Vergessene Nachrichten

Was die Bevölkerung alles hätte erfahren sollen

05:32 Minuten
Eine Panzerhaubitze M 109 A7 Paladine wird im Februar 2020 für die Übung Defender Europe 20 im Bahnhof Bergen verladen.
Eine Panzerhaubitze wird für das NATO-Manöver "Defender 2020" in Niedersachsen verladen. © imago/Sven Eckelkamp
Hektor Haarkötter im Gespräch mit Julius Stucke · 25.03.2021
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2020 sollte in Deutschland eine der größten Militäroperationen der NATO seit 25 Jahren stattfinden. Das Manöver blieb unbeachtet, sein Abbruch ebenso: Die Nachricht wurde wie viele andere auch durch Corona in der Berichterstattung verdrängt.
Corona, Corona, Corona – so sahen die Nachrichten teilweise aus im letzten Jahr. Mittlerweile hat sich das etwas geändert. Aber noch immer spielt die Pandemie medial eine gewaltige Rolle. Viele Nachrichten schaffen es nicht mehr ins Radio, Fernsehen und auf die Zeitungsseiten – obwohl sie eigentlich Aufmerksamkeit verdient hätten. Darauf macht die Initiative Nachrichtenaufklärung immer mal wieder aufmerksam – auf die vergessenen Nachrichten.


Eine der Nachrichten, die zu unbeachtet geblieben seien, sei das NATO-Manöver "Defender 2020" im Winter 2020 gewesen, sagt der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Hektor Haarkötter. Das sei nicht irgendein Manöver gewesen, betont er: "Es wäre die größte Militäraktion in Europa seit 25 Jahren gewesen. 37.000 Soldaten sollten dazu bewegt werden. Und Deutschland wäre das Gastgeberland gewesen. Die 'Host Nation', wie es im Militärjargon heißt."
Das Manöver habe vor einem Jahr auch begonnen, so Haarkötter, sei dann aber wegen der Pandemie und des Lockdowns abgebrochen worden. Der Abbruch sei dann in die Zeit gefallen, in der über nichts Anderes als Corona berichtet worden sei.
Aus diesem Grund habe kaum jemand etwas von dieser "enormen, geostrategischen Militäraktion" mitbekommen, sagt Haarkötter. Fragen, bei denen es um Leben und Tod gehe, würden aber die gesamte Gesellschaft betreffen. Deshalb hätte auch die gesamte Gesellschaft darüber informiert werden müssen.

Kein böser Wille der Redaktionen

Immer wieder werde auch nicht über Themenkomplexe und Geschehnisse berichtet, die in geschlossenen Anstalten wie Gefängnissen, Psychiatrien und Seniorenheimen stattfänden. Das sei aber nicht immer böser Wille der Redaktionen, auch die knappen zeitlichen und finanziellen Ressourcen spielten dabei eine Rolle: "Geschichten, wo man erst Genehmigungen braucht, wo es schwierig ist, überhaupt hinter die Kulissen zu gucken, sind Themen, die dann ganz besonders schnell hinten runter fallen."
Trotz eines immer größeren Angebots im Internet zweifelt Haarkötter an der vermeintlichen Vielfalt der Medien: "Ich glaube, dass das nur eine gefühlte Vielfalt ist, und in Wahrheit hat doch die Einfalt zugenommen." Natürlich gebe es immer mehr Nachrichtenkanäle, auf diesen würden aber permanent nur die gleichen Nachrichten verbreitet, kritisiert Haarkötter.
(jde)
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