Vergleichen und Selbstdarstellen

Von Thomas Gith |
Facebook macht neidisch und unzufrieden. Das zumindest ist - etwas zugespitzt - das Ergebnis einer Studie. Denn: Viele Nutzer zeichnen von sich ein übertrieben positives Bild und frustrieren damit ihre vermeintlichen Facebook-Freunde.
Der 24-jährige Till ist ein aktiver Facebook-Nutzer: Mehrmals am Tag loggt er sich in das soziale Netzwerk ein, prüft dann seine virtuelle Pinnwand auf neue Nachrichten, verschickt kurze Texte und Links an Freunde. Till ist ein offener Typ, der mit dutzenden Leuten über Facebook in Kontakt ist. Und dennoch: Manchmal löst das soziale Netzwerk ungute Gefühle bei ihm aus.

"Neid ist auf alle Fälle auch ein Phänomen. Da man schon guckt, wie viele Posts haben jetzt vielleicht die anderen auf ihrer Pinnwand, beziehungsweise wenn man gleichzeitig mit anderen im Raum ist, dann sieht man ja auch, wie viele Messages sie da oben in dem Kästchen zu blinken haben oder so was, und wenn die eigenen dann weniger sind, da ist man dann natürlich schon so ein bisschen enttäuscht, beziehungsweise fühlt sich so ein bisschen desozial oder asozial."

So wie Till geht es vielen Facebook-Nutzern: Sie sind regelmäßig aktiv in dem sozialen Netzwerk, stellen sich oft einer großen Gruppe von Menschen dar. Gleichzeitig vergleichen sich viele Facebook-Nutzer indirekt mit anderen – schließlich lassen sich problemlos die Profile von dutzenden oft sogar von Hunderten Nutzern einsehen. Und wer sich viel vergleicht, wird leicht neidisch und fühlt sich einsam, sagt Wirtschaftswissenschaftlerin Hanna Krasnova:

Die Anzahl der Likes zählt

"Es kann tatsächlich Einsamkeit verstärken, das wurde auch in anderen Studien belegt. Aber auch unsere Forschung zeigt, es gibt wirklich Neid auf soziale Interaktionen und sie entstehen dadurch, dass man sieht, die anderen sind mehr akzeptiert, bekommen zum Beispiel mehr Geburtstagswünsche, bekommen mehr Likes, bekommen mehr Kommentare und ich selbst bekomme zum Beispiel nicht so viele Kommentare oder Likes und dann fühlt man sich schon ein bisschen einsam."

Besonders der Neid auf den vermeintlichen sozialen Erfolg von Facebook-Freunden ist sehr ausgeprägt. Das konnten die Forscher der Berliner Humboldt-Universität und der TU Darmstadt deutlich belegen. Für Ihre Studie haben sie das Verhalten von 600 deutschen Facebook-Nutzern untersucht. Auf die Frage, was in ihrem Alltag bei ihnen das letzte Mal Neid auslöste, sagten über 20 Prozent der Teilnehmer, dass Facebook der Auslöser war. Vor allem auch Urlaubsfotos machen neidisch, erläutert Studienleiterin Dr. Hanna Krasnova:

"Man reist nach Mallorca, man hat einen schönen Tag, man macht ein Foto und postet auf Facebook. Und die anderen, die sitzen zum Beispiel im Büro, oder müssen sich für eine Klausur vorbereiten, dann fühlt man sich ein bisschen komisch. Man will auch zum Strand und sich erholen und dann empfindet man Neid."

Natürlich kann man auch Urlaubspostkarten bekommen, die neidisch machen. Allerdings: Auf Facebook sind die Nutzer unzähligen solcher Informationen ausgesetzt – oft auch von Menschen, die sie kaum kennen oder die sie seit Jahren nicht mehr persönlich getroffen haben.

Vom Neid gepackt

Auch die 23-jährige Sara gibt daher offen zu, manchmal vom Neid gepackt zu werden.

