Verfassungsschutzpräsident

Die Maaßen-Affäre wird zur Groteske

14.05.2018, Berlin: Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), spricht beim Symposium des BfV zum Thema «Hybride Bedrohungen - Vernetzte Antworten» zu den Teilnehmern.
In normalen Zeiten hätte es zur Causa Maaßen keiner Krisentreffen auf höchster Regierungsebene bedurft, kommentiert Stephan Detjen © dpa / picture alliance / Kay Nietfeld
Von Stephan Detjen · 18.09.2018
Statt Hans-Georg Maaßen zu entlassen, wird er zum Staatssekretär im Bundesinnenministerium befördert. Kanzlerin Angela Merkel werde das als Maßnahme erklären, um die Stabilität der Regierung zu gewährleisten, meint Stephan Detjen. Doch das Manöver sei durchschaubar.
Was zu tun gewesen wäre, lag eigentlich auf der Hand. In normalen Zeiten hätte es dazu keiner Krisentreffen auf höchster Regierungsebene bedurft. Die Entlassung des Verfassungsschutzpräsidenten wäre ein Federstrich eines loyalen Bundesinnenministers gewesen. Stattdessen wird Hans-Georg Maaßen nun zum Staatssekretär im Bundesinnenministerium befördert. Aus der Affäre ist eine Groteske geworden.

Vertrauen verspielt

Nach seinem unseligen "Bild"-Interview und der folgenden Rechtfertigungsrhetorik hatte Maaßen jeden Anlass für seine Entlassung geliefert. Mit rein persönlichen Mutmaßungen hatte er versucht, die öffentliche Debatte nach den Chemnitzer Vorfällen zu steuern, man kann auch sagen: zu manipulieren.
Wieviel von dem, was Maaßen nach oberflächlicher Betrachtung klar zu sein schien, tatsächlich noch im Dunkeln liegt, wurde erst heute wieder deutlich. In Chemnitz wurde einer der wegen des Tötungsdelikts inhaftierten Afghanen wieder freigelassen, weil der Mann offenbar schlichtweg unschuldig ist. Maaßen hingegen wusste die Tat in der Boulevardpresse bereits als Mord zu qualifizieren.
Er hat damit das größte Kapital beschädigt, das ein Geheimdienst besitzt: das Vertrauen von Politik und Öffentlichkeit in die überlegene Qualität der Erkenntnisse, die er mit privilegierten Mitteln gewinnen soll.
Noch schlimmer als das voreilige Statement in der "Bild"-Zeitung war die folgende Krisenkommunikation Maaßens. Selbst ihm wohlgesonnene Parteifreunde gestanden zu, dass der Mann einen Fehler gemacht hatte. Maaßen selbst aber sah sich nur als Opfer einer Kampagne von politischen Gegnern und Medien. Die Rabulistik, mit der er seine Äußerungen rechtfertigte, war hanebüchen.
Maaßen bediente sich dabei exakt jener Methode nachträglicher Wortklauberei, mit der Alexander Gauland ansonsten zu erklären pflegt, nie gesagt und schon gar nicht gemeint zu haben, was jeder verstand und verstehen sollte.

Rechtspopulisten als heimliche Schutzpatrone Maaßens

Ohne die Rolle der AfD mit in den Blick zu nehmen, ist heute nicht zu verstehen, warum Hans-Georg Maaßen statt der Entlassungspapiere jetzt die Ernennungsurkunde zum Staatssekretär in die Hand bekommen wird. Ausgerechnet die Rechtspopulisten, mit deren Beobachtung sich der Verfassungsschutz an sich befassen müsste, waren zuletzt die heimlichen Schutzpatrone Maaßens.
Hätte die Kanzlerin seine Entlassung erzwungen, hätte sie der AfD eine Märtyrerfigur geschenkt. Wer Merkel kritisiert oder linke Gutmenschenpropaganda entlarvt, fliegt raus, wäre das schlichte Argument gewesen, mit dem die Rechtspopulisten ihre Wahlkämpfe in Bayern und Hessen befeuert hätten.
Dass sich Andrea Nahles Ende letzter Woche die Forderung nach einer Entlassung Maaßens in breiten Lettern auf die Fahnen schrieb, dürfte Merkel vor diesem Hintergrund nur recht gewesen sein. So wird die Kanzlerin die krude Personaloperation nun als Maßnahme erklären, die wegen des Drucks der SPD unausweichlich war, um die Stabilität der Regierung zu gewährleisten.
Das Manöver aber ist zu durchschaubar. Es kann nicht verschleiern, dass diese Regierung von ihren inneren Konflikten und äußerem Druck paralysiert ist.

Stephan Detjen, Chefkorrespondent von Deutschlandradio. Studierte Geschichtswissenschaft und Jura an den Universitäten München, Aix-en-Provence sowie an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Rechtsreferendariat in Bayern und Redakteur beim Bayerischen Rundfunk. Seit 1997 beim Deutschlandradio, zunächst als rechtspolitischer Korrespondent in Karlsruhe. Ab 1999 zunächst politischer Korrespondent in Berlin, dann Abteilungsleiter bei Deutschlandradio Kultur. 2008 bis 2012 Chefredakteur des Deutschlandfunk in Köln. Seitdem Leiter des Hauptstadtstudios Berlin sowie des Studios Brüssel.

© Deutschlandradio / Bettina Straub
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