Verhaltensforscher Karsten Brensing

"Tiere fühlen, denken und haben ein Bewusstsein"

Karsten Brensing im Gespräch mit Ulrike Timm · 27.11.2017
Tiere sind leidensfähig und emphatisch, viele verfügen über Intelligenz und Bewusstsein. Was unterscheidet sie also überhaupt noch vom Menschen? Der Verhaltensforscher Karsten Brensing fordert, dass Tieren umfangreiche Rechte zugebilligt werden.
Um Freiheit und Selbstbestimmung ging es Karsten Brensing schon, als er als Anfang-Zwanzigjähriger in einem waghalsigen Manöver durch die Donau schwamm, um die DDR zu verlassen. Heute kämpft er dafür, dass auch Tiere frei und selbstbestimmt leben können: Der Meeresbiologe Karsten Brensing arbeitete mit Walen und Delphinen, lernte das Verhalten von Affen, Raubtieren und Fischen, Insekten und Vögeln kennen, entdeckte Intelligenz und Bewusstsein, Leidensfähigkeit und Empathie bei jeglicher Kreatur. Besonders fasziniert ihn die Erkenntnis, dass Tiere in der Lage sein können, Sätze zu bauen:
"Ein solches Experiment, also der Nachweis einer Grammatik oder eines Satzbaus bei Tieren im Freiland ist tatsächlich vor zwei Jahren gelungen. Wenn ich Ihnen jetzt sage, bei welchem Tier, dann werden Sie es mir fast nicht glauben, aber ich verspreche es Ihnen, es ist wahr. Dieses Experiment hat man mit Meisen durchgeführt."
Auch Spaß und Spiel kommen bei Tieren nicht zu kurz. Wenn ein Vogel mit Hingabe ein Dach herunter rutscht, dann hat das keinen anderen Sinn, als dass es ihm Freude macht.
"Also die Spiel- und Spaßforschung, die ist gerade, ich würde mal sagen, so ein bisschen in. Da gab es sehr viele Veröffentlichungen in den letzten Jahren und tatsächlich ist die Erfindung ,Spaß zu haben vermutlich schon recht alt und auch daran Freude zu empfinden recht alt und das ist evolutiv gesehen auch eine ganz praktische Geschichte, weil alles was man mit Spaß tut, tut man oft und gerne."

Warum dem Wal das Gehör durchknallt

Brensing betreibt aber längst nicht nur Verhaltensforschung. Er setzt sich unter anderem gegen die Lärmverschmutzung von Meeren ein, die für die sensiblen Wale und Delphine besonders fatal ist:
"Lärmverschmutzung ist tatsächlich der Lärm, den wir machen. Und da gibt es mehrere Gründe. Beispielsweise ist der Bau der Windkraftanlage bei uns in Deutschland ein echtes Problem, weil diese Windkraftanlagen, die werden mit großen Hämmern in den Boden gerammt. Und da ist jeder Hammerschlag so laut wie eine Explosion, und ein Schweinswal, also unsere eigene einzige einheimische Walart, die wir haben, wenn der in der Nähe ist, kann es ihm sogar das Gehör durchknallen."
Und schließlich stellt er provokant die Frage, was Mensch und Tier überhaupt noch unterscheidet. Brensing setzt sich dafür ein, dass Tiere, wie Menschen Persönlichkeitsrechte erhalten – mit weitreichenden Folgen für unseren Umgang mit ihnen:
"Wenn man sagt, dass Tiere eine juristische Person werden, dann sagt es mir gar nichts darüber, was das jetzt bedeutet. Das wird dann im Einzelfall sich entwickeln müssen, aber warum soll jemand (ein Tier) nicht auch eine Vertretung bekommen, und warum soll das nicht auch vor Gericht ausgefochten werden."

Über sich selbst erkennende Ratten, Gruppensex bei Delphinen, Dialekte und Kulturen bei Meeressäugern und Krähenvögeln und über die Frage, welchen Respekt wir allen Lebewesen zollen sollten, sprach Deutschlandfunk-Kultur-Moderatorin Ulrike Timm mit dem Biologen, Aktivisten und Sachbuchautor Karsten Brensing am 27. November 2017 "Im Gespräch" ab 9.05 Uhr.

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