"Verhalten des Außenministers war widersprüchlich"

Susanne Kastner im Gespräch mit Gabi Wuttke · 14.04.2011
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat Deutschland mit seiner Libyen-Politik nach Ansicht von Susanne Kastner (SPD) in eine schwierige Situation gebracht. Als Gastgeber des heutigen Treffens mit seinen NATO-Kollegen in Berlin müsse er verlorenes Vertrauen zurückgewinnen.
Gabi Wuttke: Die NATO tut nicht genug für die Libyer, sagen Frankreich und Großbritannien. Der NATO-Generalsekretär hält dagegen: Man verfahre strikt nach der UN-Resolution 1973. Zwei Wochen nach Beginn des Militäreinsatzes zum Schutz der Bevölkerung vor Diktator Gaddafi setzen die Außenminister des Militärbündnisses in Berlin heute den Streit fort, den die Regierungschefs in Paris und London angezettelt hatten – am Tag also, nachdem auch die Libyen-Kontaktgruppe in Doha für eine politische Lösung plädierte. Um 7:50 Uhr begrüße ich im Deutschlandradio Kultur die Sozialdemokratin Susanne Kastner, sie ist die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag. Guten Morgen, Frau Kastner!

Susanne Kastner: Guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Schwere Geschütze gegen die regimetreuen Truppen oder nicht, wie diskutiert man im Verteidigungsausschuss den Streit in der NATO?

Kastner: Im Verteidigungsausschuss war das eine sehr widersprüchliche Diskussion, aber Einvernehmen dahin gehend, dass der Minister, der ja im Verteidigungsausschuss gestern auch war, dieses auch erklärt hat, dass der Minister gesagt hat, man müsse auf die UN-Resolution warten. Und die UN hat bis jetzt keinen neuen Antrag gestellt auf humanitäre Hilfe.

Wuttke: Kommen wir doch erst mal zu dem, was widersprüchlich war.

Kastner: Das Verhalten des Außenministers war widersprüchlich, und hauptsächlich im Weltsicherheitsrat. Man hatte auf der einen Seite bei der Opposition die Befürchtung, dass das den Einfluss Deutschlands schmälert, und bei der Koalition wurde das anders gesehen, und das war widersprüchlich im Verteidigungsausschuss.

Wuttke: Das kann ich mir gut vorstellen. Barack Obama fürchtete ja die Verantwortung, aus der man sich dann auch nicht einfach wieder stehlen kann. Worauf, glauben Sie, wird die internationale Gemeinschaft in Libyen sich womöglich einrichten und vorbereiten müssen?

Kastner: Ja, sie wird sich einrichten und vorbereiten müssen auf einen Waffenstillstand, denn nur in befriedetem Gebiet wird die internationale Völkergemeinschaft humanitäre Hilfe leisten können.

Wuttke: Sie haben es ja schon gesagt, wie man diskutiert hat, dass jetzt darauf gewartet wird, ob eine Anfrage der Vereinten Nationen kommt, die die EU um Hilfe bittet. Es sieht derzeit nicht danach aus. Wie aber steht denn für Sie dann das enthaltsame Deutschland international da?

Kastner: Es ist für Deutschland eine jetzt schwierigere Situation geworden, die auch länger andauert – das ist meine persönliche Meinung. Denn die Enthaltung Deutschlands im Weltsicherheitsrat hat doch dazu geführt, dass man gesagt hat, Deutschland, du willst nicht mehr die gesamte Verantwortung übernehmen, dann kannst du auch nicht mehr überall mitreden.

Wuttke: Und dass wir nicht mehr überall mitreden können, das hat ja mit dem Blick auf die Reaktionen, von denen es offiziell heißt, nein, es habe solche Reaktionen nicht gegeben, Deutschland sei weiterhin international in den Bündnissen gut eingebettet, eine ziemlich katastrophale Vorausschau.

Kastner: Ja, es ist nicht sehr erfreulich für uns, und ich denke, wir müssen da schon alles tun, um das verloren gegangene Vertrauen auch wiederzugewinnen.

Wuttke: Wie könnte das denn gehen?

Kastner: Ja, mit solchen Veranstaltungen wie heute in Berlin innerhalb der NATO und mit anderen.

Wuttke: Das heißt, was erwarten Sie heute von Guido Westerwelle?

Kastner: Was ich erwarte?

Wuttke: Ja.

Kastner: Ich erwarte, dass er Deutschland, die Rolle Deutschlands, die wir in der Welt spielen, die auch von uns erwartet wird, dass er die Rolle wieder deutlich definiert.

Wuttke: Das heißt, Sie halten erst mal daran fest, dass er weiter der Bundesaußenminister der Bundesrepublik Deutschland bleiben wird?

Kastner: Ja, natürlich. Er ist jetzt der Außenminister und er ist auch Gastgeber dieser NATO-Versammlung, und da erwarte ich doch dann schon eine Haltung, die Deutschlands Rolle in der Welt wieder gerade richtet.

Wuttke: Aber es stellt sich ja immer mehr heraus, es geht in Libyen wohl ja eben auch nur – und dafür plädieren Sie ja – um eine politische Lösung. Mal so gesehen: Tat die Bundesregierung im UN-Sicherheitsrat zwar das Falsche, behielt aber in der Sache recht? Wenn man sich auch ansieht, dass die Rebellen ja kein Terrain gutmachen könnten mit Unterstützung der NATO bislang.

Kastner: Ja, schon, aber wenn man dann auf der anderen Seite als Außenminister gleichzeitig einen Boykott Libyens fordert und dann die Schiffe abzieht, ist ja in der Konsequenz nicht das richtige Tun. Und das sind alles Anzeichen, dass der klare Kurs Deutschlands ein bisschen aus den Augen verloren worden ist.

Wuttke: Kann denn Deutschland noch die Kraft haben, Frankreich und Großbritannien da wieder ins Boot zu ziehen?

Kastner: Ja, ins Boot ziehen. Die NATO ist eine Völkergemeinschaft, die müssen gemeinsam auch entscheiden, und in dieser NATO-Gemeinschaft spielt Deutschland eine wichtige Rolle. Und ich erwarte vom Außenminister, dass er diese wichtige Rolle auch so definiert.

Wuttke: Und wenn nicht?

Kastner: Und wenn nicht, dann sag ich wie Franz Beckenbauer: Schau' mer mal!

Wuttke: Schau'n wir mal! Im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur die Sozialdemokratin Susanne Kastner, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag vor dem Treffen der Außenminister des NATO-Militärbündnisses in Berlin. Frau Kastner, besten Dank, schönen Tag!

Kastner: Danke schön!
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