Verhaftung von Régis Debray vor 50 Jahren

Che Guevaras Verbindungsmann

Der französische Schriftsteller, Journalist und Philosoph Régis Debray im August 1967 in Haft in Bolivien
Der französische Schriftsteller, Journalist und Philosoph Régis Debray im August 1967 in Haft in Bolivien © picture-alliance/ dpa / UPI
Von Jochen Stöckmann · 20.04.2017
Zum Umkreis des kubanischen Revolutionärs Che Guevara zählte auch ein junger Franzose: Régis Debray. Der Philosoph aus Paris stand im Verdacht, der lateinamerikanischen Guerillabewegung anzugehören – und wurde am 20. April 1967 in Bolivien festgenommen.
Jean-Paul Sartre:
"Régis Debray, notre ami … Unser Freund Régis Debray wurde in Bolivien festgenommen. Aus den Zeitungen erfahren wir, dass er dabei zu Tode kam. Dann heißt es, er wurde verhaftet mit einer Waffe in der Hand. Schließlich wird auch das zurückgenommen – aber wir wissen immer noch nicht, weswegen man ihn beschuldigt. … ce qu’on lui reproche."
Jean-Paul Sartre klagt an, öffentlich, vor großem Pariser Publikum. Denn in Bolivien, vom Regime des Generals Barrientos, ist am 20. April 1967 ein junger Franzose verhaftet worden: Régis Debray. Kaum 25 Jahre alt, war der frischgebackene Philosoph 1965 nach Kuba gegangen, eingeladen vom Revolutionsführer Fidel Castro. Der interessierte sich brennend für Debrays Artikel über den "Castrismus". Erschienen war der Essay in der von Sartre gegründeten Zeitschrift "Les Temps modernes". In dem folgenreichen Text hatte Debray sich auch Gedanken gemacht über die Zukunft des "Castrismus" außerhalb Kubas.
Zitat:
"Bolivien ist das einzige Land in Lateinamerika, wo die sozialistische Revolution unmittelbar auf der Tagesordnung steht."
Debray galt als Vordenker des bolivianischen Aufstands
In Bolivien ist Debray nun verhaftet worden. Wie aus dem Nichts war er ausgerechnet in jener Gegend aufgetaucht, wo sich seit Wochen eine revolutionäre Guerillabewegung Gefechte mit der Armee liefert. Wer diese "Rote Zone" verlässt wird von Militärstreifen kontrolliert. Dabei fällt den Soldaten ein schlaksiger, unrasierter Franzose auf. Über Funk werden die Personalien weitergegeben: Régis Debray. Der Name ist im Hauptquartier registriert: als Theoretiker, der einer Revolution in Bolivien das Wort redet, als Vordenker des Aufstands. Deshalb wird der Ausländer in Zivil – ohne Waffen, nicht einmal mit subversiven Flugblättern im Gepäck – dennoch in strenge Einzelhaft genommen. Als die ersten Reporter in das Provinznest Camiri vordringen, beharrt der Franzose in Interviews auf seinem Status als Journalist:
Régis Debray:
"... journaliste, informer de guérilla comme journaliste."
Im Auftrag des Philosophen Bertrand Russell soll eine Gruppe von politischen Aktivisten den "Fall Debray" vor Ort untersuchen. Mit dabei: der Deutsche Lothar Menne. Er berichtet in der Oktober-Ausgabe der Zeitschrift "konkret":
Zitat:
"Appelle General de Gaulles und des päpstlichen Nuntius ... machen aus dem revolutionären Marxisten Debray den wohl prominentesten politischen Gefangenen der Welt. ... Nach dem Vorbild von Fidel Castro und mit Hilfe des kubanischen Revolutionärs Che Guevara wollen Guerillas den bolivianischen Diktator Barrientos stürzen. Der französische Philosoph Régis Debray kämpfte an ihrer Seite."
Debray in Bolivien als Verbindungsmann für Che Guevara unterwegs
Damit wäre die Sache klar: Régis Debray hat aktiv gekämpft, und zwar an der Seite von Che Guevara. Der "Commandante" war monatelang von der Bildfläche verschwunden, Militär und US-Geheimdienst aber wussten nach Verhören von Debray und einem Begleiter, wo sie den "Staatsfeind Nr. 1", finden würden. Anfang Oktober 1967 wird Che Guevara aufgespürt und auf der Stelle hingerichtet. In seinem postum veröffentlichten "Bolivianischen Tagebuch" findet sich zu militärischen Aktivitäten Debrays allerdings nur ein Eintrag:
Zitat:
"Das Aufsehen um den Fall Debray gab unserer Bewegung mehr Kampfgeist als zehn siegreiche Gefechte."
Nach Debrays Prozess wird bekannt, dass der Franzose in Bolivien als Verbindungsmann für Che Guevara unterwegs war. Weil ein Funkgerät ausgefallen war, musste er selbst die Botschaften abholen, im Guerilla-Camp mitten in der Kampfzone. Dann soll Che Guevara in militärisch aussichtsloser Lage entschieden haben, dass "der Philosoph" der Sache dienlicher sein könne, wenn er im Ausland für Öffentlichkeit, für Unterstützung sorgt. Also verließ "Danton", so Debrays selbstgewählter Kampfname, in einer Feuerpause das Camp der Guerilla. Und lief einer Militärpatrouille in die Arme.
Verurteilt zu 30 Jahren Zuchthaus kam Régis Debray 1970, nach drei Jahren Haft, wieder frei. Über die lateinamerikanische Guerilla hat er einen autobiografischen Roman geschrieben: "Der Einzelgänger". Über die wahre Geschichte seines "bolivianischen Abenteuers" wird bis heute gestritten.
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