vor dem Ersten Weltkrieg mehren sich die Zeichen des Verfalls.
Der Zweite Weltkrieg - der Anfang vom Ende
Wenn man den Niedergang der Buchstadt Leipzig als Prozess betrachtet, der schrittweise abgelaufen ist, dann war der Bombenangriff auf das Grafische Viertel im Zweiten Weltkrieg einschneidend:
"Als der Zweite Weltkrieg hereinbrach, war auch Leipzig betroffen. Und das Grafische Viertel wurde besonders getroffen, weil hier auch Propaganda-Literatur gedruckt worden ist."
Das Grafische Viertel wurde bombardiert im Oktober und dann noch mal im Dezember 1943. Das war der schwerste Angriff. Davon hat sich Leipzig nicht wieder erholt. Damals wurden 1000 Firmen zerstört oder beschädigt. 50 Millionen Bücher verbrannten.
Die Bombennacht 1943 war also der erste Bruch, der erste Abschied von der Buchstadt.
Mehr Auskunft über die neueren Entwicklungen können die Buchwissenschaftler der Uni Leipzig geben. Zum Beispiel Thomas Keiderling. Der Historiker hat lange als Dozent in der Buchwissenschaft gearbeitet, mittlerweile ist er auch in der Staatsbibliothek Berlin tätig.
Weil ihn die teilweise nostalgisch geführten Debatten über die Buchstadt Leipzig ärgerten, hat er die Geschichte in einem Buch aufgearbeitet.
Keiderling: "Und ich bin wie folgt dazu gekommen: Immer zur Buchmesse passiert das, was jetzt auch passiert. Journalisten fragen mich: Was ist denn eigentlich die Buchstadt Leipzig und gibt es sie überhaupt noch? Und weil die Fragen immer wieder kamen, und da habe ich mir gedacht, das muss ich mal wissenschaftlich aufarbeiten in 200 Seiten. Und das ist dieses Buch."
Sein Buch "Aufstieg und Niedergang der Buchstadt Leipzig" hat mittlerweile einen festen Platz auf dem Lehrplan der Studenten der Kommunikations- und Medienwissenschaften.
Der Exodus
Keiderling: "Dann haben wir große Brüche. Die Zerstörung 1943 war eine solche, indem das Wirtschaftsgebiet des Graphischen Viertels zu 80 Prozent zerstört wurde. Und dann der Exodus der Verlage 1945 bis 1952 im Zuge verschiedener Enteignungswellen.
Viele Verlage wanderten nach dem Zeiten Weltkrieg nach Westdeutschland ab bzw. gründeten dort eigene Dependancen wie Reclam, Brockhaus und andere. Mit dem, was blieb, wurde eine sozialistische Buchstadt aufgebaut. Die Zahl der Buchunternehmen schrumpfte auf knapp 40, fast alle waren staats- oder parteieigen. Leipzig blieb dennoch nach Berlin die zweitbedeutendste Verlags- und Druckstadt sowie die führende Buchmessestadt der DDR. Prägend war die Buchlogistik, wie der LKG, der Leipziger Kommissions- und Großbuchhandel.
Die Leipziger Buchbranche hatte schon viele Einschnitte erlebt, doch was im Zuge der Deutschen Einheit auf sie zukam, war singulär.
Keiderling: "Hier ist über Nacht praktisch mit der Wiedervereinigung ein umfangreiches Sortiment auf die Leipziger eingestürmt, auch auf die sächsischen Buchleser was sie vorher nie gesehen haben. Belletristik, Reisebücher, Hochglanz, etc. Die DDR-Verlage waren teilweise verwöhnt, weil die Bücher fanden reißenden Absatz. Die Leipziger Verlage haben gemerkt, dass es schwierig wurde, ihre Bücher hier abzusetzen. Und es sind die Leipziger Verlage reihenweise in die Insolvenz gegangen."
