Verkehrskonzept für Wiesbaden

Mit dem E-Bike geschwind in die Innenstadt radeln

08:07 Minuten
Die Drohnenansicht eines Fahrradfahrers auf einem E Bike. (Symbolfoto)
Von Mainz nach Wiesbaden in 30 Minuten: Die beiden Städte sollen durch einen Radschnellweg verbunden werden. © imago images/Westend61
Von Ludger Fittkau · 15.02.2021
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Ohne Auto von Wiesbaden nach Mainz zu gelangen, ist kaum möglich. Zudem haben die Bürger den Bau einer neuen Straßenbahn abgelehnt. Jetzt soll eine alte Bahntrasse aktiviert werden und ein Radschnellweg gebaut werden.
Viele Bürgerinnen und Bürger aus Städten und Gemeinden im Hinterland der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden hatten einen Traum. Eine Citybahn sollte ihre Wohnorte schnell und sicher mit den Innenstädten von Wiesbaden und Mainz verbinden:
Doch die Idee wurde von der Mehrheit der Wiesbadener Bürgerinnen und Bürger Ende vergangenen Jahres in einem Volksentscheid abgelehnt. Die Citybahn kommt also nicht. Die Probleme mit den Staus und der Luftverschmutzung in der Wiesbadener Innenstadt sind damit noch nicht gelöst.

Radverkehr ist ausbaufähig

Andreas Kowol ist Umwelt- und Verkehrsdezernent der Stadt Wiesbaden und Mitglied der Grünen. Er setzt nach dem Scheitern der Citybahn vor allem aufs Fahrrad – auch auf das E-Bike:
"Über den Wechsel des Verkehrsmittels sind ein Teil der Probleme, die wir heute schon haben, dadurch lösbar, dass wir andere Verkehrsangebote verstärkt auch nachgefragt bekommen. Das ist nun mal der Radverkehr, zumal Wiesbaden nur wenig Radverkehrsanteil hat im Vergleich zu anderen Städten. Das ist der ÖPNV, der auch ohne eine Citybahn ausgebaut werden muss."
Beim Ausbau des ÖPNV soll geprüft werden, ob zumindest ein Teil der ursprünglich für die gescheiterte Citybahn vorgesehenen stillgelegten alten Bahntrasse aus dem Taunus doch noch reaktiviert werden kann.
Es handelt sich um die Trasse der sogenannten Aartal-Bahn. Sie verband bis zu ihrer Stilllegung Anfang der 1980er-Jahre Wiesbaden mit der Region Limburg an der Lahn durch einen rund 50 Kilometer langen Schienenstrang. Die Strecke existiert noch und sollte teilweise für die Citybahn genutzt werden.
"Wir haben in der Vergangenheit immer gesagt, die Aartal-Bahn war zunächst mal keine Alternative", sagt Kowol. "Das ist unverändert richtig, denn eine Erschließung der gesamten Wiesbadener Innenstadt mit einem Schienenverkehrsmittel ist mit der Aartal-Bahn nicht möglich. Aber für den Untertaunus, für Bad Schwalbach, Hohenstein, Heidenrod, aber auch Taunusstein mit über 30.000 Einwohnern könnte eine reaktivierte Aartal-Bahn auf der vorhandenen Schienenstrecke einen erheblichen Nutzen verursachen. Wir könnten für Wiesbaden zumindest in einigen Stadtteilen - allen voran Dotzheim - eine attraktive Schienenverbindung zum Hauptbahnhof oder auch in Richtung Wiesbaden-Ost schaffen, wenn wir die Aartal-Bahn reaktivieren."

