Verfechter des Dazwischen

Von Jörg Taszman |
In dem Kinofilm "Mein Bester Feind" zieht ein Jude, der aus dem KZ geflohen ist, die SS-Uniform an, um sich und seine Familie zu retten. Gespielt wird er von Moritz Bleibtreu, der sich über Deutschland, den deutschen Film und die deutsche Identität seine Gedanken macht.
Er ist leidenschaftlich und charmant, kann aus Begeisterung laut werden oder dramatisch flüstern. Moritz Bleibtreu lebt Kino und er steht zu seinen Filmen, die er wortgewaltig verteidigt. Mit "Mein Bester Feind" einer Tragikomödie, die zwischen 1938 und 1945 spielt, befürchtete Bleibtreu erneut, dass man den Film auf der Berlinale ebenso ausbuht, wie im Vorjahr seinen "Jud Süss". Aber dann kam alles anders, sagt Moritz Bleibtreu. Das Publikum lachte und nahm den Film dankbar an. Bleibtreu weiß auch warum:

<im_60749>"Jud Süss - Film ohne Gewissen" NUR FILMSTART</im_60749>"Also ich war überrascht, dass es dann doch so ist, egal wie widersprüchlich ein Thema ist, in dem Moment, wo man dem Zuschauer klar definiert, was er zu empfinden hat, funktioniert's. (...) Siehste aber das fand ich dann wieder gerade das Spannende an 'Jud Süss', dass 'Jud Süss' genau das nicht getan hat. Das ist das, weswegen sich die Leute so aufgeregt haben, weil der Film sagte: Mach dir deine Meinung! Was denkst denn Du? Ist das eine Komödie oder ein Drama? Und der Film hat von dir verlangt, es selbst zu definieren. Er hat von dir verlangt: Lachst du oder lachst du nicht? Traust du dich? Oh, kein anderer lacht! Dann lass ich es auch. Der Film macht das mit dir und zeigt, warum Leute 'Heil' schreien, ohne nachzudenken, und nun schreist du 'Buhhh', ohne zu reflektieren. Oder du traust dich nicht zu lachen, weil kein anderer es tut. Das ist genau das, was 'Jud Süss' gemacht hat. Deswegen fand ich das so geil."
Er kann sich immer wieder aufs Neue echauffieren, wie einhellig deutsche Kritiker Filme verreißen und dabei nicht nuancieren. Das hat viel mit einem gestörten Verhältnis der Deutschen zu ihrer aufgearbeiteten Geschichte zu tun, findet der Hamburger, der seit einigen Jahren auch viel im Ausland dreht. Intellektuell habe die Geschichtsbewältigung durchaus stattgefunden, meint Bleibtreu, aber emotional noch nicht. Auch in der Kultur traue man sich bis heute nicht, einfach mal etwas nur gut zu finden.

"In Deutschland muss immer alles stimmen. Wenn alles stimmt, ist alles gut. Und wenn nichts stimmt, stimmt nichts. Das ist etwas, das Film am wenigsten gebrauchen kann, weil das natürlich nie wahr ist. Kein Film ist nur gut und kein Film ist nur Scheiße, sondern es ist immer irgendetwas dazwischen. Und wenn wir nicht bereit sind, uns hinzustellen und zu sagen, okay, das war jetzt insgesamt nicht so gut, aber der Schauspieler war gut, aber die Tonmischung war sensationell, aber der Schnitt war super, dann werden wir es nie schaffen, Filme differenziert und richtig zu beurteilen und Talente zu erkennen. Dann werden uns diese Talente durch die Lappen gehen und genau das passiert seit Jahren. Das können die Amis ... die sehen nur, es sieht verdammt geil aus, Musik ist gut. Wie viel hat der Film gekostet? Wow, drei Millionen, sieht aus wie acht. Komm mal her! Und schon sind wir den los! ( ...) In Amerika freut man sich über den Erfolg und redet nicht über Flops. Bei uns ist das genau andersrum. Man feiert die Flops und packt sie auf die erste Seite und sagt: Guck mal, das war ja grauenhaft!"

Es ärgert Moritz Bleibtreu zum Beispiel, dass er nun mit Filmemachern wie Robert Schwentke, der in Deutschland mit "Tatoo" und "Eierdiebe" nicht gebührend wahrgenommen wurde, keinen deutschen Film mehr drehen kann. Schwentke dreht mittlerweile nun in den USA mit Hollywoodstars wie Jodie Foster. Immer wieder bricht Moritz Bleibtreu eine Lanze für den deutschen Film und beklagt die starre Abgrenzung von Kunst und Kommerz.

"Es gibt bei uns diesen Riesengraben zwischen dem, was man anspruchsvolles Autorenkino vielleicht nennen mag. Da gibt es inzwischen ganz viele Worte von 'Berliner Schule' über was nicht alles. Ich kann mit diesen Schubladen nichts anfangen. Für mich gibt es nur Filme. Dann gibt es noch Begriffe wie 'Boxoffice- Mainstream- High Concept'. Für mich gibt es nur Filme. Keiner geht hin und will einen schlechten Film machen. Alle wollen einen guten Film machen. Einige werden gut, andere weniger. Respekt habe ich vor jedem Einzelnen. Ich sage, wenn mir etwas nicht gefällt, aber ich werde nie ausfallend oder persönlich und lass jeden sein."

Seine sympathische Art kommt nicht nur beim Publikum gut an. Bleibtreu wird auch in der Branche sehr geschätzt. Mit vielen Filmemachern verbinden ihn Freundschaften, etwa zu Oscar Roehler. Quentin Tarrantino wollte ihn für seine "Inglourious Basterds" aber da drehte Bleibtreu mit seinem alten Kumpel Fatih Akin gerade "Soul Kitchen" eine deutsche Komödie. Genau dieses Genre reizte ihn schon immer besonders.

"Ich liebe ja Comedy. Als ich klein war, ich wusste ja immer, ich will Schauspieler werden, aber als ich zehn war, wollte ich immer Komiker werden. Meine großen Vorbilder waren Peter Sellers, Adriano Celentano, Louis de Funès, Buster Keaton, Harold Lloyd, also auch die 'Slapsticker', die viel zu viel machen. (...) Ich habe dann erst in meiner Jugend gemerkt, da gibt es auch noch das dramatische Fach, und das ist auch nicht uninteressant."

Links bei dradio.de:
Interview mit Wolfgang Murnberger, Regisseur von "Mein bester Feind"
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