Verfassungsrichter billigen schwarz-rote Gesundheitsreform

Von Martin Steinhage, Deutschlandradio Hauptstadtstudio |
Nicht nur Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte damit gerechnet, dass das Bundesverfassungsgericht die Gesundheitsreform der Großen Koalition in toto für verfassungsgemäß erklären würde: Kaum fünf Minuten, nachdem die ersten Eilmeldungen aus Karlsruhe über den Ticker liefen, kam bereits aus dem Hause Schmidt eine Jubelmeldung in Form einer Pressemitteilung.
Die Karlsruher Richter haben mit ihrem Urteil also wie erwartet zwei Kernelementen der schwarz-roten Gesundheitsreform zugestimmt: Zum einen sind die privaten Krankenversicherer nunmehr in der Pflicht, mehr soziale Verantwortung zu übernehmen: Ehemalige Kunden, die derzeit ohne Versicherungsschutz sind, müssen wieder aufgenommen werden. Das ist ein Schritt, der lange überfällig war. Und: Für diese Klientel wie für alle anderen Mitglieder muss die PKV einen so genannten Basistarif anbieten, der sich am Angebot der gesetzlichen Kassen orientiert. Auch dies ist im Grundsatz eine richtige Maßnahme.

Zum andern gibt es bei den Privatversicherern jetzt mehr Wettbewerb, erstmals auch um Bestandskunden: Sie können nunmehr bei einem Anbieterwechsel ihre gesparten Altersrückstellungen mitnehmen; bislang gingen diese ersatzlos verloren. Dies ist ebenfalls nur zu begrüßen.

Die Niederlage an dieser Stelle ist für die Kläger zu ertragen: Denn unter gütiger Mithilfe von CDU und CSU konnte die Branche die Konditionen für den Basistarif so unattraktiv ausgestalten, dass seit Jahresbeginn gerade einmal 6000 von rund achteinhalb Millionen PKV-Mitgliedern in den Basistarif gewechselt sind. Und auch ein Versicherungswechsel unter Mitnahme der Rückstellungen ist zumindest für Altkunden mit sehr hohen Hürden versehen, und daher in den meisten Fällen ebenfalls uninteressant.

Viel problematischer ist für die Privatversicherer hingegen, dass Karlsruhe die von der Politik deutlich verschärften Regeln für einen Übertritt in die PKV für rechtens erklärt hat. Dies könnte den Zustrom gut verdienender jüngerer Menschen verringern. Was die Gefahr einer allmählichen Überalterung der Privatassekuranz erhöht, und im worst case den schleichenden Tod der Branche durch Auszehrung bedeuten würde. Zusätzlich an Attraktivität verliert das PKV-System, weil die gesetzlichen Kassen ihre Angebote mit Wahl- und Zusatztarifen ausbauen dürfen. Womit ein weiteres Geschäftsfeld der Privatversicherer gefährdet ist.

Für die Große Koalition wäre ein Scheitern in Karlsruhe heikel gewesen, hatte doch Kanzlerin Merkel den Erfolg der schwarz-roten Gesundheitsreform zur Chefsache gemacht. Eine rote Karte der Verfassungsrichter wäre auf die Regierungschefin zurückgefallen, und natürlich auch für das von ihr angeführte Kabinett.

So aber ist man in der Union zufrieden, dass die Sache gut ausgegangen ist, auch wenn gerade im Unionslager die ganze Reform kaum Freunde hat. Bei der SPD wiederum ist man froh, ein wenig mehr soziale Gerechtigkeit ins Gesundheitssystem gebracht zu haben. Denn darauf war es den Sozialdemokraten ja vor allem angekommen. Und eben diesen Bemühungen hat Karlsruhe heute seinen Segen erteilt.