Vergebung und Versöhnung bei Pete Seeger
Sein Haus in Beacon ist wie ein Museum für Prinzipien und ökologisch definierbare Bescheidenheit. Alles ist so, wie es Joschka Fischer, Wolf Biermann und andere in der Zeit vor ihrer Propagierung der Bomben auf Belgrad, gern zur Schau gestellt haben. Bei Pete Seeger nur eben ohne Show.
Der Texter, Komponist, Bearbeiter und Sänger großer Gewerkschaftslieder und Welthits wie „Sag mir wo die Blumen sind“, „Guantanamera“, „The Lion sleeps tonight“, „If I had a hammer“ wohnt bescheiden am Rande des Staates New York beim Hudson River wie damals in den 50er-Jahren, als enthemmte Antikommunisten seine Autoscheiben durchschlugen, nach ihm und seiner schwangeren Frau mit Steinen warfen.
Er gibt Rätsel auf: Woher kommt diese Durchhaltekraft seit und gegen McCarthys Berufsverbieter, unter den Genickschlägen der Medien-Blacklisters, der offenen und heimlichen Schwarzen Listen in Funk und Fernsehen? Ohne konvertierter Kronzeuge der Konzernmedien oder prüder Sektierer geworden zu sein, weder von Macht geschluckt noch von Ohnmacht gefressen zu sein? Denn so sang er gegen Ausbeutung und für die Liebe zwischen seinen Brüdern und Schwestern, nahm aus der Bibel, Prediger 1, 3-8 die Versöhnung: „Jegliches hat seine Zeit: Turn, Turn, Turn – a time for every purpose under heaven“.
Sein „We Shall Overcome“ ist nicht rührselig, aber friedfertig. Wenn er Woody Guthries „This Land Is Your Land“ sang, war das nie Blut-und-Boden-Tümelei, sondern die radikale Liebe, von der Maxim Gorki sagte: „Das Heiligste sei der Mensch“. Wir deutschen Liedermacher hallen oft nur in der Enge wider -- und überlassen Kirche, Lagerfeuer, Festzelt und anderen öffentlichen Raum, wo Arbeiter und Kleinbürger gegen Krieg und anderen Kapitalwahn zueinander finden „kampflos den Rechten“ (um hier einmal Ernst Bloch zu variieren).
Es ist nämlich die Versöhnung, mit der Kraft zu Macht aufsteigt.
Die Christen wussten dies als sie Staatsreligion wurden und das „Gleichnis vom verloren Sohn“ zur gleichen Zeit aufgewertet haben. Die Kirche signalisierte so ihren bisherigen Feinden: Ihr habt uns den Löwen vorgeworfen, gekreuzigt, verbrannt, aber besinnt euch und wir werden euch behandeln, wie dieser Vater seinen „verlorenen Sohn“.
Vergebung vertieft Hegemonie. Brecht sagte auf die Frage, was sein Lieblingsbuch sei: „Sie werden lachen: die Bibel.“ In seinem Stück „Die Mutter“ schreibt er in die Kantate „Über den Tod eines Genossen“: „Aber nicht einmal/die auf ihn schossen, waren andre als er/ und nicht ewig auch unbelehrbar.“ An anderer Stelle schreibt Brecht: „So übel sie euch auch mitspielen, gebt keinen euresgleichen auf!“
Die Kapitalkritiker könnten angesichts dieser Krise früher als ihnen lieb ist in eine hegemoniale Stellung eingefordert sein -- nicht nur in den USA, wo der Rosa-Luxemburg-Anhänger Pete Seeger jetzt, begleitet von Bruce Springsteen, neben Obama bei dessen Amteinführung gesungen hat. Dann helfen den Linken weniger ihre zänkische Rasierklingenschärfe und vipernschnellen Zungen als die Warmherzigkeit eines Pete Seeger. Kein Material spaltet Menschen derart nachhaltig wie das Kapital. Dagegen bedarf es nachhaltiger Konsensarbeit unter den Betroffenen.
Pete Seeger hat in seinem Lebenswerk den Versöhnungsgedanken im Hegelschen Dreifach-Sinne aufgehoben. Das hat mit „Kinderglauben im politischen Kampf“ so wenig zu tun, wie bei Nelson Mandela, dem anderen alt gewordenen Jungen, der so weise wie unclever ist, bei seiner radikalen Menschenliebe geblieben zu sein. „Liebende sind immer talentiert“, sagt Tolstoi zu Gorki. So ist Pete Seeger beispielgebend in der Antikriegs- und Gewerkschaftsbewegung, wie unter den Künstlerinnen und Künstlern.
