Verkürzte Arbeitszeit

Weniger Erschöpfung, mehr Zufriedenheit

06:45 Minuten
Eine Frau liegt mit dem Kopf auf einem Tisch neben ihrer vollen Kaffeetasse und ihrem Rechner.
Einschlafen über der Arbeit soll es nach neuesten Plänen zur Arbeitszeitverkürzung nicht mehr geben. © Eyeem/ Ina Pashkina
Nikolaus Blome und Kirsten Lemke im Gespräch mit Korbinian Frenzel  · 07.01.2020
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Für viele Beschäftigte wäre weniger Arbeitszeit ein heißer Wunsch. In Finnland hat die heutige Ministerpräsidentin Sanna Marin schon vor ihrer Amtszeit angeregt, nur vier Tage zu arbeiten. Wir sind dem Gedankenspiel einmal anhand von Modellprojekten nachgegangen.
Die finnische Politikerin Sanna Marin hat eine viertägige Arbeitswoche mit sechs Stunden Arbeitszeit am Tag ins Gespräch gebracht. Es handelt sich allerdings um kein Regierungsprogramm der jetzigen Ministerpräsidentin, sondern eher um ein Gedankenspiel. Die Sozialdemokratin hatte die Idee im vergangenen Sommer geäußert, bevor sie ins Amt gekommen war. Nun hat sie europaweit in den Medien Aufmerksamkeit gefunden.

Zweifel an Finanzierbarkeit

"Wenn das damit einhergehen soll, dass für 24 Stunden das Gehalt von 35 oder 40 Stunden gezahlt wird, bin ich gespannt, welches Unternehmen das kann", zeigt sich unser Studiogast, der Journalist Nikolaus Blome skeptisch, ob sich das in der Realität umsetzen lässt. "Ich weiß nur nicht ganz genau, ob das alle wollen." Er würde gerne mal den Testfall in der Wirklichkeit sehen. Als Debatte finde er das spannend, so Blome.
Der Journalist Nikolaus Blome
Der Journalist Nikolaus Blome zeigt sich skeptisch, ob die verkürzte Arbeitszeit glücklich macht. © picture-alliance/dpa/Horst Galuschka
Über Erfahrungswerte in Schweden informiert unsere Redakteurin Kirsten Lemke. Dort gebe es einzelne Modellprojekte, beispielsweise in Göteborg in einer Autowerkstatt und in einem Altersheim. Dort hätten die Mitarbeitenden nur noch sechs Stunden an fünf Tagen gearbeitet, seien aber weiter voll bezahlt worden. Im Ergebnis seien die Leute zufriedener und weniger krank gewesen und sie hätten mehr Leistung erbracht. "Die Nachteile für die Mitarbeiter waren, keine Pausen, die Schichten sind anstrengender", so Lemke. Als größtes Problem habe sich herausgestellt, dass die verkürzte Arbeitszeit für die Unternehmen zu teuer gewesen sei und deshalb wieder abgeschafft wurde. "Das ist eine Lohnsteigerung von 25 Prozent." In dem Altenheim habe das mehr als eine Million Euro gekostet.

Flexibilität ist wichtig

Als weiteres Beispiel nannte Lembke einen Test der Firma Microsoft in Japan mit allen 2300 Beschäftigten. Alle hätten nur noch vier Tage die Woche gearbeitet und nach einem Monat festgestellt, dass die Arbeiter im Vergleich um 40 Prozent produktiver gewesen seien. "Sie haben weniger Strom verbraucht, sie haben weniger Papier verbraucht, die Meetings wurden verkürzt, es wurde diese Zeit, die sie dort waren, einfach mehr gearbeitet."
Der Schlüsselbegriff in dieser Debatte sei "Flexibilisierung", ergänzt Blome. Es müsse auch mal möglich sein, 48 Stunden zu arbeiten, wenn es nötig sei oder eben zwischen verschiedenen Arbeitszeiten zu pendeln. Da gebe es allerdings ein krasses Gegenbeispiel in Deutschland, berichtet Lemke von ihren Recherchen. Ein IT-Unternehmer in Bielefeld lasse seine Programmierer täglich nur von 8 bis 13 Uhr arbeiten. "Es gibt keine Pausen, kein Kaffeetrinken – und er sagt das funktioniert, weil die in diesen fünf Stunden, die Leistung bringen, die er haben will." Er frage sich, ob die Leute damit zufrieden seien, in ein solches "Joch" eingespannt zu werden, sagt Blome. Er finde den Arbeitsalltag in Deutschland mit Kaffeepausen und sozialem Austausch bisher nicht so schlecht organisiert.
(gem)

Der freie Journalist Nikolaus Blome war bis Oktober 2019 stellvertretender Chefredakteur der "Bild"-Zeitung und verantwortlich für das Politik- und Wirtschaftsressort. Zuvor war er von 2013 bis 2015 Leiter des Hauptstadtbüros und Mitglied der Chefredaktion des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Von 2011 bis 2013 war er schon einmal stellvertretender Chefredakteur der "Bild"-Zeitung.


Die Soziologin Christiane Funken spricht sich für eine Arbeitszeitverkürzung aus. Schon seit den 70er-Jahren wisse man, dass ein kürzerer Arbeitstag nicht zu Lasten der Produktivität gehe. Die Menschen würden dann "fokussierter und konzentrierter arbeiten". Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels brauche es motivierte Menschen, die gerne arbeiten und ein zufriedenstellendes Leben führten. Das Gespräch können Sie hier nachhören:
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