Vergessene historische Phase
Im Museum Europäischer Kulturen in Berlin-Dahlem ist ab Freitag eine Ausstellung mit dem Titel "Polenbegeisterung. Deutsche und Polen nach dem Novemberaufstand 1830" zu sehen. Die Schau zeigt, wie der Aufstand scheiterte und wie viele Polen in deutschen Städten und Gemeinden aufgenommen wurden.
Aus dem deutschen und polnischen Bewusstsein ist die kurze Zeit, der die Ausstellung im Museum Europäischer Kulturen gewidmet ist, fast völlig verschwunden. Dabei ist diese vergessene historische Phase von besonderer Faszination und wert, ins Gedächtnis zurückgerufen zu werden.
Nach dem Scheitern des polnischen Aufstands von 1830 gegen die russische Unterdrückung mussten tausende polnischer Freiheitskämpfer fliehen. Ihr Weg nach Frankreich, England, in die Schweiz und andere europäische Länder führte sie durch Deutschland - und hier erlebten sie, obwohl die staatliche Obrigkeit fest an der Seite des Zaren stand , eine überwältigende Hilfsbereitschaft und freundschaftliche Aufnahme.
Die Begeisterung für die um ihre Freiheit kämpfenden Polen veranlasste die Gründung von Hilfsvereinen, die den Emigranten auf vielfältige Weise zur Seite standen, Frauen stellten Verbandsmaterial her, man organisierte Lotterien, Konzerte und Bälle für die Freiheitskämpfer im Exil. Die Polenbegeisterung schlug sich in der Literatur nieder, in Gedichten, Dramen und Polenliedern.
"Noch ist Polen nicht verloren" wurde auch in Deutschland mit großem Enthusiasmus gesungen. In den Damenzirkeln und Teegesellschaften Frankfurts am Main wurde aus dem karitativen Engagement für die polnischen Flüchtlinge gar eine Mode, an der es sich zu beteiligen galt. Das wertvollste Ausstellungsstück, die Handschrift der Polonia-Ouvertüre gibt Zeugnis von der Polenbegeisterung Richard Wagners.
Die Ausstellung legt auf vielfältige Weise Zeugnis ab von dieser aufregenden Epoche. 200 Exponate sind zu sehen, unter den zahlreichen Gemälden sticht besonders das symbolische Werk "Finis Poloniae 1831 oder der Abschied der Polen vom Vaterlande " hervor, Graphiken dokumentieren den Verlauf der verlustreichen Kämpfe in Polen, Archivalien belegen die lokalen Aktivitäten für die Emigranten, aber auch die offizielle Politik der deutschen Länder. Zeitgenössische Presseartikel, Erinnerungsliteratur und Biographien lassen diese außerordentlichen Jahre lebendig werden.
Es war vor allem das liberal gesinnte Bürgertum, das den Freiheitskämpfern beistand. Bei der Hilfe handelte es sich also nicht allein um eine Geste des Mitgefühls, sondern sie war eine politische Solidaritätsbekundung mit den Polen einerseits und der liberalen Opposition in Deutschland andererseits. Andrzey Rottermund, Direktor des Königlichen Schlosses Warschau und Mitgestalter dieser Ausstellung, hebt vor allem die Wirkung auf Deutschland hervor.
Die Anwesenheit der polnischen Flüchtlinge in den deutschen Staaten habe die dortigen liberaldemokratischen Tendenzen und die Vereinigungsbestrebungen verstärkt und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in Europa. Polen galt als Vorbild für den Kampf um die Freiheit in ganz Europa.
Höhepunkt der Polenbegeisterung war das Hambacher Fest am 27. Mai 1832, die erste deutsche Massenveranstaltung mit demokratisch- liberalem Charakter. Eine polnische Delegation war dabei ebenso wie Abgesandte aus Frankreich. Die schwarz-rot-goldene Flagge wehte neben der Trikolore und der polnischen Flagge. Ohne Polens Freiheit keine deutsche Freiheit - hieß es.
Die Erinnerung an diese denkwürdigen Jahre wurde schnell verschüttet, An die Stelle der Polenbegeisterung traten Verachtung und Herabsetzung der Nachbarn und schließlich der Versuch des nationalsozialistischen Deutschland, das polnische Volk auszurotten.
Der Geist des Freiheitskampfes hat jedoch überlebt. Der stellvertretende Generaldirektor der staatlichen Museen zu Berlin, Günther Schauerte, fühlt sich angesichts dieser Ausstellung jedenfalls an den Kampf der Solidarnosz Anfang der 80ger Jahre erinnert - auch dies ein Vorbild weit über Polen hinaus.
Diese Ausstellung kommt zum richtigen Zeitpunkt. Angesichts der Irritationen zwischen beiden Ländern, angesichts hartnäckiger Vorurteile auf beiden Seiten, könnte man auch sagen, die Zeit ist überreif , sich an diese Phase der deutsch-polnischen Beziehungen zu erinnern.
