Vergnüglich und lehrreich - Ein Heine-Buch für Kinder

Rezensiert von Heike Schneider · 17.02.2006
Heinrich Heine sagte von sich selbst, dass sein Angriffs- und Ideenwitz aus einer "wilden Ehr aus Scherz und Weisheit" stamme. Und diesen Witz wollen der Jugendbuchautor Peter Härtling und der Zeichner Hans Traxler jungen Lesern ihr mit ihrem Buch "Lebet wohl, wir kehren nie, nie zurück von Bimini" nahe bringen.
Unzählige Heine-Hörbücher und Heine-Lesungen mit Starschauspielern und prominenten Stimmen, neue und wieder aufgelegte Heine-Biografien, feierliche Heine-Soireen bis hin zu einer Extraausgabe des Literarischen Quartetts gibt es derzeit rund um den 150. Todestag des neben Goethe größten deutschen Dichters, dessen Angriffs- und Ideenwitz nach Selbstauskunft Heinrich Heines aus einer "wilden Ehe zwischen Scherz und Weisheit" stammt.

Da nimmt sich das im Insel Verlag von Peter Härtling herausgegebene und Hans Traxler illustrierte Büchlein "Heine für Kinder" vergleichsweise bescheiden aus. Das mit 80 Seiten schmale Bändchen, dessen Hardcover ein lustiges Aquarell mit einem verträumten Ritter in der Hängematte schmückt – passend zum Untertitel und Heine-Vers "Lebet wohl, wir kehren nie, nie zurück von Bimini", kann als ästhetisch wunderbar auch erwachsenen Lesern empfohlen werden.

"... Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin. Ein Märchen aus uralten Zeiten, das kommt mir nicht aus dem Sinn."

Auf die "Loreley", deren Versanfänge laut Spiegel-Umfrage sage und schreibe jeder dritte Deutsche zitieren kann, stieß Peter Härtling mit zehn Jahren, als Nazikulturwächter sich erdreisteten, den Namen des Verfassers zu verschweigen.

Peter Härtling: "Für mich war es ein ganz unglaublich schönes Lied, das ich da im Radio hörte und das mich auch traurig machte. Und als ich meine Mutter fragte, von wem das ist, zuckte sie nur mit den Schultern. Und wenig später las ich das Gedicht und las darunter, das ist von Heinrich Heine. Da fragte ich meine Mutter: 'Warum sagst Du mir das nicht?' Daraufhin sagte sie: 'Ja, weil der Jude ist.'"

Mit dieser symbolträchtigen Anekdote leitet der 72-jährige Schriftsteller Peter Härtling sein Heinebuch für Kinder ein, um anschließend die wichtigsten Lebensdaten Heines zu skizzieren und ihn mit Texten vorzustellen, die ein ebenso sinnliches wie sinnmachendes Bild von jenem Dichter geben, der sich selbst als "Taubenherz mit Geierschnabel" sah.

In Paris, wo Heine seine zweite Lebenshälfte verbrachte, erinnert er sich als Mittdreißiger – das lesen wir zuerst –an sein Düsseldorfer Elternhaus und "an jene braune Türe, worauf mich die geliebte Mutter mit Kreide die Buchstaben lehrte". Schelmhaft-stolz stellt er sich schon damals vor, wie ehrfürchtige Engländerinnen dereinst seinen Geburtsort aufsuchen werden und versieht seinen Wonneseufzer mit Ausrufezeichen.

Heine: "Ach Gott!... Wenn ich eine berühmter Schriftsteller werde, so hat das meiner armen Mutter genug Mühe gekostet!"

Peter Härtling, der vier Kinder und fünf Enkel hat und auch als überaus beliebter Jugendbuchautor gilt, setzt seine Auswahl bewusst auf die ganze Spannweite von Heines Stimmungen und Sprachkunst, die süßen Wortmelodien und das Salz seiner gereimten Tränen. Sie getrost Teenagern zuzumuten, heißt für Härtling, Schönheit von Dichtung anzumuten.

Das Traurige der "Loreley" genau so wie das Märchenhafte bei "Prinzessin Ilse" oder die Naturliebe und Lebensweisheit in Heines poetischer Frage, wer wohl Kapellmeister im grünen Waldorchester sei – Kiebitz, Kuckuck oder Storch?

Heine: "Nein, in meinem Herzen sitzt des Walds Kapellenmeister. Und ich fühl, wie er den Takt schlägt, und ich glaube, Amor heißt er."

Oder das Spöttische in Heines "Festgedicht" für den Exfreund und Komponisten Meyerbeer, der mit großem Brimborium nach jahrelanger Schaffenskrise eine neue Oper ankündigt. Derlei Wissenswertes hat Härtling übrigens im handlichen Anhang erklärt.

Heine: "Beeren-Meyer, Meyer-Beer! Welch ein Lärm, was ist die Mär? Willst Du wirklich jetzt gebären und den Heiland uns bescheren, der verheißen, der versprochen? Kommst Du wirklich in die Wochen? Das ersehnte Meisterstück, 13-jähriger Kolik?"

Auch Heines energischen Wunsch nach Schlichtheit und Verzicht jeglicher Religionsrituale bei seiner Beerdigung zitiert Härtling: "Keine Messe wird man singen, keinen Kadosch wird man sagen. Nichts gesagt und nichts gesungen wird an meinen Sterbetagen."

Immerhin stellt sich Heine seine Frau Mathilde mit einem Immortellenkranz an seinem Grab auf Montmartre vor. Und ganz liebevoll-praktisch empfiehlt er ihr als Dank ein Taxi damaliger Art.

Heine: "Süßes, dickes Kind, Du darfst nicht zu Fuß nach Hause gehen; an dem Barrieregitter siehst Du die Fiaker stehen."

Mit federleichtem Strich und hellem Aquarell übersetzt der für seine Cartoons in der "Zeit" und "FAZ" bekannte Hans Traxler die Ironie und Poesie Heines in originelle Bildstories. Kongenial – hier trifft das sonst strapazierte Adverb tatsächlich zu. Die unbelehrbaren "Grenadiere" Heines z.B., die sich lieber ins Ehrengrab legen, als geschlagen heimzukehren, malt er derart depressiv und schlapp, dass der Betrachter über den gruseligen Kadavergehorsam einfach den Kopf schüttelt.

Heiter-verspielt dagegen platziert er unter sonnigen Palmen aufs Meer blickende Kinder. Das romantische Bild illustriert das Titelgedicht "Bimini", und das ist nicht nur lautmalerisch attraktiv, sondern lässt den alten, kranken Heine auf seiner Matratzengruft vom Inselparadies der Jugend träumen.

Heine: "Alte Katze Mimili, alter Haushahn Kikriki, lebet wohl, wir kehren nie, nie zurück von Bimini!"

Peter Härtling und Hans Traxler haben übrigens ihre kreative Kooperation schon mit den drei Büchern über Goethe, Schiller und Mozart für Kinder erfolgreich unter Beweis gestellt und wollen sie mit "Ringelnatz für Kinder" demnächst fortsetzen.

"Lebet wohl, wir kehren nie, nie zurück von Bimini"
Heine für Kinder - Ausgewählt von Peter Härtling. Illustriert von Hans Traxler
80 Seiten; gebunden, 14,80 Euro