Verhängnisvolles Einsiedlerdasein

10.06.2008
Es ist eine düstere Geschichte, die John Burnside in seinem Roman "Die Spur des Teufels" präsentiert: Der Mittdreißiger Michael Gardiner lebt zurückgezogen am Rande eines kleinen schottischen Dorfes. Die Dörfler wollen mit ihm nichts zu tun haben - und dann brechen auch noch die Wunden der Vergangenheit auf.
Endlich wird der Schotte John Burnside ins Deutsche übersetzt. Endlich ist es möglich, die Qualitäten dieses in seiner Heimat hoch geschätzten Autors auch hierzulande kennenzulernen: am Beispiel seines Romans "Die Spur des Teufels". Dieser spielt zu Anfang unseres Jahrhunderts, in dem kleinen Dorf Coldhaven an der schottischen Ostküste.

Der Mittdreißiger Michael Gardiner lebt mit seiner Frau Amanda in einem Aussiedlerhof, geografisch wie emotional abgeschottet von der engstirnigen Landbevölkerung. Diese war es einst, die seinen Vater, einem angesehenen Landschaftsfotografen, und seiner Mutter, einer amerikanischen Künstlerin, das Leben schwer machte. Mit den Zugezogenen, dieser "Yankee-Nutte", wollten die Dörfler nichts zu tun haben, und so sahen sich die Gardiners gezwungen, vor die Tore der Gemeinde zu ziehen.

Michael bewahrt dieses einsame Erbe nach dem Tod seiner Eltern. Die Zufallsheirat mit Amanda ändert wenig an seinem Einsiedlerdasein. Als er erfährt, dass seine Jugendliebe Moira ihre beiden Söhne und sich selbst getötet hat - lediglich die 14-jährige Tochter Hazel bleibt verschont -, brechen die Wunden der Vergangenheit wieder auf.

Immer wieder wechseln die Ebenen, dem gedanklichen Hin und Her des sich erinnernden Michaels entsprechend. Mit einem Mal steht ihm genau vor Augen, welch unheilvolle Verbindung ihn zu Schulzeiten an Moiras tyrannischen Bruder Malcolm kettete. Ermutigt durch eine Dorfalte, gelingt es Michael, seinem Feind zu trotzen und ihn in einem verfallenen Schuppen in sein Verhängnis zu locken.

Michael Gardiner trägt somit ein düsteres Geheimnis mit sich herum, und er steht damit nicht allein in dieser latent unheimlichen Küstenwelt. Mit unbändiger und doch kaum merklicher Kraft waltet hier das Schicksal, dieser "langsam, allmählich eintretende Sandhaufeneffekt, wenn sich Korn um Korn, Wort um Wort anhäufelt und etwas unvermeidlich wird, auch wenn niemand hätte sagen können, wann genau das in etwas anderes umschlug".

Es ist beeindruckend, wie überzeugend John Burnside die Zeitschichten miteinander verschränkt und so verdeutlicht, dass Gegenwärtiges und Vergangenes eine Einheit bilden. Schuld, Tod, Verlust - das sind zentrale Themen dieses beglückend verstörenden Buches.

Im Schlussteil sehen wir Michael in zunehmender Verwirrung. Moiras Tod lässt ihn vermuten, dass er der Vater ihrer Tochter Hazel ist. Er nähert sich dem Mädchen, und beide lassen alles hinter sich, begeben sich auf eine rational kaum nachvollziehbare Autofahrt. Dann macht sich Hazel davon, und Michael kehrt, ein fast biblisches Motiv, als einsamer Wanderer in sein Haus zurück. Seine Frau hat ihn inzwischen verlassen, und er begnügt sich damit, die Vögel zu beobachten.

Vielleicht ja stößt er eines Tages dabei auch auf Fußspuren des Teufels, auf jene Abdrücke, die man in grauer Vorzeit in Coldhaven fand und die sich zu einer Schreckenslegende verdichteten. Eine zusätzliche magische Ebene, die der Roman vielleicht nicht unbedingt gebraucht hätte, doch eine, die die Düsternis dieser Geschichte nachhaltig unterstreicht.

Rezenseniert von Rainer Moritz

John Burnside: Die Spur des Teufels
Roman. Aus dem Englischen von Bernhard Robben
Albrecht Knaus Verlag, München 2008
255 Seiten, 18 Euro