Aartal-Bahn könnte Autoverkehr entlasten

Ein Zug aus dem Museum, gezogen von einer alten Dampflok, rattert vom stillgelegten Bahnhof Eiserne Hand auf einem Taunuskamm oberhalb von Wiesbaden Richtung Bad Schwalbach. Nach wenigen Minuten passiert er auf der alten Aartal-Bahn-Strecke die 30.000-Einwohnerstadt Taunusstein.
Auch im dortigen Rathaus denkt man nach dem Scheitern des Citybahn-Projektes über Verkehrsalternativen nach. Denn für die Autopendlerinnen und -pendler, die in Taunusstein und im Rhein-Main-Gebiet leben, ist die Verkehrslage jeden Morgen auf der Straße ein Albtraum.
Sandro Zehner, CDU-Bürgermeister der Stadt, ist für die Reaktivierung der alten Schienenstrecke:
"Wir haben mittlerweile 30.500 Einwohner. Davon leben auch rund 19.000 Menschen in den beiden Stadtteilen, die von der Schiene auch erschlossen sind und von der auch eine enorme Pendlerbewegung ins Rhein-Main-Gebiet ausgeht."
"In der Vergangenheit waren alle Untersuchungen negativ", erläutert Wiesbadens Verkehrsdezernent Kowol. "Das heißt, man konnte keine Förderfähigkeit für diese Schienenreaktivierung erreichen. Das gilt auch bis heute. Allerdings haben wir eine Reihe von Strukturdaten, die uns etwas optimistischer machen, dass bei einer erneuten Untersuchung - die soll auf den Weg gebracht werden -, ein anderes Ergebnis herauskommt. Zum einen, weil wir mehr Verkehr auf der Aartal-Bahn abbilden können, weil wir mehr Wohnbevölkerung entlang der Strecke haben, aber auch mehr Arbeitsplätze. Das hat sich verändert im Vergleich zu den letzten fünf bis zehn Jahren."
Zum anderen gebe es eine verbesserte Förderung auf Bundesebene für reaktivierte Bahnstrecken, wie es die Aartal-Bahn sein könnte, betont Kowol:
"Wir haben die stille Hoffnung - das wollen wir im Laufe dieses Jahres abschließend oder überhaupt erst mal prüfen -, dass wir die Aartal-Bahn reaktivieren können und auch dafür Zuschüsse bekommen. Damit würde insbesondere das Umland sehr gut an den Hauptbahnhof in Wiesbaden und darüber hinaus angebunden."

In 30 Minuten nach Mainz radeln

Ein E-Biker fährt durch eine Fahrradstraße in der Wiesbadener Innenstadt. Nach dem Scheitern der City-Bahn soll das Radwegesystem schnell ausgebaut werden. So soll sehr bald ein neuer Radschnellweg die Innenstädte von Wiesbaden und Mainz mit maximal 30 Minuten Fahrzeit verbinden.
"Ebenerdig ohne große Kreuzungen auf einer Schnellradwegstrecke entlang fahren zu können, das sind viele Kilometer. Das ist nicht preiswert, weil wir zum Beispiel im Bereich des Klärwerks über dem Salzbachtal in vier Metern Höhe eine Stegkonstruktion benötigen, um über das Klärwerksgelände hinwegzukommen. Aber über solche Angebote kann man einen hohen Anteil an mehr Radfahrern zwischen den Innenstädten erreichen, indem Menschen vom Auto auf ein Fahrrad umsteigen. Hinzu kommt, dass durch die Pedelecs die Möglichkeit besteht, sehr zügig mit guter Geschwindigkeit über längere Distanzen unterwegs zu sein."
Zwischen Vordertaunus und Wiesbaden soll in Kürze ein für E-Bikes gut nutzbarer Radweg gebaut werden.
Sandro Zehner, der Bürgermeister der Stadt Taunusstein, die rund zehn Kilometer von Wiesbaden entfernt liegt, will neue Radwege auch mit den Haltepunkten einer reaktivierten Aartal-Bahn verbinden:
"Wir wollen den Menschen die Möglichkeit geben, mit dem Auto und dem Radan an die Zustiegspunkte zu kommen und dann abends auch wieder nach Hause zu kommen."
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