Diether Dehm, Jahrgang 1950, studierter Heilpädagoge mit Diplom und Doktortitel. Texter und Komponist, Verlagsgeschäftsführer, 1966-1998 SPD, 1999-2003 stellvertretender Bundesvorsitzender der PDS, seit 2003 Landesvorsitzender der Linkspartei Niedersachsen, MdB 1994 und erneut seit 2005.
Er gibt Rätsel auf: Woher kommt diese Durchhaltekraft seit und gegen McCarthys Berufsverbieter, unter den Genickschlägen der Medien-Blacklisters, der offenen und heimlichen Schwarzen Listen in Funk und Fernsehen? Ohne konvertierter Kronzeuge der Konzernmedien oder prüder Sektierer geworden zu sein, weder von Macht geschluckt noch von Ohnmacht gefressen zu sein? Denn so sang er gegen Ausbeutung und für die Liebe zwischen seinen Brüdern und Schwestern, nahm aus der Bibel, Prediger 1, 3-8 die Versöhnung: „Jegliches hat seine Zeit: Turn, Turn, Turn – a time for every purpose under heaven“.
Sein „We Shall Overcome“ ist nicht rührselig, aber friedfertig. Wenn er Woody Guthries „This Land Is Your Land“ sang, war das nie Blut-und-Boden-Tümelei, sondern die radikale Liebe, von der Maxim Gorki sagte: „Das Heiligste sei der Mensch“. Wir deutschen Liedermacher hallen oft nur in der Enge wider -- und überlassen Kirche, Lagerfeuer, Festzelt und anderen öffentlichen Raum, wo Arbeiter und Kleinbürger gegen Krieg und anderen Kapitalwahn zueinander finden „kampflos den Rechten“ (um hier einmal Ernst Bloch zu variieren).
Es ist nämlich die Versöhnung, mit der Kraft zu Macht aufsteigt.
Die Christen wussten dies als sie Staatsreligion wurden und das „Gleichnis vom verloren Sohn“ zur gleichen Zeit aufgewertet haben. Die Kirche signalisierte so ihren bisherigen Feinden: Ihr habt uns den Löwen vorgeworfen, gekreuzigt, verbrannt, aber besinnt euch und wir werden euch behandeln, wie dieser Vater seinen „verlorenen Sohn“.
Vergebung vertieft Hegemonie. Brecht sagte auf die Frage, was sein Lieblingsbuch sei: „Sie werden lachen: die Bibel.“ In seinem Stück „Die Mutter“ schreibt er in die Kantate „Über den Tod eines Genossen“: „Aber nicht einmal/die auf ihn schossen, waren andre als er/ und nicht ewig auch unbelehrbar.“ An anderer Stelle schreibt Brecht: „So übel sie euch auch mitspielen, gebt keinen euresgleichen auf!“
Die Kapitalkritiker könnten angesichts dieser Krise früher als ihnen lieb ist in eine hegemoniale Stellung eingefordert sein -- nicht nur in den USA, wo der Rosa-Luxemburg-Anhänger Pete Seeger jetzt, begleitet von Bruce Springsteen, neben Obama bei dessen Amteinführung gesungen hat. Dann helfen den Linken weniger ihre zänkische Rasierklingenschärfe und vipernschnellen Zungen als die Warmherzigkeit eines Pete Seeger. Kein Material spaltet Menschen derart nachhaltig wie das Kapital. Dagegen bedarf es nachhaltiger Konsensarbeit unter den Betroffenen.
Pete Seeger hat in seinem Lebenswerk den Versöhnungsgedanken im Hegelschen Dreifach-Sinne aufgehoben. Das hat mit „Kinderglauben im politischen Kampf“ so wenig zu tun, wie bei Nelson Mandela, dem anderen alt gewordenen Jungen, der so weise wie unclever ist, bei seiner radikalen Menschenliebe geblieben zu sein. „Liebende sind immer talentiert“, sagt Tolstoi zu Gorki. So ist Pete Seeger beispielgebend in der Antikriegs- und Gewerkschaftsbewegung, wie unter den Künstlerinnen und Künstlern.
Diether Dehm, Jahrgang 1950, studierter Heilpädagoge mit Diplom und Doktortitel. Texter und Komponist, Verlagsgeschäftsführer, 1966-1998 SPD, 1999-2003 stellvertretender Bundesvorsitzender der PDS, seit 2003 Landesvorsitzender der Linkspartei Niedersachsen, MdB 1994 und erneut seit 2005.