Auf der Buchmesse in Leipzig schauen sich Besucher in der Kinderbuchhandlung Bücher an, aufgenommen am 17.03.2013.
Zur Buchmesse herrscht Andrang© picture-alliance/ dpa / Waltraud Grubitzsch
Lauter Kleinst-Unternehmer und Einzelkämpfer
Auch Neuansiedlungen oder Rückkehrer gab es kaum. Viele Verlage blieben der Stadt weiterhin fern. Wobei allein die Zahl der Verlage nicht als Beleg für diese Entwicklung herangezogen werde kann. Zum Ende der DDR gab es gerade noch 38 Verlage in Leipzig. Mittlerweile sind es wieder mehr als doppelt so viele. Allerdings: bis auf die Klett-Verlage kaum noch große. Kleinst-Unternehmungen und Einzelkämpfer als Verleger dominieren bis heute.
Die nach der Wiedervereinigung neu gegründete Buchmesse betrachtet Buchwissenschaftler Thomas Keiderling mit einer gewissen Distanz. Jahr für Jahr kämen einmal im Jahr die Lastwagen mit Büchern und bunten Broschüren. Doch die Musik spiele im restlichen Jahr einfach nicht in Leipzig.
Keiderling: "Dieser ganze Buchstadtbegriff, der heute verwendet wird, kommt aus der Zeit, dass man im Prinzip einen Standort schön redet, besser redet, auch in seinen Leistungen."
Doch was ist heute noch geblieben von der Buchstadt Leipzig? Ein Besuch im Haus des Buches an der Prager Straße, unweit des ehemaligen Grafischen Viertels.
Auszug aus Werbetrailer der Buchmesse: "Neugierde, ziemlich viel Arbeit, Vorfreude und am Ende das große Glücksgefühl - das sind die Worte, die die Arbeit des kompletten Leipzig-liest-Teams ziemlich genau beschreiben."
Zadie Smith, Christopher Clark als internationale Größen, deutsche Schriftsteller wie Moritz Rinke oder Mirko Bonné sind präsent, aber auch junge Autoren wie Andre Herrmann von der Lesebühne Schkeuditzer Kreuz stehen in dem Programmheftchen, die im Haus des Buches ausliegen. Vorboten der diesjährigen Buchmesse. Auch in diesem Jahr wird sie begleitet von Europas größtem Lesefest "Leipzig liest". 3000 Mitwirkende und Autoren werden an über 400 Orten auf dem Messegelände und der Innenstadt auf Veranstaltungen präsent sein. Zur Buchmesse kamen im vergangenen Jahr 170.000 Besucher.
Regine Lemke ist die Frau der Zahlen, wenn es um die Buchstadt Leipzig geht. Sie ist die Geschäftsführerin des Börsenvereins des deutschen Buchhandels in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und damit Ansprechpartner für Buchhändler in fachlichen und rechtlichen Fragen. Sie weist neben allen Abwärtstrends der Vergangenheit auch auf die positiven Entwicklungen hin.
Es geht berauf
Lemke: "Wenn man sich die Titelliste nach Orten sich über die Jahre anschaut, dann sieht man, dass Leipzig einen kontinuierlichen Aufschwung genommen hat. Von Platz 30 im Jahr 1991 auf der Liste der Städte nach dort produzierten Titeln stehen wir jetzt auf Platz 10. Wenn das nicht Mut macht."
Leipzig spiele mit seinen 912 produzierten Titeln im Jahr 2012 damit als Standort für die Buchproduktion zwar nicht in der ersten Liga, könne sich aber schon seit Längerem im Mittelfeld behaupten.
Positiv wirke sich das kulturelle Umfeld aus, das Netzwerk der buchnahen Institutionen in der Stadt.