"Die vielen Urlaubsfotos zeigen mir eigentlich, wie gerne ich auch noch mal wieder ins Ausland gehen würde. Also vor allem: Viele reisen auch, seitdem sie Abitur gemacht haben, studieren mal da und mal da, und ich bin in Berlin schon seit Ewigkeiten und ja, dann entsteht schon so ein Neid, dass man vielleicht auch mehr machen sollte, bevor man so ins Arbeitsleben reinrutscht."

Der vermeintliche soziale Erfolg anderer Nutzer und deren schönen Urlaubs- und Freizeitfotos – das sind die beiden Hauptauslöser für Neid. Angestachelt wird der zusätzlich dadurch, dass auf Facebook überwiegend Erfolgsgeschichten dargestellt werden – während jeder Alltag und vielleicht sogar der Urlaub ja auch fade Tage kennt. Studienleiterin Hanna Krasnova:

Gepostet wird nur Positives

"Also viele Nutzer stellen sich sehr, sehr positiv dar. Also sie posten nur positive Sachen über sich und das kann natürlich auch Neid auslösen. Also Neid als Gefühl, als Emotion ist überall gleich, das ist eine negative Emotion, die wirklich mit Schmerz verbunden ist. Aber auf Facebook hat man sozusagen mehr Potenzial, Neid zu empfinden."

Das paradoxe Ergebnis ist oft eine sogenannte Neidspirale, fanden die Forscher heraus: Wer Neid auf Facebook-Freunde empfindet, tendiert dazu, sich selbst übermäßig positiv darzustellen – was wiederum andere neidisch machen kann. Ein Kreislauf also, der sich im ungünstigen Fall fortsetzt.

Auch der 21-jährige Facebook-Nutzer Jakob kennt diese Dynamik – weiß sie allerdings auszutricksen.

"Wenn man jetzt mal nur auf die Vordermaske dieser Selbstdarstellung schaut, dann kann man natürlich sehen, oh ha, der hat wieder das toll gemacht und der kommt da voran und ich stagniere und komme nicht meinen Zielen näher. Aber wenn man dann einfach daran denkt, dass jeder da wohl nur seine schönste Seite nach außen kehrt und das was dahinter steckt, das weiß man gar nicht, dann verliert man dieses Gefühl von Neid wieder. Aber es kann natürlich zuerst aufkommen, auf jeden Fall."

Vor allem passive Facebook-Nutzer empfinden viel Neid, sagen die Forscher. Menschen also, die überwiegend Profile anderer Nutzer lesen und die selbst wenig in Kontakt gehen. Und obwohl Facebook bei vielen nicht nur positive Gefühle auslöst, nutzen weltweit über eine Milliarde Menschen das soziale Netzwerk. Auch das hat eine Eigendynamik, sagt Hanna Krasnova:
"Ich glaube, die wollen einfach die Beziehungen aufrechterhalten. Bei ganz vielen ist das nicht mehr die Frage von Wahl, man muss auf Facebook sein, um eigentlich auch in der Gruppe danach offline zu funktionieren. Das ist auch in der Schule so zum Beispiel."

Und auch der 24-jähirge Till wird auf Facebook nicht verzichten: Obwohl ihn das soziale Netzwerk nach eigener Aussage manchmal neidisch macht oder auch unzufrieden, wenn er etwa keine neue Nachricht bekommen hat, doch er sieht auch die Vorteile.

"Man bekommt schon einige Sachen nicht mit. Zum Beispiel wie jetzt gerade das Jobposting, was ich bekommen habe bei Facebook oder coole Events, die anstehen in der Stadt und wo du eingeladen wirst. Das bekommst du anderweitig nicht mit."

Und auch die Forscher haben eine Empfehlung: Wer Facebook nutzt, sollte das aktiv tun und immer daran denken, dass die Selbstdarstellung anderer Menschen meist sehr einseitig positiv sind - und bei weitem nicht so durchschnittlich wie der Alltag.