Service:
Die Ausstellung "Polenbegeisterung. Deutsche und Polen nach dem Novemberaufstand 1930" ist vom 3. März bis 30. April 2006 im Museum Europäischer Kulturen in Berlin-Dahlem zu sehen.
Nach dem Scheitern des polnischen Aufstands von 1830 gegen die russische Unterdrückung mussten tausende polnischer Freiheitskämpfer fliehen. Ihr Weg nach Frankreich, England, in die Schweiz und andere europäische Länder führte sie durch Deutschland - und hier erlebten sie, obwohl die staatliche Obrigkeit fest an der Seite des Zaren stand , eine überwältigende Hilfsbereitschaft und freundschaftliche Aufnahme.
Die Begeisterung für die um ihre Freiheit kämpfenden Polen veranlasste die Gründung von Hilfsvereinen, die den Emigranten auf vielfältige Weise zur Seite standen, Frauen stellten Verbandsmaterial her, man organisierte Lotterien, Konzerte und Bälle für die Freiheitskämpfer im Exil. Die Polenbegeisterung schlug sich in der Literatur nieder, in Gedichten, Dramen und Polenliedern.
"Noch ist Polen nicht verloren" wurde auch in Deutschland mit großem Enthusiasmus gesungen. In den Damenzirkeln und Teegesellschaften Frankfurts am Main wurde aus dem karitativen Engagement für die polnischen Flüchtlinge gar eine Mode, an der es sich zu beteiligen galt. Das wertvollste Ausstellungsstück, die Handschrift der Polonia-Ouvertüre gibt Zeugnis von der Polenbegeisterung Richard Wagners.
Die Ausstellung legt auf vielfältige Weise Zeugnis ab von dieser aufregenden Epoche. 200 Exponate sind zu sehen, unter den zahlreichen Gemälden sticht besonders das symbolische Werk "Finis Poloniae 1831 oder der Abschied der Polen vom Vaterlande " hervor, Graphiken dokumentieren den Verlauf der verlustreichen Kämpfe in Polen, Archivalien belegen die lokalen Aktivitäten für die Emigranten, aber auch die offizielle Politik der deutschen Länder. Zeitgenössische Presseartikel, Erinnerungsliteratur und Biographien lassen diese außerordentlichen Jahre lebendig werden.
Es war vor allem das liberal gesinnte Bürgertum, das den Freiheitskämpfern beistand. Bei der Hilfe handelte es sich also nicht allein um eine Geste des Mitgefühls, sondern sie war eine politische Solidaritätsbekundung mit den Polen einerseits und der liberalen Opposition in Deutschland andererseits. Andrzey Rottermund, Direktor des Königlichen Schlosses Warschau und Mitgestalter dieser Ausstellung, hebt vor allem die Wirkung auf Deutschland hervor.
Die Anwesenheit der polnischen Flüchtlinge in den deutschen Staaten habe die dortigen liberaldemokratischen Tendenzen und die Vereinigungsbestrebungen verstärkt und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in Europa. Polen galt als Vorbild für den Kampf um die Freiheit in ganz Europa.
Höhepunkt der Polenbegeisterung war das Hambacher Fest am 27. Mai 1832, die erste deutsche Massenveranstaltung mit demokratisch- liberalem Charakter. Eine polnische Delegation war dabei ebenso wie Abgesandte aus Frankreich. Die schwarz-rot-goldene Flagge wehte neben der Trikolore und der polnischen Flagge. Ohne Polens Freiheit keine deutsche Freiheit - hieß es.
Die Erinnerung an diese denkwürdigen Jahre wurde schnell verschüttet, An die Stelle der Polenbegeisterung traten Verachtung und Herabsetzung der Nachbarn und schließlich der Versuch des nationalsozialistischen Deutschland, das polnische Volk auszurotten.
Der Geist des Freiheitskampfes hat jedoch überlebt. Der stellvertretende Generaldirektor der staatlichen Museen zu Berlin, Günther Schauerte, fühlt sich angesichts dieser Ausstellung jedenfalls an den Kampf der Solidarnosz Anfang der 80ger Jahre erinnert - auch dies ein Vorbild weit über Polen hinaus.
Diese Ausstellung kommt zum richtigen Zeitpunkt. Angesichts der Irritationen zwischen beiden Ländern, angesichts hartnäckiger Vorurteile auf beiden Seiten, könnte man auch sagen, die Zeit ist überreif , sich an diese Phase der deutsch-polnischen Beziehungen zu erinnern.
Service:
Die Ausstellung "Polenbegeisterung. Deutsche und Polen nach dem Novemberaufstand 1930" ist vom 3. März bis 30. April 2006 im Museum Europäischer Kulturen in Berlin-Dahlem zu sehen.