Lemke: "Es ist wirklich so ein Geflecht, so, auf neudeutsch würde man das Netzwerke nennen. Hier ist so eine besondere Atmosphäre, ich glaube, die ist auch so einmalig für Deutschland. Hier ist das Institut für Literatur, wir haben die Universität, wir haben die Nationalbibliothek, wir haben die buchhändlerische Ausbildung, wir haben die Buchmesse, wir haben die Deutsche Nationalbibliothek - das ist schon was Besonderes!"
Am 1995 wieder eröffneten deutschen Literaturinstitut, kurz DLL, können Studenten eine Universitäts-Ausbildung für Schriftsteller absolvieren. Im deutschen Sprachraum gibt es kaum vergleichbare Einrichtungen.
Doch trotz allem Optimismus, die Entwicklung der vergangenen 15 Jahre bleibt ernüchternd: 2006 hat Reclam die Leipziger Dependance geschlossen, 2009 gab Brockhaus auf, 2010 ging der Insel Verlag nach Berlin. Neuansiedlungen gibt es, aber es sind Klein- oder Kleinstverlage.
Wer sich einen Eindruck davon verschaffen möchte, wie es heute um die Verlagsstadt Leipzig und ihre Geschäfte bestellt ist, der ist kurz vor der Messe im Haus des Buches gut aufgehoben. Seit zehn Jahren treffen sich hier kleine Verlage aus der Region, um Journalisten ihre Programme vorzustellen. 28 Verlagshäuser aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind heute gekommen. Zwei Stunden lang konnten sie bei dem kleinen Branchentreff ihre Neuerscheinungen vorstellen, ihre neuen Bücher der Öffentlichkeit präsentieren.
Auf den Tischen liegen die aktuellen Ausgaben - von Regionalliteratur, über die unvermeidlichen Krimis, bis hin zu junger Belletristik. Wer sich unter den Verlegern umhört, der trifft auf verhaltenen Optimismus in allen Schattierungen.
Rainer Höltschl ist für den Open House Verlag hier, er ist aus Freiburg im Breisgau nach Leipzig gekommen, um hier seinen Verlag zu gründen.
Höltschl: "Es war die richtige Wahl! Wir haben auch überlegt, nach Berlin zu gehen. Da gibt es ja auch junge Verlage für Gegenwartsliteratur. Aber da wären wir vielleicht nicht richtig wahrgenommen worden. Vielleicht war das auch der Grund dafür, nach Leipzig zu gehen, hier wird man wahrgenommen."
Seine Strategie: Er sucht junge Autoren und die will er vor allem am Deutschen Literatur-Institut finden.
Höltschl: "Eigentlich hat sich bis jetzt alles erfüllt. Wir haben die jungen Autoren gekriegt, über Umwege zwar, aber es hat geklappt. Auch über das Deutsche Literatur-Institut. Bis jetzt ist alles aufgegangen, wie wir uns das vorgestellt haben."

Messebesucher strömen auf die Buchmesse Leipzig.
Die Leipziger Buchmesse ist der große Start für das Buchjahr.© picture alliance / dpa / Jan Woitas
DIE Startmesse für das Buchjahr
Auch Helmut Stadeler ist optimistisch. Sein Verlag Bussert und Stadeler ist im thüringischen Jena zu Hause, mit Außenstellen in Leipzig und Quedlinburg - ein wirklich mitteldeutsches Konstrukt also. Als Landesvorstand Thüringen des Börsenvereins des deutschen Buchhandels beobachtet Stadeler die Entwicklungen in Leipzig ganz genau.
Stadeler: "Es ist die Startmesse für das Buchjahr. Nachdem im Januar, Februar, die Monate sind, wo nicht allzu viel passiert, da wird das Weihnachtsgeschäft verdaut, da wird gezählt, die Remissionen und alles mögliche. Und dann geht im Frühjahr das Buchjahr wieder los. Und das geht in Leipzig los. Das ist einfach so."
Die Frankfurter Buchmesse sei die Geschäftsmesse, in Leipzig dagegen komme das Publikum mehr zum Zug, kleinere Verlage könnten von günstigeren Standmieten profitieren und so neues Publikum erreichen. Ein Konzept, das aufgehe.
