Verhör vor 70 Jahren

Als Brecht zur Zielscheibe der Kommunistenjäger wurde

Undatierte Aufnahme des Dichters Bertolt Brecht
Gut einen Monat nach der Befragung des Musikers Hanns Eisler, wurde auch Bertolt Brecht vorgeladen (Undatierte Aufnahme) © dpa/ picture alliance
Von Cornelie Ueding · 30.10.2017
Er floh vor dem deutschen Faschismus in die USA und wurde dort zur Zielscheibe des "Komitees für unamerikanische Umtriebe". Am 30. Oktober 1947 wurde Bertolt Brecht dort verhört. Er veralberte das gefürchtete Tribunal der McCarthy-Ära. Das Verhör wirkte wie Absurdes Theater.
"My name is Bertolt Brecht. I am born in Augsburg, Germany, February the 10th 19…, äh, 1890."
Sechs lange Jahre verbrachte Bertolt Brecht als Enemy Alien, als feindlicher Ausländer, im Exil in den USA. Der 30. Oktober 1947 markiert das Ende dieser Zeit. Und es sollte ein Abgang der besonderen Art werden. Lange schon, seit dem Kriegseintritt Amerikas 1942, im Visier des FBI, wurde Brecht nun vor das Committee on Un-American Activities, den Ausschuss des Repräsentantenhauses für unamerikanische Umtriebe zitiert – ein Tribunal für viele Staatsbedienstete und Journalisten, Künstler, Schauspieler, Musiker und Schriftsteller in der berüchtigten McCarthy-Ära. Erika Mann beschrieb die Besonderheit dieser Hexenjagd:
"McCarthy hat das anders gemacht als die Nazis. Man wurde gar nicht eingesperrt oder offiziell verboten, das gab’s ja gar nicht. Man wurde abgewürgt. Das war - ausnahmslos. Man konnte nicht mehr ... - das FBI kam jede Woche einmal zum Verhör und im Übrigen konnte man nicht mehr auftreten."

Brecht machte das Tribunal zu einer Theater-Szene

Gut einen Monat nach der Befragung seines Freundes und Mitarbeiters, des Musikers Hanns Eisler, war Brecht vorgeladen. Man warf ihm vor, revolutionäre Gedichte, Stücke und weitere Texte verfasst zu haben und in Kontakt zur kommunistischen Partei zu stehen. Er wusste: Nur wer selbstbewusst auftrat, hatte eine Chance, der öffentlichen Demontage zu entgehen. Viele andere beriefen sich auf das Recht, sich nicht selbst beschuldigen zu müssen - und schwiegen. Aber Brecht wäre nicht der große Autor und Querdenker, hätte er es nicht verstanden, dem Kräftespiel gewitzt standzuhalten und im Unterschied zu vielen anderen "auszusagen". So virtuos, dass Therese Giehse noch in der Erinnerung schwärmte:
"In Amerika, da wurden doch dann alle verhört . Es war so hinreißend, weil er ja ungeheuer lustig war. Gescheit und witzig! Und ich find immer, er hat geantwortet wie ein Dorftrottel. So kam er durch, sonst nicht. Dieses Verhör ist ungeheuer!"

Bühnenreifes Pidginenglisch

Aber Brecht hat sich nicht nur eines bühnenreifen Pidginenglisch bedient, schon bei seinem Geburtsdatum gekonnt einfältig herumgestottert, manches im Vagen gelassen und mit einem gewissen Grad von Unschärfe brilliert.
Vor allem hat der große Theatermann das Kräftespiel auf eine einzigartige Weise geradezu umgekehrt: Er hat das Tribunal, vor dem er sich rechtfertigen musste, zu einer, seiner Theater-Szene gemacht. Etwa, indem er sich auf Schwejk'sche Art dumm stellte: So auf die Frage des Anklägers, der Brechts Kampflied aus dem Film Kuhle Wampe förmlich wutschnaubend auf Englisch zitiert und dann empört fragt:
"Did you write that Mister Brecht?"
"No, I wrote a German poem, but that is very different."
Oder, schon etwas prekärer, wenn man ihn nach seinen Kontakten zur kommunistischen Partei in den USA fragt – und er bis zur Verzweiflung des Komitees auf seiner listig ausweichenden, fast valentinesken Art der Beantwortung beharrt:
"Have you attended any communist party meeting?"
"No. I do not think so."
"You don’t think so ..."
"No. I am certain I think so."
"You’re certain, you never attended …"
"Ja, right, I think so ..."
"You’re certain?"
"I think I am certain."

Er war sicher, dass er davonkommt

Potenziell noch gefährlicher die Frage nach der Legitimation des politischen Mordes um der Doktrin willen, wie es Brecht in "Die Maßnahme" thematisiert, einem Stück, das ihm auch noch im Nachkriegsdeutschland fast das Genick gebrochen hätte.
"He was just killed. He was murdered."
"He wanted to die."
"So, they killed him."
"No, they did not kill him, not in this story, he killed himself. They supported him, they had told him it were better when he disappeared."
Absurdes Theater und ein Schuss schwarzer Humor – Brecht laviert geschickt auf der Grenze zwischen Beflissenheit und Ironisierung. Sodass die Ankläger zumindest irritiert, wenn nicht lächerlich gemacht werden.
Was ihm die Sicherheit zu diesem Spiel gegeben hat, waren aber wohl nicht nur Klugheit und Theatererfahrung und eine gewisse Lust an intellektuellen Gedankenspielen: Er war sicher, dass er davonkommen konnte. Denn er hatte vorgesorgt - und kam einer Verhaftung zuvor. Wenige Stunden nach dem Verhör verließ er die Vereinigten Staaten. Für immer.
Mehr zum Thema