Verleger wie Mark Lehmstedt, der seinen Verlag seit 2003 betreibt, kämpfen leidenschaftlich für ihren Standort Leipzig. Da kann es auch schon mal emotional werden, wie diese Diskussion an seinem Stand zeigt.
"Von Niedergang ist überhaupt gar keine Rede"
Lehmstedt: "Tun sie mir einen großen Gefallen und hören Sie mit diesem Niedergang auf. Von Niedergang ist überhaupt gar keine Rede."
Frau: "Es war eine Krise."
"Nein, es war auch keine Krise."
Mann: "War nur eine provokative Frage."
"Aber das ist das, was die Medien seit Jahren immer wieder machen, weil Medien aus irgendwelchen absurden Gründen eine schlechte Nachricht für eine gute Nachricht halten. Nein, die gute Nachricht ist die gute Nachricht."
Seit über zehn Jahren hat sich der Lehmstedt Verlag vor allem im Bereich Foto-Buch einen Namen gemacht, und auch andere Neugründungen suchen ihren Platz am Markt.
Im Leipziger Stadtteil Reudnitz ist einer dieser innovativen neuen Verlage ansässig. Dort wohnen sonst eigentlich mehrheitlich Studenten, Familien mit kleinem Budget, Rentner. Der edcetera Verlag ist in einem Altbau zu finden, die Treppen quietschen beim Gang in den zweiten Stock. Hausbesuch bei Eyk Henze, dem Gründer des Einmann-Verlags Edcetera.
Henze: "Das ist der Roman XO von Francis Nenik in einer Pappschachtel. Das sind 853 Seiten, 427 Blätter ungebunden, nur von einer Roten Banderole zusammengehalten. Ich nehme das jetzt nicht ganz raus, sonst hab ich nachher zu tun, das alles wieder einzusammeln."
Ein ungebundenes Buch? Ein literarisches Werk als Lose-Blatt-Sammlung? Auf den ersten Blick wirkt das abenteuerlich. Das Werk XO des Leipziger Autors Francis Nenik, der unter einem Pseudonym schreibt, ist im Jahr 2012 erschienen. Er markierte damit auch die Geburtsstunde des Edcetera-Verlags.
Henze: "Also die Idee dahinter ist, dass man die Reihenfolge der Kapitel beim Lesen selber bestimmen kann, deshalb auch ungebunden."
Der 32-Jährige hat in Leipzig Buchwissenschaft und Kulturwissenschaft studiert und hat sich mit seinem eigenen kleinen Verlag einen Traum erfüllt. Ja, es gebe hier kreatives Potenzial und Räume, in denen man für wenig Geld viel auf die Beine stellen könne, doch ob Leipzig für ihn noch eine Buchstadt ist - da muss der studierte Buchwissenschaftler erst mal einen Moment innehalten, um ihr schließlich eine gewisse Strukturschwäche zu attestieren.
Henze: "Es gibt hier Verlage und auch einen Stammtisch und einen Austausch. Und mein Eindruck ist, dass das hier eher kleinere Unternehmungen sind. Also die Buchstadt, wie man sie kannte, die gibt es spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr."
Fazit: Ja, die Leipziger Buchmesse ist erfolgreich, die Lesungen werden nicht nur zu Messezeiten vom interessierten Publikum gut besucht. Doch die Buchstadt Leipzig, wie sie bis zum frühen 20. Jahrhundert mit der Idee des "Leipziger Platzes" existierte, erlebte erst im Zweiten Weltkrieg und dann später mit der Wiedervereinigung ihren Niedergang. Auch wenn jetzt die Stadt in Messezeiten wieder vibriert, es ist nicht wirklich abzusehen, dass sie sehr bald an ihre alte Größe anknüpfen wird. Wobei es hier genug Freude am Buch gibt und einige kreative Köpfe Grund zur Hoffnung geben.
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